Freiherr sagte ja. An einem Herbsttage, es war am 23sten October, erschien die ersehnte Stunde, wo ich zu Antonie ging, um mich an Mariens Trost und Liebe zu erholen, denn Maibergs Nachrichten hatten mich traurig gemacht, aber mein Glück sollte gebrochen werden. Ich fand meine Marie bereits im Garten; wir gingen Arm in Arm durch die lauschigen Gänge, und ich theilte ihr meine Aussicht mit, vielleicht in ein Regiment eintreten zu können, das in dieser Zeit organisirt wurde. Sie sprach ihre Zufriedenheit darüber aus, und war eben im Begriff nach meiner Rechtsangelegenheit zu fragen, als Antonie ganz erschrocken und bleich heraneilte, und uns zuwinkte; ich wollte fragen, was ihr zugestoßen sei, da vertrat mir plötzlich der alte Freiherr v. Struen, Mariens Vater, mit höhnischer und halb zorniger Miene den Weg. Ich faßte mich schnell, und wollte reden, allein er wendete mir den Rücken, und sagte zu der beinahe ohnmächtigen Marie, indem er sie ungestüm bei der Hand ergriff: "Ungera¬ thenes, entartetes Kind, muß ich Dich hier in solch sauberer Gesellschaft, in den Armen eines ehrvergessenen Verführers aufsuchen?!" "Herr!" begann ich im höchsten Grade beleidigt, "nur der Zorn giebt Ihnen dies übereilte Wort ein! Wüßten Sie, wie treu ich Marien liebe, wie --"
Freiherr ſagte ja. An einem Herbſttage, es war am 23ſten October, erſchien die erſehnte Stunde, wo ich zu Antonie ging, um mich an Mariens Troſt und Liebe zu erholen, denn Maibergs Nachrichten hatten mich traurig gemacht, aber mein Gluͤck ſollte gebrochen werden. Ich fand meine Marie bereits im Garten; wir gingen Arm in Arm durch die lauſchigen Gaͤnge, und ich theilte ihr meine Ausſicht mit, vielleicht in ein Regiment eintreten zu koͤnnen, das in dieſer Zeit organiſirt wurde. Sie ſprach ihre Zufriedenheit daruͤber aus, und war eben im Begriff nach meiner Rechtsangelegenheit zu fragen, als Antonie ganz erſchrocken und bleich heraneilte, und uns zuwinkte; ich wollte fragen, was ihr zugeſtoßen ſei, da vertrat mir ploͤtzlich der alte Freiherr v. Struen, Mariens Vater, mit hoͤhniſcher und halb zorniger Miene den Weg. Ich faßte mich ſchnell, und wollte reden, allein er wendete mir den Ruͤcken, und ſagte zu der beinahe ohnmaͤchtigen Marie, indem er ſie ungeſtuͤm bei der Hand ergriff: „Ungera¬ thenes, entartetes Kind, muß ich Dich hier in ſolch ſauberer Geſellſchaft, in den Armen eines ehrvergeſſenen Verfuͤhrers aufſuchen?!“ „Herr!“ begann ich im hoͤchſten Grade beleidigt, „nur der Zorn giebt Ihnen dies uͤbereilte Wort ein! Wuͤßten Sie, wie treu ich Marien liebe, wie —“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0156"n="150"/>
Freiherr ſagte ja. An einem Herbſttage, es war<lb/>
am 23ſten October, erſchien die erſehnte Stunde,<lb/>
wo ich zu Antonie ging, um mich an Mariens<lb/>
Troſt und Liebe zu erholen, denn Maibergs<lb/>
Nachrichten hatten mich traurig gemacht, aber<lb/>
mein Gluͤck ſollte gebrochen werden. Ich fand meine<lb/>
Marie bereits im Garten; wir gingen Arm in<lb/>
Arm durch die lauſchigen Gaͤnge, und ich theilte<lb/>
ihr meine Ausſicht mit, vielleicht in ein Regiment<lb/>
eintreten zu koͤnnen, das in dieſer Zeit organiſirt<lb/>
wurde. Sie ſprach ihre Zufriedenheit daruͤber<lb/>
aus, und war eben im Begriff nach meiner<lb/>
Rechtsangelegenheit zu fragen, als Antonie ganz<lb/>
erſchrocken und bleich heraneilte, und uns zuwinkte;<lb/>
ich wollte fragen, was ihr zugeſtoßen ſei, da<lb/>
vertrat mir ploͤtzlich der alte Freiherr v. Struen,<lb/>
Mariens Vater, mit hoͤhniſcher und halb zorniger<lb/>
Miene den Weg. Ich faßte mich ſchnell, und<lb/>
wollte reden, allein er wendete mir den Ruͤcken, und<lb/>ſagte zu der beinahe ohnmaͤchtigen Marie, indem<lb/>
er ſie ungeſtuͤm bei der Hand ergriff: „Ungera¬<lb/>
thenes, entartetes Kind, muß ich Dich hier in<lb/>ſolch ſauberer Geſellſchaft, in den Armen eines<lb/>
ehrvergeſſenen Verfuͤhrers aufſuchen?!“„Herr!“<lb/>
begann ich im hoͤchſten Grade beleidigt, „nur<lb/>
der Zorn giebt Ihnen dies uͤbereilte Wort ein!<lb/>
Wuͤßten Sie, wie treu ich Marien liebe, wie —“<lb/></p></div></body></text></TEI>
[150/0156]
Freiherr ſagte ja. An einem Herbſttage, es war
am 23ſten October, erſchien die erſehnte Stunde,
wo ich zu Antonie ging, um mich an Mariens
Troſt und Liebe zu erholen, denn Maibergs
Nachrichten hatten mich traurig gemacht, aber
mein Gluͤck ſollte gebrochen werden. Ich fand meine
Marie bereits im Garten; wir gingen Arm in
Arm durch die lauſchigen Gaͤnge, und ich theilte
ihr meine Ausſicht mit, vielleicht in ein Regiment
eintreten zu koͤnnen, das in dieſer Zeit organiſirt
wurde. Sie ſprach ihre Zufriedenheit daruͤber
aus, und war eben im Begriff nach meiner
Rechtsangelegenheit zu fragen, als Antonie ganz
erſchrocken und bleich heraneilte, und uns zuwinkte;
ich wollte fragen, was ihr zugeſtoßen ſei, da
vertrat mir ploͤtzlich der alte Freiherr v. Struen,
Mariens Vater, mit hoͤhniſcher und halb zorniger
Miene den Weg. Ich faßte mich ſchnell, und
wollte reden, allein er wendete mir den Ruͤcken, und
ſagte zu der beinahe ohnmaͤchtigen Marie, indem
er ſie ungeſtuͤm bei der Hand ergriff: „Ungera¬
thenes, entartetes Kind, muß ich Dich hier in
ſolch ſauberer Geſellſchaft, in den Armen eines
ehrvergeſſenen Verfuͤhrers aufſuchen?!“ „Herr!“
begann ich im hoͤchſten Grade beleidigt, „nur
der Zorn giebt Ihnen dies uͤbereilte Wort ein!
Wuͤßten Sie, wie treu ich Marien liebe, wie —“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/156>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.