im Ramen des Bildes, woran ich gearbeitet, d. h. mit dem Schwamme tüchtig gewaschen, und wo es nöthig war, frische Farben aufgesetzt hatte, ein Streifchen Papier mit wenigen Zeilen von Beatas Hand. Sie hatte vor der Äbtissin sich mir nicht nahen können, aber meinen letzten Brief erhalten, worin ich ihr unsere glückliche Pforten¬ operation gemeldet, und sie bestimmte bereits die folgende Nacht zur Flucht der armen Adeline. Sonderbar war es, daß gerade an demselben Tage die Restaurationen zu der Äbtissin völliger Zufriedenheit beendigt waren. Die alte Dame fragte hierauf mit höchst eigenem Munde, wie hoch sich ihre Schuld belaufe, und ich lachte ihr in einer Haare gerade in's Gesicht, als sie jedem von uns, da wir nicht fordern mogten und konnten, einen Beutel mit Geld einhändigte. Sie erkun¬ digte sich nochmals nach unsern Namen und Ge¬ burtsort; das arme, eben verlassene Italien, mußte herhalten, wünschte dann eine glückliche Reise, und entließ uns mit einem huldreichen Lächeln. Wir lachten auch, aber wahrhaftig nur aus Schaden¬ freude, daß wir die Alte hinter's Licht geführt.
Um elf Uhr, als die uns von Schwester Beata bezeichnete Stunde, wartete ich mit Kluge an der verwitterten Klostermauer; im nächsten
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im Ramen des Bildes, woran ich gearbeitet, d. h. mit dem Schwamme tuͤchtig gewaſchen, und wo es noͤthig war, friſche Farben aufgeſetzt hatte, ein Streifchen Papier mit wenigen Zeilen von Beatas Hand. Sie hatte vor der Äbtiſſin ſich mir nicht nahen koͤnnen, aber meinen letzten Brief erhalten, worin ich ihr unſere gluͤckliche Pforten¬ operation gemeldet, und ſie beſtimmte bereits die folgende Nacht zur Flucht der armen Adeline. Sonderbar war es, daß gerade an demſelben Tage die Reſtaurationen zu der Äbtiſſin voͤlliger Zufriedenheit beendigt waren. Die alte Dame fragte hierauf mit hoͤchſt eigenem Munde, wie hoch ſich ihre Schuld belaufe, und ich lachte ihr in einer Haare gerade in's Geſicht, als ſie jedem von uns, da wir nicht fordern mogten und konnten, einen Beutel mit Geld einhaͤndigte. Sie erkun¬ digte ſich nochmals nach unſern Namen und Ge¬ burtsort; das arme, eben verlaſſene Italien, mußte herhalten, wuͤnſchte dann eine gluͤckliche Reiſe, und entließ uns mit einem huldreichen Laͤcheln. Wir lachten auch, aber wahrhaftig nur aus Schaden¬ freude, daß wir die Alte hinter's Licht gefuͤhrt.
Um elf Uhr, als die uns von Schweſter Beata bezeichnete Stunde, wartete ich mit Kluge an der verwitterten Kloſtermauer; im naͤchſten
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im Ramen des Bildes, woran ich gearbeitet, d. h.
mit dem Schwamme tuͤchtig gewaſchen, und wo
es noͤthig war, friſche Farben aufgeſetzt hatte,
ein Streifchen Papier mit wenigen Zeilen von
Beatas Hand. Sie hatte vor der Äbtiſſin ſich
mir nicht nahen koͤnnen, aber meinen letzten Brief
erhalten, worin ich ihr unſere gluͤckliche Pforten¬
operation gemeldet, und ſie beſtimmte bereits die
folgende Nacht zur Flucht der armen Adeline.
Sonderbar war es, daß gerade an demſelben
Tage die Reſtaurationen zu der Äbtiſſin voͤlliger
Zufriedenheit beendigt waren. Die alte Dame
fragte hierauf mit hoͤchſt eigenem Munde, wie
hoch ſich ihre Schuld belaufe, und ich lachte ihr
in einer Haare gerade in's Geſicht, als ſie jedem
von uns, da wir nicht fordern mogten und konnten,
einen Beutel mit Geld einhaͤndigte. Sie erkun¬
digte ſich nochmals nach unſern Namen und Ge¬
burtsort; das arme, eben verlaſſene Italien, mußte
herhalten, wuͤnſchte dann eine gluͤckliche Reiſe, und
entließ uns mit einem huldreichen Laͤcheln. Wir
lachten auch, aber wahrhaftig nur aus Schaden¬
freude, daß wir die Alte hinter's Licht gefuͤhrt.
Um elf Uhr, als die uns von Schweſter
Beata bezeichnete Stunde, wartete ich mit Kluge
an der verwitterten Kloſtermauer; im naͤchſten
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/215>, abgerufen am 27.07.2024.
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