den Bitten meines Oncles vielleicht nachgegeben zu haben, der Sie bat, längere Zeit auf unserm einsamen Lande zuzubringen, nicht wahr?"
"Wie könnte mir das jetzt in den Sinn kommen," sagte Blauenstein betheurend, "wie können Sie den Gedanken in sich aufkommen lassen, ich sei ungern hier! -- Aber ein Versprechen gab ich Ihrem Herrn Oncle nicht; kindliche Pflichten rufen mich zu meinem Vater zurück!"
"Sie wollen mir ausbiegen," hob Tina mit einem leisen Erröthen an, "aber ich verliere mein Thema nicht. Können Sie sich entschließen, mir zu versprechen, wenigstens noch acht Tage hier zu verweilen, da Sie es meinem Oncle nicht zusagen mogten?"
Blauenstein sah seine Begleiterin mit einer gewissen Verwunderung an, und erwiederte: "Wer vermögte Ihnen etwas abzuschlagen? -- Aber ich begreife Sie nicht! Und wenn ich bleibe, sollte mich dieser Gedanke schon nicht erschrecken, sagen Sie Gräfin, sollte er mich nicht erschrecken?"
"O nein, nein!" rief Tina lebhaft aus. "Und wenn ich dies denken könnte, gewiß würde ich
den Bitten meines Oncles vielleicht nachgegeben zu haben, der Sie bat, laͤngere Zeit auf unſerm einſamen Lande zuzubringen, nicht wahr?“
„Wie koͤnnte mir das jetzt in den Sinn kommen,“ ſagte Blauenſtein betheurend, „wie koͤnnen Sie den Gedanken in ſich aufkommen laſſen, ich ſei ungern hier! — Aber ein Verſprechen gab ich Ihrem Herrn Oncle nicht; kindliche Pflichten rufen mich zu meinem Vater zuruͤck!“
„Sie wollen mir ausbiegen,“ hob Tina mit einem leiſen Erroͤthen an, „aber ich verliere mein Thema nicht. Koͤnnen Sie ſich entſchließen, mir zu verſprechen, wenigſtens noch acht Tage hier zu verweilen, da Sie es meinem Oncle nicht zuſagen mogten?“
Blauenſtein ſah ſeine Begleiterin mit einer gewiſſen Verwunderung an, und erwiederte: „Wer vermoͤgte Ihnen etwas abzuſchlagen? — Aber ich begreife Sie nicht! Und wenn ich bleibe, ſollte mich dieſer Gedanke ſchon nicht erſchrecken, ſagen Sie Graͤfin, ſollte er mich nicht erſchrecken?“
„O nein, nein!“ rief Tina lebhaft aus. „Und wenn ich dies denken koͤnnte, gewiß wuͤrde ich
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den Bitten meines Oncles vielleicht nachgegeben
zu haben, der Sie bat, laͤngere Zeit auf unſerm
einſamen Lande zuzubringen, nicht wahr?“
„Wie koͤnnte mir das jetzt in den Sinn
kommen,“ ſagte Blauenſtein betheurend, „wie
koͤnnen Sie den Gedanken in ſich aufkommen laſſen,
ich ſei ungern hier! — Aber ein Verſprechen gab
ich Ihrem Herrn Oncle nicht; kindliche Pflichten
rufen mich zu meinem Vater zuruͤck!“
„Sie wollen mir ausbiegen,“ hob Tina mit
einem leiſen Erroͤthen an, „aber ich verliere mein
Thema nicht. Koͤnnen Sie ſich entſchließen, mir
zu verſprechen, wenigſtens noch acht Tage hier
zu verweilen, da Sie es meinem Oncle nicht
zuſagen mogten?“
Blauenſtein ſah ſeine Begleiterin mit einer
gewiſſen Verwunderung an, und erwiederte: „Wer
vermoͤgte Ihnen etwas abzuſchlagen? — Aber ich
begreife Sie nicht! Und wenn ich bleibe, ſollte
mich dieſer Gedanke ſchon nicht erſchrecken, ſagen
Sie Graͤfin, ſollte er mich nicht erſchrecken?“
„O nein, nein!“ rief Tina lebhaft aus. „Und
wenn ich dies denken koͤnnte, gewiß wuͤrde ich
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/47>, abgerufen am 22.07.2024.
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