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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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Bewegung mit Leichtigkeit zuläßt, und er an die obern Zähne oder an andere feste Theile des
Kopfes angestemmt wird, durch welche die Erschütterung leicht bis zum Gehörnerven gelangen
kann. Ein bloßer Faden, er bestehe aus welcher Materie man wolle, ist schon hinlänglich
einen Schall fortzuleiten; wenn z. B. zwey Personen einen starken Faden an den Enden zwi-
schen den Zähnen etwas gespannt halten, so werden sie sich bey verstopften Ohren in einer ziem-
lichen Entfernung unterhalten können; so auch, wenn man das Ende des Fadens zwischen den
Zähnen hält, und an dessen andern Ende einen etwas großen silbernen Löffel aufhängt, und
ihn anschlägt, wird man den sonst sehr schwachen Klang des Löfsels bey verstopften Ohren wie
einen starken Klang einer Glocke hören. Durch einen Stab von jeder beliebigen Länge,
Breite, oder Dicke, er bestehe auch, aus welcher harten Materie man wolle, wie auch durch
eine Verbindung von mehreren unter beliebigen Winkeln zusammengefügten Stäben hört man,
wenn das eine Ende an die Zähne (vorzüglich an die obern) und das andere an einen schallenden
Körper angestemmt wird, den Schall eben so stark, oder wohl noch stärker, als durch die
Luft, besonders wenn der Stab aus einer hierzu vorzüglich tauglichen Materie z. B. Glas oder
Tannenholz besteht. Will man sich mit jemanden bey verstopften Ohren unterhalten, so wird
es fast einerley seyn, ob der Redende den Stab an die Zähne, oder an die Kehle, oder an den
Brustknochen, oder allenfalls an einen obern fest an die Brust gedrückten Knopf des Kleides
stemmt. Noch stärker hört man auf diese Art die Worte eines andern, wenn man das andere
Ende des Stabes an einen Kessel, oder an einen porcelanenen Spühlnapf hält, und der andere
in dieses Gefäß hineinspricht; fast noch besser ist es aber, wenn man das Gefäß selbst an den
Ohrknorpel oder an die Zähne oder dazwischen hält. Man hört auch alle Töne eines musika-
lischen Jnstrumentes, wenn man den Stab an dessen Resonanzboden, oder allenfalls nur an
dessen Seitenwände anstemmt. Es läßt sich hiervon mancherley Gebrauch machen, um
einem Tauben, oder schwer hörenden, bey welchem der Fehler nur in den äußern Gehörwerk-
zeugen liegt, der Gehörnerve aber gut ist, Worte oder Musik hören zu lassen.

Uebrigens wird der Schall durch eine jede Materie etwas anders modificirt.

Anm. Ueber das Hören vermittelst eines an die Zähne gehaltenen Stabes sind viele Bemerkungen
enthalten in Jo. Jorissen diss. in qua explicatur nova methodus, surdos reddendi audien-
tes, Halae
1757, welche auch deutsch unter dem Titel: Büchner's (unter dessen Vorsitz sie von
Jorissen ist vertheidigt worden) Abhandlung von einer besondern und leichten Art, Taube hörend
zu machen, Halle, 1759. 8., wie auch in einem Programme Winkler's de ratione audiendi
per dentes, Lips.
1759. Da eine genauere Kenntniß dieses Gegenstandes vielleicht manchem

Bewegung mit Leichtigkeit zulaͤßt, und er an die obern Zaͤhne oder an andere feſte Theile des
Kopfes angeſtemmt wird, durch welche die Erſchuͤtterung leicht bis zum Gehoͤrnerven gelangen
kann. Ein bloßer Faden, er beſtehe aus welcher Materie man wolle, iſt ſchon hinlaͤnglich
einen Schall fortzuleiten; wenn z. B. zwey Perſonen einen ſtarken Faden an den Enden zwi-
ſchen den Zaͤhnen etwas geſpannt halten, ſo werden ſie ſich bey verſtopften Ohren in einer ziem-
lichen Entfernung unterhalten koͤnnen; ſo auch, wenn man das Ende des Fadens zwiſchen den
Zaͤhnen haͤlt, und an deſſen andern Ende einen etwas großen ſilbernen Loͤffel aufhaͤngt, und
ihn anſchlaͤgt, wird man den ſonſt ſehr ſchwachen Klang des Loͤfſels bey verſtopften Ohren wie
einen ſtarken Klang einer Glocke hoͤren. Durch einen Stab von jeder beliebigen Laͤnge,
Breite, oder Dicke, er beſtehe auch, aus welcher harten Materie man wolle, wie auch durch
eine Verbindung von mehreren unter beliebigen Winkeln zuſammengefuͤgten Staͤben hoͤrt man,
wenn das eine Ende an die Zaͤhne (vorzuͤglich an die obern) und das andere an einen ſchallenden
Koͤrper angeſtemmt wird, den Schall eben ſo ſtark, oder wohl noch ſtaͤrker, als durch die
Luft, beſonders wenn der Stab aus einer hierzu vorzuͤglich tauglichen Materie z. B. Glas oder
Tannenholz beſteht. Will man ſich mit jemanden bey verſtopften Ohren unterhalten, ſo wird
es faſt einerley ſeyn, ob der Redende den Stab an die Zaͤhne, oder an die Kehle, oder an den
Bruſtknochen, oder allenfalls an einen obern feſt an die Bruſt gedruͤckten Knopf des Kleides
ſtemmt. Noch ſtaͤrker hoͤrt man auf dieſe Art die Worte eines andern, wenn man das andere
Ende des Stabes an einen Keſſel, oder an einen porcelanenen Spuͤhlnapf haͤlt, und der andere
in dieſes Gefaͤß hineinſpricht; faſt noch beſſer iſt es aber, wenn man das Gefaͤß ſelbſt an den
Ohrknorpel oder an die Zaͤhne oder dazwiſchen haͤlt. Man hoͤrt auch alle Toͤne eines muſika-
liſchen Jnſtrumentes, wenn man den Stab an deſſen Reſonanzboden, oder allenfalls nur an
deſſen Seitenwaͤnde anſtemmt. Es laͤßt ſich hiervon mancherley Gebrauch machen, um
einem Tauben, oder ſchwer hoͤrenden, bey welchem der Fehler nur in den aͤußern Gehoͤrwerk-
zeugen liegt, der Gehoͤrnerve aber gut iſt, Worte oder Muſik hoͤren zu laſſen.

Uebrigens wird der Schall durch eine jede Materie etwas anders modificirt.

Anm. Ueber das Hoͤren vermittelſt eines an die Zaͤhne gehaltenen Stabes ſind viele Bemerkungen
enthalten in Jo. Jorissen diss. in qua explicatur nova methodus, surdos reddendi audien-
tes, Halae
1757, welche auch deutſch unter dem Titel: Buͤchner’s (unter deſſen Vorſitz ſie von
Joriſſen iſt vertheidigt worden) Abhandlung von einer beſondern und leichten Art, Taube hoͤrend
zu machen, Halle, 1759. 8., wie auch in einem Programme Winkler’s de ratione audiendi
per dentes, Lips.
1759. Da eine genauere Kenntniß dieſes Gegenſtandes vielleicht manchem
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[262/0296] Bewegung mit Leichtigkeit zulaͤßt, und er an die obern Zaͤhne oder an andere feſte Theile des Kopfes angeſtemmt wird, durch welche die Erſchuͤtterung leicht bis zum Gehoͤrnerven gelangen kann. Ein bloßer Faden, er beſtehe aus welcher Materie man wolle, iſt ſchon hinlaͤnglich einen Schall fortzuleiten; wenn z. B. zwey Perſonen einen ſtarken Faden an den Enden zwi- ſchen den Zaͤhnen etwas geſpannt halten, ſo werden ſie ſich bey verſtopften Ohren in einer ziem- lichen Entfernung unterhalten koͤnnen; ſo auch, wenn man das Ende des Fadens zwiſchen den Zaͤhnen haͤlt, und an deſſen andern Ende einen etwas großen ſilbernen Loͤffel aufhaͤngt, und ihn anſchlaͤgt, wird man den ſonſt ſehr ſchwachen Klang des Loͤfſels bey verſtopften Ohren wie einen ſtarken Klang einer Glocke hoͤren. Durch einen Stab von jeder beliebigen Laͤnge, Breite, oder Dicke, er beſtehe auch, aus welcher harten Materie man wolle, wie auch durch eine Verbindung von mehreren unter beliebigen Winkeln zuſammengefuͤgten Staͤben hoͤrt man, wenn das eine Ende an die Zaͤhne (vorzuͤglich an die obern) und das andere an einen ſchallenden Koͤrper angeſtemmt wird, den Schall eben ſo ſtark, oder wohl noch ſtaͤrker, als durch die Luft, beſonders wenn der Stab aus einer hierzu vorzuͤglich tauglichen Materie z. B. Glas oder Tannenholz beſteht. Will man ſich mit jemanden bey verſtopften Ohren unterhalten, ſo wird es faſt einerley ſeyn, ob der Redende den Stab an die Zaͤhne, oder an die Kehle, oder an den Bruſtknochen, oder allenfalls an einen obern feſt an die Bruſt gedruͤckten Knopf des Kleides ſtemmt. Noch ſtaͤrker hoͤrt man auf dieſe Art die Worte eines andern, wenn man das andere Ende des Stabes an einen Keſſel, oder an einen porcelanenen Spuͤhlnapf haͤlt, und der andere in dieſes Gefaͤß hineinſpricht; faſt noch beſſer iſt es aber, wenn man das Gefaͤß ſelbſt an den Ohrknorpel oder an die Zaͤhne oder dazwiſchen haͤlt. Man hoͤrt auch alle Toͤne eines muſika- liſchen Jnſtrumentes, wenn man den Stab an deſſen Reſonanzboden, oder allenfalls nur an deſſen Seitenwaͤnde anſtemmt. Es laͤßt ſich hiervon mancherley Gebrauch machen, um einem Tauben, oder ſchwer hoͤrenden, bey welchem der Fehler nur in den aͤußern Gehoͤrwerk- zeugen liegt, der Gehoͤrnerve aber gut iſt, Worte oder Muſik hoͤren zu laſſen. Uebrigens wird der Schall durch eine jede Materie etwas anders modificirt. Anm. Ueber das Hoͤren vermittelſt eines an die Zaͤhne gehaltenen Stabes ſind viele Bemerkungen enthalten in Jo. Jorissen diss. in qua explicatur nova methodus, surdos reddendi audien- tes, Halae 1757, welche auch deutſch unter dem Titel: Buͤchner’s (unter deſſen Vorſitz ſie von Joriſſen iſt vertheidigt worden) Abhandlung von einer beſondern und leichten Art, Taube hoͤrend zu machen, Halle, 1759. 8., wie auch in einem Programme Winkler’s de ratione audiendi per dentes, Lips. 1759. Da eine genauere Kenntniß dieſes Gegenſtandes vielleicht manchem

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/296>, abgerufen am 24.11.2024.