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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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Fläche den Schall weit stärker fortleiten können, als ein unförmlicher Klumpen von derselben
Materie, welcher nicht so leicht in Bewegung gesetzt werden kann.

1. Anm. Bey Gelegenheit des von Herrn von Arnim aufgestellten Gesetzes finde ich noch nöthig zu
bemerken, daß, wie ich schon in der Anmerkung zu §. 95. dem Grafen Giordano Riccati zufolge
erwähnt habe, an homogenen festen Körpern zweyerley Aeußerungen der Cohärenz wohl möch-
ten von einander zu unterscheiden seyn, nähmlich der Widerstand gegen Trennung
(tenacitas), und der Widerstand gegen Gestaltveränderungen (rigiditas). Zur
Bestimmung einiger Begriffe sey es mir erlaubt, hier die undeutschen Worte: Tenacität und
Rigidität zu gebrauchen. Wenn die Rigidität ein Widerstand gegen Ausdehnung und
Zusammendrückung ist, nenne ich sie: Sprödigkeit, wenn sie aber ein Widerstand gegen seit-
wärtsgehende Biegungen ist, nenne ich sie: Steifigkeit; erstere ist die bewegende Kraft bey
den Longitudinalschwingungen, letztere bey den Transversalschwingungen fester Körper. Die Ri-
gidität, sowohl die natürliche, als auch an biegsamen gespannten Körpern die künstliche, wie auch
die Compressibilität ausdehnbar flüssiger Materien begreife ich in diesem Werke, wie auch in andern
akustischen Aufsätzen von mir unter dem (nicht in dem Sinne von Gren und noch einigen andern
Physikern, sondern im gewöhnlichen populären Sinne genommenen) Worte: Elasticität, um
einen gemeinschaftlichen Ausdruck für alles dasjenige zu haben, was bey einem Schalle als bewe-
gende Kraft anzusehen ist. Die Tenacität und Rigidität können an verschiedenartigen homogenen
festen Körpern in sehr verschiedenen Verhältnissen gegen einander stehen; so ist ein harter Körper
einer, der viele Tenacität und Rigidität, ein weicher, einer, der beydes nur in geringem
Grade hat; ein zäher Körper hat viele Tenacität und wenig Rigidität, ein brüchiger Körper
hat wenig Tenacität, kann aber demohngeachtet wie z. B. Glas, oder Glockenmetall, eine be-
trächtliche Rigidität haben. Durch die Rigidität, welche bey dem Klange fester Körper die bewe-
gende Kraft ist, muß unstreitig auch die Stärke, mit welcher der Schall durch solche Körper
fortgeleitet wird, mehr bestimmt werden, als durch die Tenacität. So z. B. wird der Schall
durch einen dünnen Stab von Glas vorzüglich stark fortgeleitet, und doch ist er weit zerbrechlicher
und unstreitig auch leichter zerreißbar, als ein ähnlicher Stab von manchem Metalle, das den
Schall weit schwächer leitet; übrigens ist Glas doch wohl eben so homogen, als Metall. So
leitet auch ein Stab von gebranntem Thone, welcher noch leichter sich zerbrechen oder zerreißen läßt,
und doch auch homogen ist und also mit andern homogenen Materien kann verglichen werden, den
Schall ziemlich stark.
2. Anm. Des Cartes, welcher überhaupt mehrere akustische Gegenstände besser beurtheilt hat,
als manche Naturforscher nach ihm, hat auch schon geäußert, (in epist. P. II. ep. 72.), daß die
Ursache, warum der Schall durch feste Körper stärker, als durch Luft fortgeleitet werde, in deren
mehrerem Zusammenhange liege.

Flaͤche den Schall weit ſtaͤrker fortleiten koͤnnen, als ein unfoͤrmlicher Klumpen von derſelben
Materie, welcher nicht ſo leicht in Bewegung geſetzt werden kann.

1. Anm. Bey Gelegenheit des von Herrn von Arnim aufgeſtellten Geſetzes finde ich noch noͤthig zu
bemerken, daß, wie ich ſchon in der Anmerkung zu §. 95. dem Grafen Giordano Riccati zufolge
erwaͤhnt habe, an homogenen feſten Koͤrpern zweyerley Aeußerungen der Cohaͤrenz wohl moͤch-
ten von einander zu unterſcheiden ſeyn, naͤhmlich der Widerſtand gegen Trennung
(tenacitas), und der Widerſtand gegen Geſtaltveraͤnderungen (rigiditas). Zur
Beſtimmung einiger Begriffe ſey es mir erlaubt, hier die undeutſchen Worte: Tenacitaͤt und
Rigiditaͤt zu gebrauchen. Wenn die Rigiditaͤt ein Widerſtand gegen Ausdehnung und
Zuſammendruͤckung iſt, nenne ich ſie: Sproͤdigkeit, wenn ſie aber ein Widerſtand gegen ſeit-
waͤrtsgehende Biegungen iſt, nenne ich ſie: Steifigkeit; erſtere iſt die bewegende Kraft bey
den Longitudinalſchwingungen, letztere bey den Transverſalſchwingungen feſter Koͤrper. Die Ri-
giditaͤt, ſowohl die natuͤrliche, als auch an biegſamen geſpannten Koͤrpern die kuͤnſtliche, wie auch
die Compreſſibilitaͤt ausdehnbar fluͤſſiger Materien begreife ich in dieſem Werke, wie auch in andern
akuſtiſchen Aufſaͤtzen von mir unter dem (nicht in dem Sinne von Gren und noch einigen andern
Phyſikern, ſondern im gewoͤhnlichen populaͤren Sinne genommenen) Worte: Elaſticitaͤt, um
einen gemeinſchaftlichen Ausdruck fuͤr alles dasjenige zu haben, was bey einem Schalle als bewe-
gende Kraft anzuſehen iſt. Die Tenacitaͤt und Rigiditaͤt koͤnnen an verſchiedenartigen homogenen
feſten Koͤrpern in ſehr verſchiedenen Verhaͤltniſſen gegen einander ſtehen; ſo iſt ein harter Koͤrper
einer, der viele Tenacitaͤt und Rigiditaͤt, ein weicher, einer, der beydes nur in geringem
Grade hat; ein zaͤher Koͤrper hat viele Tenacitaͤt und wenig Rigiditaͤt, ein bruͤchiger Koͤrper
hat wenig Tenacitaͤt, kann aber demohngeachtet wie z. B. Glas, oder Glockenmetall, eine be-
traͤchtliche Rigiditaͤt haben. Durch die Rigiditaͤt, welche bey dem Klange feſter Koͤrper die bewe-
gende Kraft iſt, muß unſtreitig auch die Staͤrke, mit welcher der Schall durch ſolche Koͤrper
fortgeleitet wird, mehr beſtimmt werden, als durch die Tenacitaͤt. So z. B. wird der Schall
durch einen duͤnnen Stab von Glas vorzuͤglich ſtark fortgeleitet, und doch iſt er weit zerbrechlicher
und unſtreitig auch leichter zerreißbar, als ein aͤhnlicher Stab von manchem Metalle, das den
Schall weit ſchwaͤcher leitet; uͤbrigens iſt Glas doch wohl eben ſo homogen, als Metall. So
leitet auch ein Stab von gebranntem Thone, welcher noch leichter ſich zerbrechen oder zerreißen laͤßt,
und doch auch homogen iſt und alſo mit andern homogenen Materien kann verglichen werden, den
Schall ziemlich ſtark.
2. Anm. Des Cartes, welcher uͤberhaupt mehrere akuſtiſche Gegenſtaͤnde beſſer beurtheilt hat,
als manche Naturforſcher nach ihm, hat auch ſchon geaͤußert, (in epist. P. II. ep. 72.), daß die
Urſache, warum der Schall durch feſte Koͤrper ſtaͤrker, als durch Luft fortgeleitet werde, in deren
mehrerem Zuſammenhange liege.
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[268/0302] Flaͤche den Schall weit ſtaͤrker fortleiten koͤnnen, als ein unfoͤrmlicher Klumpen von derſelben Materie, welcher nicht ſo leicht in Bewegung geſetzt werden kann. 1. Anm. Bey Gelegenheit des von Herrn von Arnim aufgeſtellten Geſetzes finde ich noch noͤthig zu bemerken, daß, wie ich ſchon in der Anmerkung zu §. 95. dem Grafen Giordano Riccati zufolge erwaͤhnt habe, an homogenen feſten Koͤrpern zweyerley Aeußerungen der Cohaͤrenz wohl moͤch- ten von einander zu unterſcheiden ſeyn, naͤhmlich der Widerſtand gegen Trennung (tenacitas), und der Widerſtand gegen Geſtaltveraͤnderungen (rigiditas). Zur Beſtimmung einiger Begriffe ſey es mir erlaubt, hier die undeutſchen Worte: Tenacitaͤt und Rigiditaͤt zu gebrauchen. Wenn die Rigiditaͤt ein Widerſtand gegen Ausdehnung und Zuſammendruͤckung iſt, nenne ich ſie: Sproͤdigkeit, wenn ſie aber ein Widerſtand gegen ſeit- waͤrtsgehende Biegungen iſt, nenne ich ſie: Steifigkeit; erſtere iſt die bewegende Kraft bey den Longitudinalſchwingungen, letztere bey den Transverſalſchwingungen feſter Koͤrper. Die Ri- giditaͤt, ſowohl die natuͤrliche, als auch an biegſamen geſpannten Koͤrpern die kuͤnſtliche, wie auch die Compreſſibilitaͤt ausdehnbar fluͤſſiger Materien begreife ich in dieſem Werke, wie auch in andern akuſtiſchen Aufſaͤtzen von mir unter dem (nicht in dem Sinne von Gren und noch einigen andern Phyſikern, ſondern im gewoͤhnlichen populaͤren Sinne genommenen) Worte: Elaſticitaͤt, um einen gemeinſchaftlichen Ausdruck fuͤr alles dasjenige zu haben, was bey einem Schalle als bewe- gende Kraft anzuſehen iſt. Die Tenacitaͤt und Rigiditaͤt koͤnnen an verſchiedenartigen homogenen feſten Koͤrpern in ſehr verſchiedenen Verhaͤltniſſen gegen einander ſtehen; ſo iſt ein harter Koͤrper einer, der viele Tenacitaͤt und Rigiditaͤt, ein weicher, einer, der beydes nur in geringem Grade hat; ein zaͤher Koͤrper hat viele Tenacitaͤt und wenig Rigiditaͤt, ein bruͤchiger Koͤrper hat wenig Tenacitaͤt, kann aber demohngeachtet wie z. B. Glas, oder Glockenmetall, eine be- traͤchtliche Rigiditaͤt haben. Durch die Rigiditaͤt, welche bey dem Klange feſter Koͤrper die bewe- gende Kraft iſt, muß unſtreitig auch die Staͤrke, mit welcher der Schall durch ſolche Koͤrper fortgeleitet wird, mehr beſtimmt werden, als durch die Tenacitaͤt. So z. B. wird der Schall durch einen duͤnnen Stab von Glas vorzuͤglich ſtark fortgeleitet, und doch iſt er weit zerbrechlicher und unſtreitig auch leichter zerreißbar, als ein aͤhnlicher Stab von manchem Metalle, das den Schall weit ſchwaͤcher leitet; uͤbrigens iſt Glas doch wohl eben ſo homogen, als Metall. So leitet auch ein Stab von gebranntem Thone, welcher noch leichter ſich zerbrechen oder zerreißen laͤßt, und doch auch homogen iſt und alſo mit andern homogenen Materien kann verglichen werden, den Schall ziemlich ſtark. 2. Anm. Des Cartes, welcher uͤberhaupt mehrere akuſtiſche Gegenſtaͤnde beſſer beurtheilt hat, als manche Naturforſcher nach ihm, hat auch ſchon geaͤußert, (in epist. P. II. ep. 72.), daß die Urſache, warum der Schall durch feſte Koͤrper ſtaͤrker, als durch Luft fortgeleitet werde, in deren mehrerem Zuſammenhange liege.

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/302>, abgerufen am 24.11.2024.