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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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Schwingungen zu erklären seyn würde. Vermuthlich müßte die Grotte bey Pozzneli zu Ver-
suchen über Echos dieser Art brauchbar seyn.

Der vierte Fall findet sich in solchen bedeckten Gängen oder sehr langen Sälen, die
an beyden Enden verschlossen sind, wie auch in Bergwerken auf Gezeugstrecken, wo ich an
einigen Stellen, besonders nahe vor Ort (d. i. am Ende einer Gezeugstrecke, wo die Berg-
leute arbeiten) die Resonanz so stark fand, daß sie dem Gehöre beschwerlich war. Auch sind
dahin solche vielfache Echos in freyer Luft zu rechnen, wo große Flächen z. B. zwey Felsen-
wände, oder hohe Gebäude in einer hinlänglichen Entfernung einander gegenüber stehen, und
also die Verdichtungen der dazwischen besindlichen Luftstrecke sich abwechselnd gegen beyde
Flächen stemmen.

Der fünfte Fall kann sich in solchen bedeckten oder gewölbten Gängen zeigen, die an
dem einen Ende offen sind, wie auch bisweilen in freyer Luft an großen Gebäuden, wo das
Hauptgebäude quer vorsteht, und auf beyden Seiten rechtwinklich mit hohen und langen
Seitengebäuden zusammenhängt.

213.

Einige vorzüglich merkwürdige Beyspiele von Echos sind in Gehlers physi-
calischem Wörterbuche bey dem Artikel Echo bemerkt, auch viele im ersten Theile von Kir-
chers
Phonurgia, und in verschiedenen andern Schriften. Das zu Genetay, 2 Stunden von
Rouen, ist in den Mem. de l'Acad, de Paris 1692. beschrieben; wenn jemand singend über den
halbzirkelförmigen Hof des Gebäudes geht, so hört dieser meistens nur seine eigene Stimme,
an andern Stellen hört man aber Wiederholungen mit sonderbaren Veränderungen. Bey
Coblenz soll am Ufer des Rheins eins seyn, das ein Wort 17mahl wiederholt, und sonst mit
dem vorigen einige Aehnlichkeit hat. Bey dem Schlosse Simonetta soll durch die doppelten
parallelen Mauern, wie Kircher erzählt, ein Echo verursacht werden, das, wenn man aus
einem gewissen Fenster ruft, ein Wort wohl 40mahl wiederholen soll. So soll nach Gassendi
in seinen Anmerkungen über das 10te Buch des Diogenes Laertius bey dem Grabmahle der
Metella ein Echo den ersten Vers der Aeneide: Arma virumque cano, 8mahl wiederholt
haben. Jn den Mem, de l'Acad. de Paris 1710, wird ein Echo beschrieben, das von 2 großen
26 Toisen weit von einander entfernten Thürmen herrührt, die durch ein Hauptgebäude von
einander getrennt sind, und in deren jeden sich eine Wölbung befindet. Ein Wort, das in

Schwingungen zu erklaͤren ſeyn wuͤrde. Vermuthlich muͤßte die Grotte bey Pozzneli zu Ver-
ſuchen uͤber Echos dieſer Art brauchbar ſeyn.

Der vierte Fall findet ſich in ſolchen bedeckten Gaͤngen oder ſehr langen Saͤlen, die
an beyden Enden verſchloſſen ſind, wie auch in Bergwerken auf Gezeugſtrecken, wo ich an
einigen Stellen, beſonders nahe vor Ort (d. i. am Ende einer Gezeugſtrecke, wo die Berg-
leute arbeiten) die Reſonanz ſo ſtark fand, daß ſie dem Gehoͤre beſchwerlich war. Auch ſind
dahin ſolche vielfache Echos in freyer Luft zu rechnen, wo große Flaͤchen z. B. zwey Felſen-
waͤnde, oder hohe Gebaͤude in einer hinlaͤnglichen Entfernung einander gegenuͤber ſtehen, und
alſo die Verdichtungen der dazwiſchen beſindlichen Luftſtrecke ſich abwechſelnd gegen beyde
Flaͤchen ſtemmen.

Der fuͤnfte Fall kann ſich in ſolchen bedeckten oder gewoͤlbten Gaͤngen zeigen, die an
dem einen Ende offen ſind, wie auch bisweilen in freyer Luft an großen Gebaͤuden, wo das
Hauptgebaͤude quer vorſteht, und auf beyden Seiten rechtwinklich mit hohen und langen
Seitengebaͤuden zuſammenhaͤngt.

213.

Einige vorzuͤglich merkwuͤrdige Beyſpiele von Echos ſind in Gehlers phyſi-
caliſchem Woͤrterbuche bey dem Artikel Echo bemerkt, auch viele im erſten Theile von Kir-
chers
Phonurgia, und in verſchiedenen andern Schriften. Das zu Genetay, 2 Stunden von
Rouen, iſt in den Mém. de l’Acad, de Paris 1692. beſchrieben; wenn jemand ſingend uͤber den
halbzirkelfoͤrmigen Hof des Gebaͤudes geht, ſo hoͤrt dieſer meiſtens nur ſeine eigene Stimme,
an andern Stellen hoͤrt man aber Wiederholungen mit ſonderbaren Veraͤnderungen. Bey
Coblenz ſoll am Ufer des Rheins eins ſeyn, das ein Wort 17mahl wiederholt, und ſonſt mit
dem vorigen einige Aehnlichkeit hat. Bey dem Schloſſe Simonetta ſoll durch die doppelten
parallelen Mauern, wie Kircher erzaͤhlt, ein Echo verurſacht werden, das, wenn man aus
einem gewiſſen Fenſter ruft, ein Wort wohl 40mahl wiederholen ſoll. So ſoll nach Gassendi
in ſeinen Anmerkungen uͤber das 10te Buch des Diogenes Laertius bey dem Grabmahle der
Metella ein Echo den erſten Vers der Aeneide: Arma virumque cano, 8mahl wiederholt
haben. Jn den Mém, de l’Acad. de Paris 1710, wird ein Echo beſchrieben, das von 2 großen
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[248/0282] Schwingungen zu erklaͤren ſeyn wuͤrde. Vermuthlich muͤßte die Grotte bey Pozzneli zu Ver- ſuchen uͤber Echos dieſer Art brauchbar ſeyn. Der vierte Fall findet ſich in ſolchen bedeckten Gaͤngen oder ſehr langen Saͤlen, die an beyden Enden verſchloſſen ſind, wie auch in Bergwerken auf Gezeugſtrecken, wo ich an einigen Stellen, beſonders nahe vor Ort (d. i. am Ende einer Gezeugſtrecke, wo die Berg- leute arbeiten) die Reſonanz ſo ſtark fand, daß ſie dem Gehoͤre beſchwerlich war. Auch ſind dahin ſolche vielfache Echos in freyer Luft zu rechnen, wo große Flaͤchen z. B. zwey Felſen- waͤnde, oder hohe Gebaͤude in einer hinlaͤnglichen Entfernung einander gegenuͤber ſtehen, und alſo die Verdichtungen der dazwiſchen beſindlichen Luftſtrecke ſich abwechſelnd gegen beyde Flaͤchen ſtemmen. Der fuͤnfte Fall kann ſich in ſolchen bedeckten oder gewoͤlbten Gaͤngen zeigen, die an dem einen Ende offen ſind, wie auch bisweilen in freyer Luft an großen Gebaͤuden, wo das Hauptgebaͤude quer vorſteht, und auf beyden Seiten rechtwinklich mit hohen und langen Seitengebaͤuden zuſammenhaͤngt. 213. Einige vorzuͤglich merkwuͤrdige Beyſpiele von Echos ſind in Gehlers phyſi- caliſchem Woͤrterbuche bey dem Artikel Echo bemerkt, auch viele im erſten Theile von Kir- chers Phonurgia, und in verſchiedenen andern Schriften. Das zu Genetay, 2 Stunden von Rouen, iſt in den Mém. de l’Acad, de Paris 1692. beſchrieben; wenn jemand ſingend uͤber den halbzirkelfoͤrmigen Hof des Gebaͤudes geht, ſo hoͤrt dieſer meiſtens nur ſeine eigene Stimme, an andern Stellen hoͤrt man aber Wiederholungen mit ſonderbaren Veraͤnderungen. Bey Coblenz ſoll am Ufer des Rheins eins ſeyn, das ein Wort 17mahl wiederholt, und ſonſt mit dem vorigen einige Aehnlichkeit hat. Bey dem Schloſſe Simonetta ſoll durch die doppelten parallelen Mauern, wie Kircher erzaͤhlt, ein Echo verurſacht werden, das, wenn man aus einem gewiſſen Fenſter ruft, ein Wort wohl 40mahl wiederholen ſoll. So ſoll nach Gassendi in ſeinen Anmerkungen uͤber das 10te Buch des Diogenes Laertius bey dem Grabmahle der Metella ein Echo den erſten Vers der Aeneide: Arma virumque cano, 8mahl wiederholt haben. Jn den Mém, de l’Acad. de Paris 1710, wird ein Echo beſchrieben, das von 2 großen 26 Toiſen weit von einander entfernten Thuͤrmen herruͤhrt, die durch ein Hauptgebaͤude von einander getrennt ſind, und in deren jeden ſich eine Woͤlbung befindet. Ein Wort, das in

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/282>, abgerufen am 02.06.2024.