sagen sollte, ob Staunitz, ob Tina oder Oncle Heinrich. Der letztere meinte zwar, das werde sich schon finden, erfahren müsse er es doch, und dann sei es im Grunde einerlei, durch wen. Aber er beschloß heimlich bei sich, die Sache selbst, und zwar noch heute Abend abmachen zu wollen.
Der Graf war von seiner Geschäftsreise zu¬ rückgekehrt; Oncle Heinrich ging schnurstracks zu ihm in's Cabinet, und beide Herren kamen auch daraus nicht wieder für den Abend zum Vorschein. Der alte Martin wurde von Tina einmal gar beauftragt, vor dem erwähnten Zimmer vorbei¬ zugehn, ob etwa drinnen heftig geredet würde, denn es war ihr so bang um's Herz, als solle die kaum emporsteigende Sonne ihres jungen Liebesglückes wieder hinabsteigen in ein finsteres Wolkenmeer; und wirklich berichtete der alte Graukopf, es werde ziemlich laut gesprochen, aber man könne durchaus kein Wort verstehn. Die heimliche Angst ließ sie nicht zu sich selbst kommen; sie vermogte bei Tisch keinen Bissen zu essen, und die Nacht entschwand unter tausend Qualen.
Blauenstein erging es nicht viel besser; er starrte eine Zeitlang auf Tinas kunstreiches Ge¬
ſagen ſollte, ob Staunitz, ob Tina oder Oncle Heinrich. Der letztere meinte zwar, das werde ſich ſchon finden, erfahren muͤſſe er es doch, und dann ſei es im Grunde einerlei, durch wen. Aber er beſchloß heimlich bei ſich, die Sache ſelbſt, und zwar noch heute Abend abmachen zu wollen.
Der Graf war von ſeiner Geſchaͤftsreiſe zu¬ ruͤckgekehrt; Oncle Heinrich ging ſchnurſtracks zu ihm in's Cabinet, und beide Herren kamen auch daraus nicht wieder fuͤr den Abend zum Vorſchein. Der alte Martin wurde von Tina einmal gar beauftragt, vor dem erwaͤhnten Zimmer vorbei¬ zugehn, ob etwa drinnen heftig geredet wuͤrde, denn es war ihr ſo bang um's Herz, als ſolle die kaum emporſteigende Sonne ihres jungen Liebesgluͤckes wieder hinabſteigen in ein finſteres Wolkenmeer; und wirklich berichtete der alte Graukopf, es werde ziemlich laut geſprochen, aber man koͤnne durchaus kein Wort verſtehn. Die heimliche Angſt ließ ſie nicht zu ſich ſelbſt kommen; ſie vermogte bei Tiſch keinen Biſſen zu eſſen, und die Nacht entſchwand unter tauſend Qualen.
Blauenſtein erging es nicht viel beſſer; er ſtarrte eine Zeitlang auf Tinas kunſtreiches Ge¬
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ſagen ſollte, ob Staunitz, ob Tina oder Oncle
Heinrich. Der letztere meinte zwar, das werde
ſich ſchon finden, erfahren muͤſſe er es doch, und
dann ſei es im Grunde einerlei, durch wen.
Aber er beſchloß heimlich bei ſich, die Sache
ſelbſt, und zwar noch heute Abend abmachen
zu wollen.
Der Graf war von ſeiner Geſchaͤftsreiſe zu¬
ruͤckgekehrt; Oncle Heinrich ging ſchnurſtracks zu
ihm in's Cabinet, und beide Herren kamen auch
daraus nicht wieder fuͤr den Abend zum Vorſchein.
Der alte Martin wurde von Tina einmal gar
beauftragt, vor dem erwaͤhnten Zimmer vorbei¬
zugehn, ob etwa drinnen heftig geredet wuͤrde,
denn es war ihr ſo bang um's Herz, als ſolle
die kaum emporſteigende Sonne ihres jungen
Liebesgluͤckes wieder hinabſteigen in ein finſteres
Wolkenmeer; und wirklich berichtete der alte
Graukopf, es werde ziemlich laut geſprochen, aber
man koͤnne durchaus kein Wort verſtehn. Die
heimliche Angſt ließ ſie nicht zu ſich ſelbſt kommen;
ſie vermogte bei Tiſch keinen Biſſen zu eſſen, und
die Nacht entſchwand unter tauſend Qualen.
Blauenſtein erging es nicht viel beſſer; er
ſtarrte eine Zeitlang auf Tinas kunſtreiches Ge¬
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/243>, abgerufen am 27.07.2024.
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