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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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Heinrich vorhin niedergelassen hatte. Der letztere
ging ärgerlich neben ihm her, und meinte bei sich,
er sei jetzt so klug, wie vor einer Stunde. Der
Henker konnte aus der Geschichte klug werden!
Er glaubte den Staunitz nun entweder gegen
Tina kalt gesinnt, oder höchst eifersüchtig zu
finden, aber wahrhaftig, keins von beiden! Es
blieb jetzt nichts mehr übrig zu vermuthen, als
daß Staunitz ein Heuchler, oder selbst der Betro¬
gene sei. Das erstere war leider das Glaubhaf¬
teste, denn was machte der Mensch bei dem
Forstinspector Kluge, was ging ihn das Frauen¬
zimmer an, mit dem er Arm in Arm im Fenster
stand? Die Sache mußte klar werden, es mogte
auch kosten, was es wolle! -- --

Staunitz ließ sich nach seiner Zurückkunft in
Blumenau sogleich bei Tina melden, was den
Oncle Heinrich vollends aus dem Concepte brachte.
Er ging daher auf sein Zimmer, klingelte den
alten Martin herbei, und fragte, ob er wohl
heute noch zum Forstinspector Kluge gehn könne.
"Es wohnt da," fuhr er fort, und faßte den
Alten zutraulich beim Arme, "es wohnt da seit
einiger Zeit eine fremde Dame. Es liegt mir
Alles daran, zu wissen, wer die ist, und zwar
bald, bald zu wissen. Such Dir irgend einen

Heinrich vorhin niedergelaſſen hatte. Der letztere
ging aͤrgerlich neben ihm her, und meinte bei ſich,
er ſei jetzt ſo klug, wie vor einer Stunde. Der
Henker konnte aus der Geſchichte klug werden!
Er glaubte den Staunitz nun entweder gegen
Tina kalt geſinnt, oder hoͤchſt eiferſuͤchtig zu
finden, aber wahrhaftig, keins von beiden! Es
blieb jetzt nichts mehr uͤbrig zu vermuthen, als
daß Staunitz ein Heuchler, oder ſelbſt der Betro¬
gene ſei. Das erſtere war leider das Glaubhaf¬
teſte, denn was machte der Menſch bei dem
Forſtinſpector Kluge, was ging ihn das Frauen¬
zimmer an, mit dem er Arm in Arm im Fenſter
ſtand? Die Sache mußte klar werden, es mogte
auch koſten, was es wolle! — —

Staunitz ließ ſich nach ſeiner Zuruͤckkunft in
Blumenau ſogleich bei Tina melden, was den
Oncle Heinrich vollends aus dem Concepte brachte.
Er ging daher auf ſein Zimmer, klingelte den
alten Martin herbei, und fragte, ob er wohl
heute noch zum Forſtinſpector Kluge gehn koͤnne.
„Es wohnt da,“ fuhr er fort, und faßte den
Alten zutraulich beim Arme, „es wohnt da ſeit
einiger Zeit eine fremde Dame. Es liegt mir
Alles daran, zu wiſſen, wer die iſt, und zwar
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[103/0109] Heinrich vorhin niedergelaſſen hatte. Der letztere ging aͤrgerlich neben ihm her, und meinte bei ſich, er ſei jetzt ſo klug, wie vor einer Stunde. Der Henker konnte aus der Geſchichte klug werden! Er glaubte den Staunitz nun entweder gegen Tina kalt geſinnt, oder hoͤchſt eiferſuͤchtig zu finden, aber wahrhaftig, keins von beiden! Es blieb jetzt nichts mehr uͤbrig zu vermuthen, als daß Staunitz ein Heuchler, oder ſelbſt der Betro¬ gene ſei. Das erſtere war leider das Glaubhaf¬ teſte, denn was machte der Menſch bei dem Forſtinſpector Kluge, was ging ihn das Frauen¬ zimmer an, mit dem er Arm in Arm im Fenſter ſtand? Die Sache mußte klar werden, es mogte auch koſten, was es wolle! — — Staunitz ließ ſich nach ſeiner Zuruͤckkunft in Blumenau ſogleich bei Tina melden, was den Oncle Heinrich vollends aus dem Concepte brachte. Er ging daher auf ſein Zimmer, klingelte den alten Martin herbei, und fragte, ob er wohl heute noch zum Forſtinſpector Kluge gehn koͤnne. „Es wohnt da,“ fuhr er fort, und faßte den Alten zutraulich beim Arme, „es wohnt da ſeit einiger Zeit eine fremde Dame. Es liegt mir Alles daran, zu wiſſen, wer die iſt, und zwar bald, bald zu wiſſen. Such Dir irgend einen

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/109>, abgerufen am 18.05.2024.