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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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ihm herzlich zuwider, und doch mußte das Alles
ertragen werden. In Bohlingen, dem Stamm¬
schlosse seiner Familie, hatten sich alle Beamte
und Diener versammelt, um dem neuen Guts¬
herrn ihre Huldigungen darzubringen; der letztere
veranstaltete demnach ein großes Diner, und
spaarte keine Kosten, um sich bei seinen Leuten
in Liebe und Ehre zu erhalten. Aber ließ ihm
denn die ganze Zeit während des Tisches der
Gedanke an Tina Ruhe? -- Er rang nach Licht,
nach Aufklärung, er zerbrach sich den Kopf, was
eigentlich Staunitz in seinem Briefe mit so
Manchem habe sagen wollen, und dennoch war
kein Herauskommen! -- Endlich war das Essen
zu Ende; man heftete theils besorgte, theils
mitleidige Blicke auf den Spender so vieler Herr¬
lichkeiten, denn man hielt ihn für krank oder halb
verrückt; ein junger Pachter, der in den Contract
seines Vorgängers eingetreten war, wagte kaum
das Instrument Blauenstein zum Unterzeichnen
vorzulegen, bis sich sein Vater ein Herz nahm,
und dem Gutsherrn das Papier überreichte.
Blauenstein hatte kurz vorher schon über die
Sache geredet; er nahm die Feder und tauchte
ein. Aber die Buchstaben tanzten vor seinen
Augen wie schwärmende Mücken, und mit
Schrecken gewahrte er, daß er statt seines Namens

ihm herzlich zuwider, und doch mußte das Alles
ertragen werden. In Bohlingen, dem Stamm¬
ſchloſſe ſeiner Familie, hatten ſich alle Beamte
und Diener verſammelt, um dem neuen Guts¬
herrn ihre Huldigungen darzubringen; der letztere
veranſtaltete demnach ein großes Diner, und
ſpaarte keine Koſten, um ſich bei ſeinen Leuten
in Liebe und Ehre zu erhalten. Aber ließ ihm
denn die ganze Zeit waͤhrend des Tiſches der
Gedanke an Tina Ruhe? — Er rang nach Licht,
nach Aufklaͤrung, er zerbrach ſich den Kopf, was
eigentlich Staunitz in ſeinem Briefe mit ſo
Manchem habe ſagen wollen, und dennoch war
kein Herauskommen! — Endlich war das Eſſen
zu Ende; man heftete theils beſorgte, theils
mitleidige Blicke auf den Spender ſo vieler Herr¬
lichkeiten, denn man hielt ihn fuͤr krank oder halb
verruͤckt; ein junger Pachter, der in den Contract
ſeines Vorgaͤngers eingetreten war, wagte kaum
das Inſtrument Blauenſtein zum Unterzeichnen
vorzulegen, bis ſich ſein Vater ein Herz nahm,
und dem Gutsherrn das Papier uͤberreichte.
Blauenſtein hatte kurz vorher ſchon uͤber die
Sache geredet; er nahm die Feder und tauchte
ein. Aber die Buchſtaben tanzten vor ſeinen
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[165/0171] ihm herzlich zuwider, und doch mußte das Alles ertragen werden. In Bohlingen, dem Stamm¬ ſchloſſe ſeiner Familie, hatten ſich alle Beamte und Diener verſammelt, um dem neuen Guts¬ herrn ihre Huldigungen darzubringen; der letztere veranſtaltete demnach ein großes Diner, und ſpaarte keine Koſten, um ſich bei ſeinen Leuten in Liebe und Ehre zu erhalten. Aber ließ ihm denn die ganze Zeit waͤhrend des Tiſches der Gedanke an Tina Ruhe? — Er rang nach Licht, nach Aufklaͤrung, er zerbrach ſich den Kopf, was eigentlich Staunitz in ſeinem Briefe mit ſo Manchem habe ſagen wollen, und dennoch war kein Herauskommen! — Endlich war das Eſſen zu Ende; man heftete theils beſorgte, theils mitleidige Blicke auf den Spender ſo vieler Herr¬ lichkeiten, denn man hielt ihn fuͤr krank oder halb verruͤckt; ein junger Pachter, der in den Contract ſeines Vorgaͤngers eingetreten war, wagte kaum das Inſtrument Blauenſtein zum Unterzeichnen vorzulegen, bis ſich ſein Vater ein Herz nahm, und dem Gutsherrn das Papier uͤberreichte. Blauenſtein hatte kurz vorher ſchon uͤber die Sache geredet; er nahm die Feder und tauchte ein. Aber die Buchſtaben tanzten vor ſeinen Augen wie ſchwaͤrmende Muͤcken, und mit Schrecken gewahrte er, daß er ſtatt ſeines Namens

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/171>, abgerufen am 18.12.2024.