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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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aus, und faßte Blauenstein am Arme, "wo soll
denn die Reise hingehn? Hier sollen Sie erst
noch einen gewissen Jemand kennen lernen, der
noch nicht einmal ein Wort mit Ihnen sprechen
konnte. Kinderchen, ihr paßt so recht für einander;
Schade, ewig Schade, daß Tinchen nicht noch eine
Schwester hat, die Blauenstein zu seinem Weib¬
chen machte, he?!"

Blauenstein erwiederte auf die letzte sonderbare
Äußerung Heinrichs nicht ein Wort, und sprach
mit Staunitz über allerlei gleichgültige Dinge.
Er hatte auch Reisen gemacht, und daß er sie
gehörig benutzt, das zeigte der Umfang seines
gediegenen Wissens, sein gründliches Urtheil, die
Wärme, mit welcher er über Italien besonders
und seine Kunstschätze sich verbreitete. Was so
wenigen vergönnt ist, er hatte das Grabmahl des
Cajus Cestius besucht, und die uralten Gemälde
der durch den Fackeldampf neugieriger Kunstver¬
ehrer geschwärzten Wände der Pyramide mit
Kennerblicken beschaut, mit einem Worte, es war
ihm nichts entgangen, er hatte mit wahrem Reise¬
genie seine Zeit hingebracht Und das mußte man
ihm lassen, er war schön wie der Sonnengott!
Und den sollte ein junges, so empfängliches Mäd¬
chen wie Tina, dem die ganze, weite Welt für

aus, und faßte Blauenſtein am Arme, „wo ſoll
denn die Reiſe hingehn? Hier ſollen Sie erſt
noch einen gewiſſen Jemand kennen lernen, der
noch nicht einmal ein Wort mit Ihnen ſprechen
konnte. Kinderchen, ihr paßt ſo recht fuͤr einander;
Schade, ewig Schade, daß Tinchen nicht noch eine
Schweſter hat, die Blauenſtein zu ſeinem Weib¬
chen machte, he?!“

Blauenſtein erwiederte auf die letzte ſonderbare
Äußerung Heinrichs nicht ein Wort, und ſprach
mit Staunitz uͤber allerlei gleichguͤltige Dinge.
Er hatte auch Reiſen gemacht, und daß er ſie
gehoͤrig benutzt, das zeigte der Umfang ſeines
gediegenen Wiſſens, ſein gruͤndliches Urtheil, die
Waͤrme, mit welcher er uͤber Italien beſonders
und ſeine Kunſtſchaͤtze ſich verbreitete. Was ſo
wenigen vergoͤnnt iſt, er hatte das Grabmahl des
Cajus Cestius beſucht, und die uralten Gemaͤlde
der durch den Fackeldampf neugieriger Kunſtver¬
ehrer geſchwaͤrzten Waͤnde der Pyramide mit
Kennerblicken beſchaut, mit einem Worte, es war
ihm nichts entgangen, er hatte mit wahrem Reiſe¬
genie ſeine Zeit hingebracht Und das mußte man
ihm laſſen, er war ſchoͤn wie der Sonnengott!
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[43/0049] aus, und faßte Blauenſtein am Arme, „wo ſoll denn die Reiſe hingehn? Hier ſollen Sie erſt noch einen gewiſſen Jemand kennen lernen, der noch nicht einmal ein Wort mit Ihnen ſprechen konnte. Kinderchen, ihr paßt ſo recht fuͤr einander; Schade, ewig Schade, daß Tinchen nicht noch eine Schweſter hat, die Blauenſtein zu ſeinem Weib¬ chen machte, he?!“ Blauenſtein erwiederte auf die letzte ſonderbare Äußerung Heinrichs nicht ein Wort, und ſprach mit Staunitz uͤber allerlei gleichguͤltige Dinge. Er hatte auch Reiſen gemacht, und daß er ſie gehoͤrig benutzt, das zeigte der Umfang ſeines gediegenen Wiſſens, ſein gruͤndliches Urtheil, die Waͤrme, mit welcher er uͤber Italien beſonders und ſeine Kunſtſchaͤtze ſich verbreitete. Was ſo wenigen vergoͤnnt iſt, er hatte das Grabmahl des Cajus Cestius beſucht, und die uralten Gemaͤlde der durch den Fackeldampf neugieriger Kunſtver¬ ehrer geſchwaͤrzten Waͤnde der Pyramide mit Kennerblicken beſchaut, mit einem Worte, es war ihm nichts entgangen, er hatte mit wahrem Reiſe¬ genie ſeine Zeit hingebracht Und das mußte man ihm laſſen, er war ſchoͤn wie der Sonnengott! Und den ſollte ein junges, ſo empfaͤngliches Maͤd¬ chen wie Tina, dem die ganze, weite Welt fuͤr

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/49>, abgerufen am 05.05.2024.