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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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brauchst Du denn immer nur Geld, nichts als
Geld zu Deinem Glücke, und für Deine Kinder?
Tina und Emil, beide sind reich genug; mein
Bischen kriegen sie auch noch hinzu, und werden
nicht Hungers sterben. Aber, lieber Freund, für
den alten Adel des Kammerherrn gebe ich keinen
Heller! Es ist wahr, der mag so alt sein, wie
seine enormen Schulden! Alter Adel, alter Adel!
Mein Himmel, welcher vernünftige Mensch giebt
was auf den Adel! Jeder Mensch hat seine
Ahnen; er giebt sich aber nicht die Mühe, sie
zu zählen, und nimmt sich nicht die impertinente
Freiheit, sich die Tugenden seiner Altvordern mir
nichts, dir nichts, beizumessen, wie die soge¬
nannten Adligen. Nimm mir's nicht übel, Du
thatest auch einst sehr Unrecht, dich in den Grafen¬
stand mit schwerem Gelde zu, kaufen, was Dir
noch obenhin die ganze Welt verdacht hat. Hier,
im Herzen, in der Brust," fuhr Heinrich in seinem
Eifer fort, und klopfte stark auf seine Brust, daß
es dröhnte, "da ist der Adelsbrief, den haben die
Engel geschrieben, und wer den nicht mehr vor¬
zeigen kann, ist ein Taugenichts, ein heilloser
Windbeutel!"

"Nun, nur gemach!" erwiederte der Graf
lächlend; "Du bist eine brave Seele, aber in

brauchſt Du denn immer nur Geld, nichts als
Geld zu Deinem Gluͤcke, und fuͤr Deine Kinder?
Tina und Emil, beide ſind reich genug; mein
Bischen kriegen ſie auch noch hinzu, und werden
nicht Hungers ſterben. Aber, lieber Freund, fuͤr
den alten Adel des Kammerherrn gebe ich keinen
Heller! Es iſt wahr, der mag ſo alt ſein, wie
ſeine enormen Schulden! Alter Adel, alter Adel!
Mein Himmel, welcher vernuͤnftige Menſch giebt
was auf den Adel! Jeder Menſch hat ſeine
Ahnen; er giebt ſich aber nicht die Muͤhe, ſie
zu zaͤhlen, und nimmt ſich nicht die impertinente
Freiheit, ſich die Tugenden ſeiner Altvordern mir
nichts, dir nichts, beizumeſſen, wie die ſoge¬
nannten Adligen. Nimm mir's nicht uͤbel, Du
thateſt auch einſt ſehr Unrecht, dich in den Grafen¬
ſtand mit ſchwerem Gelde zu, kaufen, was Dir
noch obenhin die ganze Welt verdacht hat. Hier,
im Herzen, in der Bruſt,“ fuhr Heinrich in ſeinem
Eifer fort, und klopfte ſtark auf ſeine Bruſt, daß
es droͤhnte, „da iſt der Adelsbrief, den haben die
Engel geſchrieben, und wer den nicht mehr vor¬
zeigen kann, iſt ein Taugenichts, ein heilloſer
Windbeutel!“

„Nun, nur gemach!“ erwiederte der Graf
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[48/0054] brauchſt Du denn immer nur Geld, nichts als Geld zu Deinem Gluͤcke, und fuͤr Deine Kinder? Tina und Emil, beide ſind reich genug; mein Bischen kriegen ſie auch noch hinzu, und werden nicht Hungers ſterben. Aber, lieber Freund, fuͤr den alten Adel des Kammerherrn gebe ich keinen Heller! Es iſt wahr, der mag ſo alt ſein, wie ſeine enormen Schulden! Alter Adel, alter Adel! Mein Himmel, welcher vernuͤnftige Menſch giebt was auf den Adel! Jeder Menſch hat ſeine Ahnen; er giebt ſich aber nicht die Muͤhe, ſie zu zaͤhlen, und nimmt ſich nicht die impertinente Freiheit, ſich die Tugenden ſeiner Altvordern mir nichts, dir nichts, beizumeſſen, wie die ſoge¬ nannten Adligen. Nimm mir's nicht uͤbel, Du thateſt auch einſt ſehr Unrecht, dich in den Grafen¬ ſtand mit ſchwerem Gelde zu, kaufen, was Dir noch obenhin die ganze Welt verdacht hat. Hier, im Herzen, in der Bruſt,“ fuhr Heinrich in ſeinem Eifer fort, und klopfte ſtark auf ſeine Bruſt, daß es droͤhnte, „da iſt der Adelsbrief, den haben die Engel geſchrieben, und wer den nicht mehr vor¬ zeigen kann, iſt ein Taugenichts, ein heilloſer Windbeutel!“ „Nun, nur gemach!“ erwiederte der Graf laͤchlend; „Du biſt eine brave Seele, aber in

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/54>, abgerufen am 21.11.2024.