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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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Masse (nach Euler de statu aequilibrii fluidorum, in Comment. Acad. scient. Petrop.
Tom. XIII,
und d'Alembert in seinem traite de l'Equilibre et du mouvement des fluides,
Paris
1744.) so verbreitet, daß alle Theilchen derselben mit gleicher Kraft gedrückt werden.
Allem Ansehen nach werden die bey dem Schalle auf den ganzen Jnhalt des Labyrinthes wür-
kenden Erschütterungen auch von allen darin befindlichen Verbreitungen des Gehörnerven em-
pfunden, so daß gar kein Grund vorhanden ist, um etwa anzunehmen, daß gewisse Fasern
oder Theilchen dieser Nerven zur Empfindung gewisser Arten des Schalles bestimmt wären.
Die Eindrücke, welche die Verbreitungen des Gehörnerven erhalten, und also auch die
Empfindungen des Schalles können aber so sehr verschieden seyn, als die Bewegungen selbst
es sind, und wahrscheinlich sind eben deshalb, damit die möglichste Mannigfaltigkeit von
Bewegungen und Eindrücken Statt finde, die Gehörnerven auf so mannigfaltige An im Laby-
rinthe verbreitet, und die übrigen Gehörwerkzeuge auf so sonderbare Art geformt. So wie nun
auch (nach dem neunten und zehnten Abschnitte des zweyten Theiles) ein jeder Körper mehrere,
oder auch unendlich viele Arten der Bewegungen zugleich annehmen kann, ohne daß eine die
andere hindert, so können auch dem Labyrinthe sehr vielerley Arten der Erschütterung, z. B.
viele zugleich angegebene Töne auf mehreren Jnstrumenten, zugleich mitgetheilt und von den
Gehörnerven zu gleicher Zeit als verschiedene Arten des Schalles empfunden werden, ohne
daß eine Bewegung oder Empfindung die andere hindert oder stört.

Anm. Ein sehr verdienstvoller Anatom hat behauptet, das menschliche Ohr sey so harmonisch ge-
formt, daß die Bogengänge des Labyrinthes gerade in den Verhältnissen der Hauptconsonanzen
2, 3, 5 wären, ferner, die Schnecke möchte wohl mehr für das Gehör der Sattemdne, und die
halbcirkelförmigen Canäle mehr für das Gehör der Töne von Blasinstrumenten bestimmt seyn,
worin ihm auch ein ebenfalls verdienstvoller musikalischer Schriftsteller gefolgt ist. Nun ist aber
der Bau sowohl der Bogengänge, als auch der übrigen Theile des Labyrinthes so sonderbar, daß
die ganze höhere Analysis gegenwärtig nicht hinreichend ist, und auch wohl nie hinreichen wird,
um deren wahre Gestalt durch irgend eine Gleichung auszudrücken, geschweige denn die Eigen-
schaften der darin möglichen Erschütterungen zu bestimmen; wie denn alle Anstrengungen des
menschlichen Verstandes (nach §. 55.) noch nicht einmahl hinreichend gewesen sind, um die Krüm-
mungen mit völliger Gewißheit zu bestimmen, welche ein so einsacher Körper, wie eine Saite ist,
annehmen kann. Gesetzt also, man hätte an irgend einem Theile des Labyrinthes gewisse Dimen-
sionen gefunden, welche würklich oder beynahe in den Verhältnissen der angegebenen Zahlen stän-
den, so ist dadurch immer noch nichts erwiesen. Da auch die knöchernen Bogengänge so wie der
übrige Labyrinth, nicht etwa, wie man ehemahls glaubte, mit Luft, sondern mit Wasser ange-
füllt sind, und jeder knöcherne Bogengang einen häutigen ebenfalls mit Wasser angefüllten und an
dem dickern Ende mit Nervenmark versehenen Bogengang enthält, so findet sich zwischen diesen

Maſſe (nach Euler de statu aequilibrii fluidorum, in Comment. Acad. scient. Petrop.
Tom. XIII,
und d’Alembert in ſeinem traité de l’Equilibre et du mouvement des fluides,
Paris
1744.) ſo verbreitet, daß alle Theilchen derſelben mit gleicher Kraft gedruͤckt werden.
Allem Anſehen nach werden die bey dem Schalle auf den ganzen Jnhalt des Labyrinthes wuͤr-
kenden Erſchuͤtterungen auch von allen darin befindlichen Verbreitungen des Gehoͤrnerven em-
pfunden, ſo daß gar kein Grund vorhanden iſt, um etwa anzunehmen, daß gewiſſe Faſern
oder Theilchen dieſer Nerven zur Empfindung gewiſſer Arten des Schalles beſtimmt waͤren.
Die Eindruͤcke, welche die Verbreitungen des Gehoͤrnerven erhalten, und alſo auch die
Empfindungen des Schalles koͤnnen aber ſo ſehr verſchieden ſeyn, als die Bewegungen ſelbſt
es ſind, und wahrſcheinlich ſind eben deshalb, damit die moͤglichſte Mannigfaltigkeit von
Bewegungen und Eindruͤcken Statt finde, die Gehoͤrnerven auf ſo mannigfaltige An im Laby-
rinthe verbreitet, und die uͤbrigen Gehoͤrwerkzeuge auf ſo ſonderbare Art geformt. So wie nun
auch (nach dem neunten und zehnten Abſchnitte des zweyten Theiles) ein jeder Koͤrper mehrere,
oder auch unendlich viele Arten der Bewegungen zugleich annehmen kann, ohne daß eine die
andere hindert, ſo koͤnnen auch dem Labyrinthe ſehr vielerley Arten der Erſchuͤtterung, z. B.
viele zugleich angegebene Toͤne auf mehreren Jnſtrumenten, zugleich mitgetheilt und von den
Gehoͤrnerven zu gleicher Zeit als verſchiedene Arten des Schalles empfunden werden, ohne
daß eine Bewegung oder Empfindung die andere hindert oder ſtoͤrt.

Anm. Ein ſehr verdienſtvoller Anatom hat behauptet, das menſchliche Ohr ſey ſo harmoniſch ge-
formt, daß die Bogengaͤnge des Labyrinthes gerade in den Verhaͤltniſſen der Hauptconſonanzen
2, 3, 5 waͤren, ferner, die Schnecke moͤchte wohl mehr fuͤr das Gehoͤr der Sattemdne, und die
halbcirkelfoͤrmigen Canaͤle mehr fuͤr das Gehoͤr der Toͤne von Blasinſtrumenten beſtimmt ſeyn,
worin ihm auch ein ebenfalls verdienſtvoller muſikaliſcher Schriftſteller gefolgt iſt. Nun iſt aber
der Bau ſowohl der Bogengaͤnge, als auch der uͤbrigen Theile des Labyrinthes ſo ſonderbar, daß
die ganze hoͤhere Analyſis gegenwaͤrtig nicht hinreichend iſt, und auch wohl nie hinreichen wird,
um deren wahre Geſtalt durch irgend eine Gleichung auszudruͤcken, geſchweige denn die Eigen-
ſchaften der darin moͤglichen Erſchuͤtterungen zu beſtimmen; wie denn alle Anſtrengungen des
menſchlichen Verſtandes (nach §. 55.) noch nicht einmahl hinreichend geweſen ſind, um die Kruͤm-
mungen mit voͤlliger Gewißheit zu beſtimmen, welche ein ſo einſacher Koͤrper, wie eine Saite iſt,
annehmen kann. Geſetzt alſo, man haͤtte an irgend einem Theile des Labyrinthes gewiſſe Dimen-
ſionen gefunden, welche wuͤrklich oder beynahe in den Verhaͤltniſſen der angegebenen Zahlen ſtaͤn-
den, ſo iſt dadurch immer noch nichts erwieſen. Da auch die knoͤchernen Bogengaͤnge ſo wie der
uͤbrige Labyrinth, nicht etwa, wie man ehemahls glaubte, mit Luft, ſondern mit Waſſer ange-
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[288/0322] Maſſe (nach Euler de statu aequilibrii fluidorum, in Comment. Acad. scient. Petrop. Tom. XIII, und d’Alembert in ſeinem traité de l’Equilibre et du mouvement des fluides, Paris 1744.) ſo verbreitet, daß alle Theilchen derſelben mit gleicher Kraft gedruͤckt werden. Allem Anſehen nach werden die bey dem Schalle auf den ganzen Jnhalt des Labyrinthes wuͤr- kenden Erſchuͤtterungen auch von allen darin befindlichen Verbreitungen des Gehoͤrnerven em- pfunden, ſo daß gar kein Grund vorhanden iſt, um etwa anzunehmen, daß gewiſſe Faſern oder Theilchen dieſer Nerven zur Empfindung gewiſſer Arten des Schalles beſtimmt waͤren. Die Eindruͤcke, welche die Verbreitungen des Gehoͤrnerven erhalten, und alſo auch die Empfindungen des Schalles koͤnnen aber ſo ſehr verſchieden ſeyn, als die Bewegungen ſelbſt es ſind, und wahrſcheinlich ſind eben deshalb, damit die moͤglichſte Mannigfaltigkeit von Bewegungen und Eindruͤcken Statt finde, die Gehoͤrnerven auf ſo mannigfaltige An im Laby- rinthe verbreitet, und die uͤbrigen Gehoͤrwerkzeuge auf ſo ſonderbare Art geformt. So wie nun auch (nach dem neunten und zehnten Abſchnitte des zweyten Theiles) ein jeder Koͤrper mehrere, oder auch unendlich viele Arten der Bewegungen zugleich annehmen kann, ohne daß eine die andere hindert, ſo koͤnnen auch dem Labyrinthe ſehr vielerley Arten der Erſchuͤtterung, z. B. viele zugleich angegebene Toͤne auf mehreren Jnſtrumenten, zugleich mitgetheilt und von den Gehoͤrnerven zu gleicher Zeit als verſchiedene Arten des Schalles empfunden werden, ohne daß eine Bewegung oder Empfindung die andere hindert oder ſtoͤrt. Anm. Ein ſehr verdienſtvoller Anatom hat behauptet, das menſchliche Ohr ſey ſo harmoniſch ge- formt, daß die Bogengaͤnge des Labyrinthes gerade in den Verhaͤltniſſen der Hauptconſonanzen 2, 3, 5 waͤren, ferner, die Schnecke moͤchte wohl mehr fuͤr das Gehoͤr der Sattemdne, und die halbcirkelfoͤrmigen Canaͤle mehr fuͤr das Gehoͤr der Toͤne von Blasinſtrumenten beſtimmt ſeyn, worin ihm auch ein ebenfalls verdienſtvoller muſikaliſcher Schriftſteller gefolgt iſt. Nun iſt aber der Bau ſowohl der Bogengaͤnge, als auch der uͤbrigen Theile des Labyrinthes ſo ſonderbar, daß die ganze hoͤhere Analyſis gegenwaͤrtig nicht hinreichend iſt, und auch wohl nie hinreichen wird, um deren wahre Geſtalt durch irgend eine Gleichung auszudruͤcken, geſchweige denn die Eigen- ſchaften der darin moͤglichen Erſchuͤtterungen zu beſtimmen; wie denn alle Anſtrengungen des menſchlichen Verſtandes (nach §. 55.) noch nicht einmahl hinreichend geweſen ſind, um die Kruͤm- mungen mit voͤlliger Gewißheit zu beſtimmen, welche ein ſo einſacher Koͤrper, wie eine Saite iſt, annehmen kann. Geſetzt alſo, man haͤtte an irgend einem Theile des Labyrinthes gewiſſe Dimen- ſionen gefunden, welche wuͤrklich oder beynahe in den Verhaͤltniſſen der angegebenen Zahlen ſtaͤn- den, ſo iſt dadurch immer noch nichts erwieſen. Da auch die knoͤchernen Bogengaͤnge ſo wie der uͤbrige Labyrinth, nicht etwa, wie man ehemahls glaubte, mit Luft, ſondern mit Waſſer ange- fuͤllt ſind, und jeder knoͤcherne Bogengang einen haͤutigen ebenfalls mit Waſſer angefuͤllten und an dem dickern Ende mit Nervenmark verſehenen Bogengang enthaͤlt, ſo findet ſich zwiſchen dieſen

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/322>, abgerufen am 24.11.2024.