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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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und einem Blasinstrumente weiter keine Analogie, als daß beyde röhrenförmig sind. Die Mey-
nung, daß gewisse Töne nur auf gewisse Nervenfasern, oder auf gewisse Theile des Labyrinths
würken, die zu dieser Absicht besonders geformt seyn, möchte wohl eben so wenig der Natur gemäß
seyn, als wenn man etwa behaupten wollte, daß jede Farbe nur auf gewisse Fasern des Sehner-
ven, oder jede Art des Geruchs oder Geschmacks auf eine besonders dazu geformte Abtheilung des
zu dieser Empfindung bestimmten Nerven würkte, so daß z. B. in den Geschmackswerkzeugen
besondere Einrichtungen und Nervenabtheilungen für Weine und andere geistige Getränke, andere
für Salze, andere für Gewürze u. s. w. bestimmt wären. Diese Meynung hat etwas ähnliches
mit der von Maupertuis, daß an einem Resonanzboden bey jedem Tone nur gewisse Fasern dessel-
ben zittern, und mit der von Mairan, daß durch jeden Ton nur gewisse Lufttheile, die eine
diesem gemäße Elasticität haben, erschüttert werden. Jn allen diesen Fällen würkt vielmehr jeder
Eindruck auf das Ganze, welches jedoch auf unendlich verschiedene Arten geschehen kann.
242.

Unter die vorzüglichsten Schriftsteller über die menschlichen Gehörwerkzeuge
gehören folgende:

Cassebohm de aure humana, Hal. 1735.
Valsalva de aute humana, Lugd. Bat. 1735.
Duvernei de organo auditus, Lugd. Bat 1730, welches schon früher zu Nürnberg
1684. herausgekommen, und aus dem zu Paris 1683. erschienenen französischen Origi-
nale übersetzt ist.

Diese und so manche andere ältere Schriften, so treffliche Beobachtungen sie auch
über manche Theile des Ohres enthalten, sind jedoch einem, der noch nicht mit den neuesten
[nt]deckungen bekannt ist, nicht zum Nachlesen zu empfehlen, weil man sonst unrichtige Be-
grisse von der Beschaffenheit und Bestimmung mancher damahls nicht so genau, wie in späterer
Zeit, untersuchten Theile erhalten möchte.

Anton. Scarpa hat in seinen (zu Pavia 1789. in Fol. herausgekommenen) Anatom-
disquisit. de auditu et olfactu
zuerst die wahre Beschaffenheit des Labyeinthes und der
darinnen enthaltenen Theile mit vieler Genauigkeit bekannt gemacht. Von diesem treff-
lichen Werke, welches außerdem auch viele Beobachtungen über das Gehör verschie-
dener Thierarten enthält, ist eine deutsche Uebersetzung zu Nürnberg in der Raspeschen
Buchhandlung 1800. 4. erschienen.
Andr. Comparetti in Observ. anatom. de aure interna comparata, Patav. 1789.
(eigentlich 1791.), 4. trägt außer den sehr genauen Beobachtungen über die Gehör-
O o
und einem Blasinſtrumente weiter keine Analogie, als daß beyde roͤhrenfoͤrmig ſind. Die Mey-
nung, daß gewiſſe Toͤne nur auf gewiſſe Nervenfaſern, oder auf gewiſſe Theile des Labyrinths
wuͤrken, die zu dieſer Abſicht beſonders geformt ſeyn, moͤchte wohl eben ſo wenig der Natur gemaͤß
ſeyn, als wenn man etwa behaupten wollte, daß jede Farbe nur auf gewiſſe Faſern des Sehner-
ven, oder jede Art des Geruchs oder Geſchmacks auf eine beſonders dazu geformte Abtheilung des
zu dieſer Empfindung beſtimmten Nerven wuͤrkte, ſo daß z. B. in den Geſchmackswerkzeugen
beſondere Einrichtungen und Nervenabtheilungen fuͤr Weine und andere geiſtige Getraͤnke, andere
fuͤr Salze, andere fuͤr Gewuͤrze u. ſ. w. beſtimmt waͤren. Dieſe Meynung hat etwas aͤhnliches
mit der von Maupertuis, daß an einem Reſonanzboden bey jedem Tone nur gewiſſe Faſern deſſel-
ben zittern, und mit der von Mairan, daß durch jeden Ton nur gewiſſe Lufttheile, die eine
dieſem gemaͤße Elaſticitaͤt haben, erſchuͤttert werden. Jn allen dieſen Faͤllen wuͤrkt vielmehr jeder
Eindruck auf das Ganze, welches jedoch auf unendlich verſchiedene Arten geſchehen kann.
242.

Unter die vorzuͤglichſten Schriftſteller uͤber die menſchlichen Gehoͤrwerkzeuge
gehoͤren folgende:

Cassebohm de aure humana, Hal. 1735.
Valsalva de aute humana, Lugd. Bat. 1735.
Duvernei de organo auditus, Lugd. Bat 1730, welches ſchon fruͤher zu Nuͤrnberg
1684. herausgekommen, und aus dem zu Paris 1683. erſchienenen franzoͤſiſchen Origi-
nale uͤberſetzt iſt.

Dieſe und ſo manche andere aͤltere Schriften, ſo treffliche Beobachtungen ſie auch
uͤber manche Theile des Ohres enthalten, ſind jedoch einem, der noch nicht mit den neueſten
[nt]deckungen bekannt iſt, nicht zum Nachleſen zu empfehlen, weil man ſonſt unrichtige Be-
griſſe von der Beſchaffenheit und Beſtimmung mancher damahls nicht ſo genau, wie in ſpaͤterer
Zeit, unterſuchten Theile erhalten moͤchte.

Anton. Scarpa hat in ſeinen (zu Pavia 1789. in Fol. herausgekommenen) Anatom-
disquisit. de auditu et olfactu
zuerſt die wahre Beſchaffenheit des Labyeinthes und der
darinnen enthaltenen Theile mit vieler Genauigkeit bekannt gemacht. Von dieſem treff-
lichen Werke, welches außerdem auch viele Beobachtungen uͤber das Gehoͤr verſchie-
dener Thierarten enthaͤlt, iſt eine deutſche Ueberſetzung zu Nuͤrnberg in der Raſpeſchen
Buchhandlung 1800. 4. erſchienen.
Andr. Comparetti in Observ. anatom. de aure interna comparata, Patav. 1789.
(eigentlich 1791.), 4. traͤgt außer den ſehr genauen Beobachtungen uͤber die Gehoͤr-
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[289/0323] und einem Blasinſtrumente weiter keine Analogie, als daß beyde roͤhrenfoͤrmig ſind. Die Mey- nung, daß gewiſſe Toͤne nur auf gewiſſe Nervenfaſern, oder auf gewiſſe Theile des Labyrinths wuͤrken, die zu dieſer Abſicht beſonders geformt ſeyn, moͤchte wohl eben ſo wenig der Natur gemaͤß ſeyn, als wenn man etwa behaupten wollte, daß jede Farbe nur auf gewiſſe Faſern des Sehner- ven, oder jede Art des Geruchs oder Geſchmacks auf eine beſonders dazu geformte Abtheilung des zu dieſer Empfindung beſtimmten Nerven wuͤrkte, ſo daß z. B. in den Geſchmackswerkzeugen beſondere Einrichtungen und Nervenabtheilungen fuͤr Weine und andere geiſtige Getraͤnke, andere fuͤr Salze, andere fuͤr Gewuͤrze u. ſ. w. beſtimmt waͤren. Dieſe Meynung hat etwas aͤhnliches mit der von Maupertuis, daß an einem Reſonanzboden bey jedem Tone nur gewiſſe Faſern deſſel- ben zittern, und mit der von Mairan, daß durch jeden Ton nur gewiſſe Lufttheile, die eine dieſem gemaͤße Elaſticitaͤt haben, erſchuͤttert werden. Jn allen dieſen Faͤllen wuͤrkt vielmehr jeder Eindruck auf das Ganze, welches jedoch auf unendlich verſchiedene Arten geſchehen kann. 242. Unter die vorzuͤglichſten Schriftſteller uͤber die menſchlichen Gehoͤrwerkzeuge gehoͤren folgende: Cassebohm de aure humana, Hal. 1735. Valsalva de aute humana, Lugd. Bat. 1735. Duvernei de organo auditus, Lugd. Bat 1730, welches ſchon fruͤher zu Nuͤrnberg 1684. herausgekommen, und aus dem zu Paris 1683. erſchienenen franzoͤſiſchen Origi- nale uͤberſetzt iſt. Dieſe und ſo manche andere aͤltere Schriften, ſo treffliche Beobachtungen ſie auch uͤber manche Theile des Ohres enthalten, ſind jedoch einem, der noch nicht mit den neueſten ntdeckungen bekannt iſt, nicht zum Nachleſen zu empfehlen, weil man ſonſt unrichtige Be- griſſe von der Beſchaffenheit und Beſtimmung mancher damahls nicht ſo genau, wie in ſpaͤterer Zeit, unterſuchten Theile erhalten moͤchte. Anton. Scarpa hat in ſeinen (zu Pavia 1789. in Fol. herausgekommenen) Anatom- disquisit. de auditu et olfactu zuerſt die wahre Beſchaffenheit des Labyeinthes und der darinnen enthaltenen Theile mit vieler Genauigkeit bekannt gemacht. Von dieſem treff- lichen Werke, welches außerdem auch viele Beobachtungen uͤber das Gehoͤr verſchie- dener Thierarten enthaͤlt, iſt eine deutſche Ueberſetzung zu Nuͤrnberg in der Raſpeſchen Buchhandlung 1800. 4. erſchienen. Andr. Comparetti in Observ. anatom. de aure interna comparata, Patav. 1789. (eigentlich 1791.), 4. traͤgt außer den ſehr genauen Beobachtungen uͤber die Gehoͤr- O o

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/323>, abgerufen am 12.06.2024.