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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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228.

Man bedient sich des Mitklingens fester Körper, um die Würkung eines klingenden
Körpers, welche außerdem zu schwach seyn würde, zu verstärken. Der Klang einer Saite
würde für sich, ohne künstliche Verstärkung kaum gehört werden, wovon man sich durch die
Erfahrung leicht überzeugen kann, wenn eine Saite blos auf eine schmale hölzerne Leiste ge-
spannt und diese an keinen andern festen Körper angestemmt wird; man spannt sie also über
einen Resonanzboden, damit deren Würkung durch das Mitklingen desselben stärker werde.
Eben so, wenn man eine Stimmgabel oder andere Gabel anschlägt, ist der Klang gewöhnlich
so schwach, daß man ihn kaum hört, außer, wenn die Gabel nahe an das Ohr gehalten wird;
stemmt man sie aber auf einen Resonanzboden, so hört man den Klang stärker und deutlicher.
Es ist ein solcher mitklingender Resonanzboden als ein Körper von unbestimmter Ausdehnung
anzusehen, welcher in allen Zeiträumen schwingen kann, wenn er dazu veranlaßt wird. Bey
einem jeden Tone, der durch den Resonanzboden verstärkt wird, schwingt der ganze Resonanz-
boden so, daß er sich in verschiedene durch Knotenlinien von einander abgesonderte Theile theilt,
die abwechselnd diesseits und jenseits der natürlichen Lage sich bewegen, fast so wie es an selbst-
klingenden Flächen im siebenten Abschnitte des vorigen Theiles ist gezeigt worden. Soll ein
Resonanzboden alle Töne, besonders alle tiefen Töne, gehörig verstärken, so wird vorzüglich
erfordert, daß er hinlänglich groß, und nicht allzu dick sey, und auch die gehörige Elasticität
habe, um alle Arten von Schwingungen mit Leichtigkeit anzunehmen. Man wird bey einiger
Aufmerksamkeit doch öfters finden, daß ein Resonanzboden gewisse Töne mehr und leichter
verstärkt, als andere; diese mehrere Verstärkung findet vorzüglich alsdenn Statt, wenn es
solche Töne sind, die der Resonanzboden als selbstklingender Körper bey irgend einer von seinen
eigenthümlichen Schwingungsarten würde geben können. Hierüber sowohl, als über die bey
jedem Tone sich mehr oder weniger bewegenden Stellen eines Resonanzbodens lassen sich Unter-
suchungen am besten anstellen, wenn man sich hierzu mehrerer Stimmgabeln bedient, die in
verschiedene Töne gestimmt sind. Stemmt man nähmlich den Stiel einer durch Anschlagen in
Bewegung gesetzten Stimmgabel auf verschiedene Stellen des Resonanzbodens nach einander,
so wird der Klang weniger verstärkt werden, wenn sie auf eine Stelle gestemmt wird, auf
welche bey diesem Tone eine Knotenlinie fällt, als bey dem Aufstemmen an andern Stellen,
die bey diesem Tone sich zu bewegen geneigt sind, und dieses wird bey Stimmgabeln, die
andere Töne geben, sich auch an andern Stellen des Resonanzbodens zeigen. Mancher Ton

228.

Man bedient ſich des Mitklingens feſter Koͤrper, um die Wuͤrkung eines klingenden
Koͤrpers, welche außerdem zu ſchwach ſeyn wuͤrde, zu verſtaͤrken. Der Klang einer Saite
wuͤrde fuͤr ſich, ohne kuͤnſtliche Verſtaͤrkung kaum gehoͤrt werden, wovon man ſich durch die
Erfahrung leicht uͤberzeugen kann, wenn eine Saite blos auf eine ſchmale hoͤlzerne Leiſte ge-
ſpannt und dieſe an keinen andern feſten Koͤrper angeſtemmt wird; man ſpannt ſie alſo uͤber
einen Reſonanzboden, damit deren Wuͤrkung durch das Mitklingen deſſelben ſtaͤrker werde.
Eben ſo, wenn man eine Stimmgabel oder andere Gabel anſchlaͤgt, iſt der Klang gewoͤhnlich
ſo ſchwach, daß man ihn kaum hoͤrt, außer, wenn die Gabel nahe an das Ohr gehalten wird;
ſtemmt man ſie aber auf einen Reſonanzboden, ſo hoͤrt man den Klang ſtaͤrker und deutlicher.
Es iſt ein ſolcher mitklingender Reſonanzboden als ein Koͤrper von unbeſtimmter Ausdehnung
anzuſehen, welcher in allen Zeitraͤumen ſchwingen kann, wenn er dazu veranlaßt wird. Bey
einem jeden Tone, der durch den Reſonanzboden verſtaͤrkt wird, ſchwingt der ganze Reſonanz-
boden ſo, daß er ſich in verſchiedene durch Knotenlinien von einander abgeſonderte Theile theilt,
die abwechſelnd dieſſeits und jenſeits der natuͤrlichen Lage ſich bewegen, faſt ſo wie es an ſelbſt-
klingenden Flaͤchen im ſiebenten Abſchnitte des vorigen Theiles iſt gezeigt worden. Soll ein
Reſonanzboden alle Toͤne, beſonders alle tiefen Toͤne, gehoͤrig verſtaͤrken, ſo wird vorzuͤglich
erfordert, daß er hinlaͤnglich groß, und nicht allzu dick ſey, und auch die gehoͤrige Elaſticitaͤt
habe, um alle Arten von Schwingungen mit Leichtigkeit anzunehmen. Man wird bey einiger
Aufmerkſamkeit doch oͤfters finden, daß ein Reſonanzboden gewiſſe Toͤne mehr und leichter
verſtaͤrkt, als andere; dieſe mehrere Verſtaͤrkung findet vorzuͤglich alsdenn Statt, wenn es
ſolche Toͤne ſind, die der Reſonanzboden als ſelbſtklingender Koͤrper bey irgend einer von ſeinen
eigenthuͤmlichen Schwingungsarten wuͤrde geben koͤnnen. Hieruͤber ſowohl, als uͤber die bey
jedem Tone ſich mehr oder weniger bewegenden Stellen eines Reſonanzbodens laſſen ſich Unter-
ſuchungen am beſten anſtellen, wenn man ſich hierzu mehrerer Stimmgabeln bedient, die in
verſchiedene Toͤne geſtimmt ſind. Stemmt man naͤhmlich den Stiel einer durch Anſchlagen in
Bewegung geſetzten Stimmgabel auf verſchiedene Stellen des Reſonanzbodens nach einander,
ſo wird der Klang weniger verſtaͤrkt werden, wenn ſie auf eine Stelle geſtemmt wird, auf
welche bey dieſem Tone eine Knotenlinie faͤllt, als bey dem Aufſtemmen an andern Stellen,
die bey dieſem Tone ſich zu bewegen geneigt ſind, und dieſes wird bey Stimmgabeln, die
andere Toͤne geben, ſich auch an andern Stellen des Reſonanzbodens zeigen. Mancher Ton

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[269/0303] 228. Man bedient ſich des Mitklingens feſter Koͤrper, um die Wuͤrkung eines klingenden Koͤrpers, welche außerdem zu ſchwach ſeyn wuͤrde, zu verſtaͤrken. Der Klang einer Saite wuͤrde fuͤr ſich, ohne kuͤnſtliche Verſtaͤrkung kaum gehoͤrt werden, wovon man ſich durch die Erfahrung leicht uͤberzeugen kann, wenn eine Saite blos auf eine ſchmale hoͤlzerne Leiſte ge- ſpannt und dieſe an keinen andern feſten Koͤrper angeſtemmt wird; man ſpannt ſie alſo uͤber einen Reſonanzboden, damit deren Wuͤrkung durch das Mitklingen deſſelben ſtaͤrker werde. Eben ſo, wenn man eine Stimmgabel oder andere Gabel anſchlaͤgt, iſt der Klang gewoͤhnlich ſo ſchwach, daß man ihn kaum hoͤrt, außer, wenn die Gabel nahe an das Ohr gehalten wird; ſtemmt man ſie aber auf einen Reſonanzboden, ſo hoͤrt man den Klang ſtaͤrker und deutlicher. Es iſt ein ſolcher mitklingender Reſonanzboden als ein Koͤrper von unbeſtimmter Ausdehnung anzuſehen, welcher in allen Zeitraͤumen ſchwingen kann, wenn er dazu veranlaßt wird. Bey einem jeden Tone, der durch den Reſonanzboden verſtaͤrkt wird, ſchwingt der ganze Reſonanz- boden ſo, daß er ſich in verſchiedene durch Knotenlinien von einander abgeſonderte Theile theilt, die abwechſelnd dieſſeits und jenſeits der natuͤrlichen Lage ſich bewegen, faſt ſo wie es an ſelbſt- klingenden Flaͤchen im ſiebenten Abſchnitte des vorigen Theiles iſt gezeigt worden. Soll ein Reſonanzboden alle Toͤne, beſonders alle tiefen Toͤne, gehoͤrig verſtaͤrken, ſo wird vorzuͤglich erfordert, daß er hinlaͤnglich groß, und nicht allzu dick ſey, und auch die gehoͤrige Elaſticitaͤt habe, um alle Arten von Schwingungen mit Leichtigkeit anzunehmen. Man wird bey einiger Aufmerkſamkeit doch oͤfters finden, daß ein Reſonanzboden gewiſſe Toͤne mehr und leichter verſtaͤrkt, als andere; dieſe mehrere Verſtaͤrkung findet vorzuͤglich alsdenn Statt, wenn es ſolche Toͤne ſind, die der Reſonanzboden als ſelbſtklingender Koͤrper bey irgend einer von ſeinen eigenthuͤmlichen Schwingungsarten wuͤrde geben koͤnnen. Hieruͤber ſowohl, als uͤber die bey jedem Tone ſich mehr oder weniger bewegenden Stellen eines Reſonanzbodens laſſen ſich Unter- ſuchungen am beſten anſtellen, wenn man ſich hierzu mehrerer Stimmgabeln bedient, die in verſchiedene Toͤne geſtimmt ſind. Stemmt man naͤhmlich den Stiel einer durch Anſchlagen in Bewegung geſetzten Stimmgabel auf verſchiedene Stellen des Reſonanzbodens nach einander, ſo wird der Klang weniger verſtaͤrkt werden, wenn ſie auf eine Stelle geſtemmt wird, auf welche bey dieſem Tone eine Knotenlinie faͤllt, als bey dem Aufſtemmen an andern Stellen, die bey dieſem Tone ſich zu bewegen geneigt ſind, und dieſes wird bey Stimmgabeln, die andere Toͤne geben, ſich auch an andern Stellen des Reſonanzbodens zeigen. Mancher Ton

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/303>, abgerufen am 24.11.2024.