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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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V) Wenn die Röhre an beyden Enden begränzt, und an dem einen Ende offen, an dem
andern aber verschlossen ist, so entsteht ein vielfaches Echo, wo allemahl jeder 8te Schlag,
oder wenn der Schall an dem verschlossenen Ende hervorgebracht, und an dem offenen
Ende gehört wird, jeder 4te Schlag mit einander übereinstimmt.

Von den hier angegebenen Fällen wird der erste, wo eine Röhre an einem Ende
begränzt und offen, nach der andern Richtung aber unendlich lang ist, in der Erfahrung nicht
Statt finden, außer, wenn man sich anstatt einer unendlich langen Ausdehnung eine so gres e
Ausdehnung, daß der Schall nicht merklich bis an das andere Ende würken kann, vorstellt.
So wird z. B. in einem sehr langen Stollen, nachdem man mehr oder weniger von dem Ende
wo er zu Tage ausgeht, sich entfernt, eine einfache Wiederholung des Schailes, wenn andere
Umstände es nicht verhindern, als Resonanz oder als Echo gehört werden.

Der zweyte Fall, wo in einer Röhre, die an einem Ende begränzt und verschlessen,
an dem andern aber unendlich lang ist, sich eine einfache Wiederholung zeigt, kommt in der
Erfahrung am häufigsten vor; da nähmlich freie und eingeschlossene Luft sich in ihren Schwin-
gungen nach einerley Gesetzen richten, so gehören hierher alle die Fälle, wo in freyer Luft ein
fester Gegenstand, wie z. B. eine hohe Mauer, ein Ward, oder eine Felsenwand der Rich-
tung des Schalles entgegensteht, und also eine Luftstrecke nach dieser Richtung als begränzt
und nach der entgegengesetzten als unbegränzt anzusehen ist. Auf die Ebenheit oder Glätte der
Fläche, an welche sich die Lustverdichtung stemmt, scheint gar nichts anzukommen, indem man
öfters in rauhen Wildnissen, wo nirgends eine ebene oder glatte Fläche ist, die besten Echos
antrifft, und bisweilen auch ein gegenüberstehender Wald schon ein ziemlich gutes Echo giebt.
Es scheint mehr darauf anzukommen, ob die gegenüberstehende Fläche im Ganzen eine hierzu
vortheilhafte Gestalt habe, damit eine beträchtliche Luftmasse sich bey ihren Verdichtungen
gleichförmig dagegen stemmen könne.

Der dritte Fall, wo eine Röhre an beyden Enden begränzt und offen ist, zeigt sich
bey bedeckten, besonders bey gewölbten Gängen und Galerien, die an beyden Enden offen
sind, wie auch schen einigermaßen in engen und langen Schluchten zwischen zwey Felsenwänden,
oder auch in andern etwas tiefen und schmalen Hohlwegen, wo man, wie ich auch einigemahl
beobachtet habe, gemeiniglich einen Nachhall des Schalles bemerkt, welcher sich bey einer
hinreichenden Länge als Echo zeigen müßte, und nicht etwa aus Zurückbrechungen von dem
nahe bey einander besindlichen Wänden, sondern aus mehreren der Länge nach gehenden

V) Wenn die Roͤhre an beyden Enden begraͤnzt, und an dem einen Ende offen, an dem
andern aber verſchloſſen iſt, ſo entſteht ein vielfaches Echo, wo allemahl jeder 8te Schlag,
oder wenn der Schall an dem verſchloſſenen Ende hervorgebracht, und an dem offenen
Ende gehoͤrt wird, jeder 4te Schlag mit einander uͤbereinſtimmt.

Von den hier angegebenen Faͤllen wird der erſte, wo eine Roͤhre an einem Ende
begraͤnzt und offen, nach der andern Richtung aber unendlich lang iſt, in der Erfahrung nicht
Statt finden, außer, wenn man ſich anſtatt einer unendlich langen Ausdehnung eine ſo greſ e
Ausdehnung, daß der Schall nicht merklich bis an das andere Ende wuͤrken kann, vorſtellt.
So wird z. B. in einem ſehr langen Stollen, nachdem man mehr oder weniger von dem Ende
wo er zu Tage ausgeht, ſich entfernt, eine einfache Wiederholung des Schailes, wenn andere
Umſtaͤnde es nicht verhindern, als Reſonanz oder als Echo gehoͤrt werden.

Der zweyte Fall, wo in einer Roͤhre, die an einem Ende begraͤnzt und verſchleſſen,
an dem andern aber unendlich lang iſt, ſich eine einfache Wiederholung zeigt, kommt in der
Erfahrung am haͤufigſten vor; da naͤhmlich freie und eingeſchloſſene Luft ſich in ihren Schwin-
gungen nach einerley Geſetzen richten, ſo gehoͤren hierher alle die Faͤlle, wo in freyer Luft ein
feſter Gegenſtand, wie z. B. eine hohe Mauer, ein Ward, oder eine Felſenwand der Rich-
tung des Schalles entgegenſteht, und alſo eine Luftſtrecke nach dieſer Richtung als begraͤnzt
und nach der entgegengeſetzten als unbegraͤnzt anzuſehen iſt. Auf die Ebenheit oder Glaͤtte der
Flaͤche, an welche ſich die Luſtverdichtung ſtemmt, ſcheint gar nichts anzukommen, indem man
oͤfters in rauhen Wildniſſen, wo nirgends eine ebene oder glatte Flaͤche iſt, die beſten Echos
antrifft, und bisweilen auch ein gegenuͤberſtehender Wald ſchon ein ziemlich gutes Echo giebt.
Es ſcheint mehr darauf anzukommen, ob die gegenuͤberſtehende Flaͤche im Ganzen eine hierzu
vortheilhafte Geſtalt habe, damit eine betraͤchtliche Luftmaſſe ſich bey ihren Verdichtungen
gleichfoͤrmig dagegen ſtemmen koͤnne.

Der dritte Fall, wo eine Roͤhre an beyden Enden begraͤnzt und offen iſt, zeigt ſich
bey bedeckten, beſonders bey gewoͤlbten Gaͤngen und Galerien, die an beyden Enden offen
ſind, wie auch ſchen einigermaßen in engen und langen Schluchten zwiſchen zwey Felſenwaͤnden,
oder auch in andern etwas tiefen und ſchmalen Hohlwegen, wo man, wie ich auch einigemahl
beobachtet habe, gemeiniglich einen Nachhall des Schalles bemerkt, welcher ſich bey einer
hinreichenden Laͤnge als Echo zeigen muͤßte, und nicht etwa aus Zuruͤckbrechungen von dem
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[247/0281] V) Wenn die Roͤhre an beyden Enden begraͤnzt, und an dem einen Ende offen, an dem andern aber verſchloſſen iſt, ſo entſteht ein vielfaches Echo, wo allemahl jeder 8te Schlag, oder wenn der Schall an dem verſchloſſenen Ende hervorgebracht, und an dem offenen Ende gehoͤrt wird, jeder 4te Schlag mit einander uͤbereinſtimmt. Von den hier angegebenen Faͤllen wird der erſte, wo eine Roͤhre an einem Ende begraͤnzt und offen, nach der andern Richtung aber unendlich lang iſt, in der Erfahrung nicht Statt finden, außer, wenn man ſich anſtatt einer unendlich langen Ausdehnung eine ſo greſ e Ausdehnung, daß der Schall nicht merklich bis an das andere Ende wuͤrken kann, vorſtellt. So wird z. B. in einem ſehr langen Stollen, nachdem man mehr oder weniger von dem Ende wo er zu Tage ausgeht, ſich entfernt, eine einfache Wiederholung des Schailes, wenn andere Umſtaͤnde es nicht verhindern, als Reſonanz oder als Echo gehoͤrt werden. Der zweyte Fall, wo in einer Roͤhre, die an einem Ende begraͤnzt und verſchleſſen, an dem andern aber unendlich lang iſt, ſich eine einfache Wiederholung zeigt, kommt in der Erfahrung am haͤufigſten vor; da naͤhmlich freie und eingeſchloſſene Luft ſich in ihren Schwin- gungen nach einerley Geſetzen richten, ſo gehoͤren hierher alle die Faͤlle, wo in freyer Luft ein feſter Gegenſtand, wie z. B. eine hohe Mauer, ein Ward, oder eine Felſenwand der Rich- tung des Schalles entgegenſteht, und alſo eine Luftſtrecke nach dieſer Richtung als begraͤnzt und nach der entgegengeſetzten als unbegraͤnzt anzuſehen iſt. Auf die Ebenheit oder Glaͤtte der Flaͤche, an welche ſich die Luſtverdichtung ſtemmt, ſcheint gar nichts anzukommen, indem man oͤfters in rauhen Wildniſſen, wo nirgends eine ebene oder glatte Flaͤche iſt, die beſten Echos antrifft, und bisweilen auch ein gegenuͤberſtehender Wald ſchon ein ziemlich gutes Echo giebt. Es ſcheint mehr darauf anzukommen, ob die gegenuͤberſtehende Flaͤche im Ganzen eine hierzu vortheilhafte Geſtalt habe, damit eine betraͤchtliche Luftmaſſe ſich bey ihren Verdichtungen gleichfoͤrmig dagegen ſtemmen koͤnne. Der dritte Fall, wo eine Roͤhre an beyden Enden begraͤnzt und offen iſt, zeigt ſich bey bedeckten, beſonders bey gewoͤlbten Gaͤngen und Galerien, die an beyden Enden offen ſind, wie auch ſchen einigermaßen in engen und langen Schluchten zwiſchen zwey Felſenwaͤnden, oder auch in andern etwas tiefen und ſchmalen Hohlwegen, wo man, wie ich auch einigemahl beobachtet habe, gemeiniglich einen Nachhall des Schalles bemerkt, welcher ſich bey einer hinreichenden Laͤnge als Echo zeigen muͤßte, und nicht etwa aus Zuruͤckbrechungen von dem nahe bey einander beſindlichen Waͤnden, ſondern aus mehreren der Laͤnge nach gehenden

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/281>, abgerufen am 24.11.2024.