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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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sehn, ohne welche ich vielleicht nie so glücklich
geworden wäre, als ich es bin. Daß sie unseres
Blauensteins Dank ebenso verdient, versteht sich.
Aber auf jeden Fall mögte das allerliebste Kind
eine gute Parthie für Vetter Heinrich sein,
nicht wahr?"

"Was!?" rief der letztere, "eine ehemalige
Nonne? Gott soll mich behüten und bewahren!
In diesem Punkte lobe ich mir die dienstbereite
Wirthin, deren Klosterraisonnement recht eindring¬
lich von Staunitz vorgetragen wurde. Ein Weib,
das aus reiner sentimentaler Laune in ein Kloster
zieht, ist mir zuwider; überhaupt taugen solche
Schmachtlampen nicht viel, und können meinet¬
wegen bleiben wo sie sind. Daher begreife ich
noch nicht, wie ein vernünftiger Mensch vom
sogenannten Klosterberufe sprechen kann!"

"Wie Du doch wunderlich bist, lieber Oncle!"
sagte Tina, und in ihrem Auge lag ein Ausdruck
tiefbewegter Empfindung. "Hat man nicht im
Kloster Zeit, wieder gut zu machen, was man
durch Leichtsinn und Unerfahrenheit verdarb, kann
man hier nicht rein werden von allen Schlacken
des Irdischen, und sein Gemüth empor heben zu
dem, der unser Schicksal wägt?"

ſehn, ohne welche ich vielleicht nie ſo gluͤcklich
geworden waͤre, als ich es bin. Daß ſie unſeres
Blauenſteins Dank ebenſo verdient, verſteht ſich.
Aber auf jeden Fall moͤgte das allerliebſte Kind
eine gute Parthie fuͤr Vetter Heinrich ſein,
nicht wahr?“

„Was!?“ rief der letztere, „eine ehemalige
Nonne? Gott ſoll mich behuͤten und bewahren!
In dieſem Punkte lobe ich mir die dienſtbereite
Wirthin, deren Kloſterraiſonnement recht eindring¬
lich von Staunitz vorgetragen wurde. Ein Weib,
das aus reiner ſentimentaler Laune in ein Kloſter
zieht, iſt mir zuwider; uͤberhaupt taugen ſolche
Schmachtlampen nicht viel, und koͤnnen meinet¬
wegen bleiben wo ſie ſind. Daher begreife ich
noch nicht, wie ein vernuͤnftiger Menſch vom
ſogenannten Kloſterberufe ſprechen kann!“

„Wie Du doch wunderlich biſt, lieber Oncle!“
ſagte Tina, und in ihrem Auge lag ein Ausdruck
tiefbewegter Empfindung. „Hat man nicht im
Kloſter Zeit, wieder gut zu machen, was man
durch Leichtſinn und Unerfahrenheit verdarb, kann
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[232/0238] ſehn, ohne welche ich vielleicht nie ſo gluͤcklich geworden waͤre, als ich es bin. Daß ſie unſeres Blauenſteins Dank ebenſo verdient, verſteht ſich. Aber auf jeden Fall moͤgte das allerliebſte Kind eine gute Parthie fuͤr Vetter Heinrich ſein, nicht wahr?“ „Was!?“ rief der letztere, „eine ehemalige Nonne? Gott ſoll mich behuͤten und bewahren! In dieſem Punkte lobe ich mir die dienſtbereite Wirthin, deren Kloſterraiſonnement recht eindring¬ lich von Staunitz vorgetragen wurde. Ein Weib, das aus reiner ſentimentaler Laune in ein Kloſter zieht, iſt mir zuwider; uͤberhaupt taugen ſolche Schmachtlampen nicht viel, und koͤnnen meinet¬ wegen bleiben wo ſie ſind. Daher begreife ich noch nicht, wie ein vernuͤnftiger Menſch vom ſogenannten Kloſterberufe ſprechen kann!“ „Wie Du doch wunderlich biſt, lieber Oncle!“ ſagte Tina, und in ihrem Auge lag ein Ausdruck tiefbewegter Empfindung. „Hat man nicht im Kloſter Zeit, wieder gut zu machen, was man durch Leichtſinn und Unerfahrenheit verdarb, kann man hier nicht rein werden von allen Schlacken des Irdiſchen, und ſein Gemuͤth empor heben zu dem, der unſer Schickſal waͤgt?“

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/238>, abgerufen am 25.11.2024.