Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

Angst aufbürdete, die mir sonst unbekannt war.
Aber ich sollte ja vor ihr spielen, sie hatte schon
einigemal, wie wohl gleichgültig, wie es schien,
nach mir hin geblickt, als wollte sie sagen: Wenn
Du nur nicht umwirfst! --

Aber es ging Alles glücklich von Statten,
ein lautes Beifallklatschen ermuthigte den Hof¬
organisten und meine arme Person zu einer Ca¬
price für die Geige, welche des Organisten wohl¬
tönendes Cello recht capriciös begleitete. Ich
hatte es deutlich bemerkt, während mein Mitspie¬
ler das nach der Einleitung von mir piano into¬
nirte Thema kräftig wiederholte, wie das schöne,
interessante Mädchen einigemal mit ihrer Nachbarin
leise flüsterte, und dann jedesmal nach mir hinsah,
als sei ich der Gegenstand ihres Gesprächs. Im
Adagio suchte ich all mein sehnsüchtiges Verlangen
auszudrücken, das mit so schneller Gewalt mein
Herz erfüllte; noch nie hatte mein Instrument
so rein, so volltönig angesprochen, und nach Been¬
digung des Stücks war ich noch so in die treff¬
liche Composition versunken, daß ich nur halb
die Lobpreisungen vernahm, die sich ergossen.
Auch sie hatte in ihre zarten, weißen Hände ge¬
klatscht, und wie hätte ich, wenn sie belohnte, auf
den Beifall anderer hören können, welche in's

Angſt aufbuͤrdete, die mir ſonſt unbekannt war.
Aber ich ſollte ja vor ihr ſpielen, ſie hatte ſchon
einigemal, wie wohl gleichguͤltig, wie es ſchien,
nach mir hin geblickt, als wollte ſie ſagen: Wenn
Du nur nicht umwirfſt! —

Aber es ging Alles gluͤcklich von Statten,
ein lautes Beifallklatſchen ermuthigte den Hof¬
organiſten und meine arme Perſon zu einer Ca¬
price fuͤr die Geige, welche des Organiſten wohl¬
toͤnendes Cello recht capricioͤs begleitete. Ich
hatte es deutlich bemerkt, waͤhrend mein Mitſpie¬
ler das nach der Einleitung von mir piano into¬
nirte Thema kraͤftig wiederholte, wie das ſchoͤne,
intereſſante Maͤdchen einigemal mit ihrer Nachbarin
leiſe fluͤſterte, und dann jedesmal nach mir hinſah,
als ſei ich der Gegenſtand ihres Geſpraͤchs. Im
Adagio ſuchte ich all mein ſehnſuͤchtiges Verlangen
auszudruͤcken, das mit ſo ſchneller Gewalt mein
Herz erfuͤllte; noch nie hatte mein Inſtrument
ſo rein, ſo volltoͤnig angeſprochen, und nach Been¬
digung des Stuͤcks war ich noch ſo in die treff¬
liche Compoſition verſunken, daß ich nur halb
die Lobpreiſungen vernahm, die ſich ergoſſen.
Auch ſie hatte in ihre zarten, weißen Haͤnde ge¬
klatſcht, und wie haͤtte ich, wenn ſie belohnte, auf
den Beifall anderer hoͤren koͤnnen, welche in's

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0132" n="126"/>
Ang&#x017F;t aufbu&#x0364;rdete, die mir &#x017F;on&#x017F;t unbekannt war.<lb/>
Aber ich &#x017F;ollte ja vor ihr &#x017F;pielen, &#x017F;ie hatte &#x017F;chon<lb/>
einigemal, wie wohl gleichgu&#x0364;ltig, wie es &#x017F;chien,<lb/>
nach mir hin geblickt, als wollte &#x017F;ie &#x017F;agen: Wenn<lb/>
Du nur nicht umwirf&#x017F;t! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Aber es ging Alles glu&#x0364;cklich von Statten,<lb/>
ein lautes Beifallklat&#x017F;chen ermuthigte den Hof¬<lb/>
organi&#x017F;ten und meine arme Per&#x017F;on zu einer Ca¬<lb/>
price fu&#x0364;r die Geige, welche des Organi&#x017F;ten wohl¬<lb/>
to&#x0364;nendes Cello recht capricio&#x0364;s begleitete. Ich<lb/>
hatte es deutlich bemerkt, wa&#x0364;hrend mein Mit&#x017F;pie¬<lb/>
ler das nach der Einleitung von mir piano into¬<lb/>
nirte Thema kra&#x0364;ftig wiederholte, wie das &#x017F;cho&#x0364;ne,<lb/>
intere&#x017F;&#x017F;ante Ma&#x0364;dchen einigemal mit ihrer Nachbarin<lb/>
lei&#x017F;e flu&#x0364;&#x017F;terte, und dann jedesmal nach mir hin&#x017F;ah,<lb/>
als &#x017F;ei ich der Gegen&#x017F;tand ihres Ge&#x017F;pra&#x0364;chs. Im<lb/>
Adagio &#x017F;uchte ich all mein &#x017F;ehn&#x017F;u&#x0364;chtiges Verlangen<lb/>
auszudru&#x0364;cken, das mit &#x017F;o &#x017F;chneller Gewalt mein<lb/>
Herz erfu&#x0364;llte; noch nie hatte mein In&#x017F;trument<lb/>
&#x017F;o rein, &#x017F;o vollto&#x0364;nig ange&#x017F;prochen, und nach Been¬<lb/>
digung des Stu&#x0364;cks war ich noch &#x017F;o in die treff¬<lb/>
liche Compo&#x017F;ition ver&#x017F;unken, daß ich nur halb<lb/>
die Lobprei&#x017F;ungen vernahm, die &#x017F;ich ergo&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Auch &#x017F;ie hatte in ihre zarten, weißen Ha&#x0364;nde ge¬<lb/>
klat&#x017F;cht, und wie ha&#x0364;tte ich, wenn &#x017F;ie belohnte, auf<lb/>
den Beifall anderer ho&#x0364;ren ko&#x0364;nnen, welche in's<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0132] Angſt aufbuͤrdete, die mir ſonſt unbekannt war. Aber ich ſollte ja vor ihr ſpielen, ſie hatte ſchon einigemal, wie wohl gleichguͤltig, wie es ſchien, nach mir hin geblickt, als wollte ſie ſagen: Wenn Du nur nicht umwirfſt! — Aber es ging Alles gluͤcklich von Statten, ein lautes Beifallklatſchen ermuthigte den Hof¬ organiſten und meine arme Perſon zu einer Ca¬ price fuͤr die Geige, welche des Organiſten wohl¬ toͤnendes Cello recht capricioͤs begleitete. Ich hatte es deutlich bemerkt, waͤhrend mein Mitſpie¬ ler das nach der Einleitung von mir piano into¬ nirte Thema kraͤftig wiederholte, wie das ſchoͤne, intereſſante Maͤdchen einigemal mit ihrer Nachbarin leiſe fluͤſterte, und dann jedesmal nach mir hinſah, als ſei ich der Gegenſtand ihres Geſpraͤchs. Im Adagio ſuchte ich all mein ſehnſuͤchtiges Verlangen auszudruͤcken, das mit ſo ſchneller Gewalt mein Herz erfuͤllte; noch nie hatte mein Inſtrument ſo rein, ſo volltoͤnig angeſprochen, und nach Been¬ digung des Stuͤcks war ich noch ſo in die treff¬ liche Compoſition verſunken, daß ich nur halb die Lobpreiſungen vernahm, die ſich ergoſſen. Auch ſie hatte in ihre zarten, weißen Haͤnde ge¬ klatſcht, und wie haͤtte ich, wenn ſie belohnte, auf den Beifall anderer hoͤren koͤnnen, welche in's

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/132
Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/132>, abgerufen am 05.12.2024.