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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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1. Anm. Gewöhnlich bedient man sich bey Saiteninstrumenten nur der erstern Schwingungsart,
wo eine Saite ganz schwingt; nur selten macht man auf der Geige und dem Violoncell bey dem
Solosyielen Gebrauch von den höhern Tönen, wo sich die Saite in aliquote Theile eintheilt. Man
nennt sie Flageolet-Töne, (sons harmoniques, oder sons flutes), sie klingen besonders
auf der a Saite des Violoncells, wo man noch wenigstens das 4 gestrichene a oder das 5 gestrichene
cis sehr bequem dadurch erreichen kann, weit sanfter, als wenn man eben so hohe Töne auf die
gewöhnliche Weise greisen wollte. Es giebt eine Saite, wie schon bewerket worden, auf diese
Art nicht alle Töne, sondern z. B. die d Satte nur die, welche gegen den Ton d, die a Saite
nur die, welche gegen den Ton a in Verhältnissen der natürlichen Zahlenfolge stehn; man tann
aber auch alle andere hohen Töne auf diese Art erhalten, wenn man die Saite durch ein gewöhn-
liches Greifen mit dem Daumen verkürzt, und sodann mit einem andern Finger irgend einen
Schwingungsknoten dieser verkürzten Saite gelinde berührt, indem es ganz einerley ist, ob der
Schwingungsknoten, welcher der nächste am Stege ist, oder der, welcher der entfernteste ist,
berührt wird. Diese Art, durch ein doppeltes Greifen jeden beliebigen hohen Ton als Flageolet-
Ton hervorzubringen, lehrt la Grange in den Recherches sur le son §. 51. in Miscellan. Tau-
rioens. tom. I,
es wird meines Wissens auch von einigen Violoncellspielern ausgeübt. Auf der
sogenannten Meertrompete (trompette marine) welche ein sehr unvollkommenes Jnstrument
ist, aber doch vielleicht könnte mehr vervollkommt werden, macht man Gebrauch von den verschie-
denen Eintheilungen der Saite in gleiche Theile. Es besteht dieses Jnstrument aus einem langen
holen, oben schmalen, nach unten sich erweiternden, und am untern Ende offenen hölzernen Kör-
per, auf welchen nur eine Saite aufgespannt ist, die unterwärts auf einem Stege ruht, welcher
auf der einen Seite nur locker auf den Resonanzboden aufliegt, wodurch der Klang etwas schnar-
rend, und dem Klange einer Trompete ähnlich wird. Die Saite wird oberwärts an einem
Schwingungsknoten mit dem Finger berührt, und zwischen dem obern Ende, und dem berührten
Schwingungsknoten mit dem Violinbogen gestrichen. Die Töne der Aeolsharfe, wo die
Saiten durch einen Luftzug in Bewegung gesetze werden, bernhen ebenfalls auf solchen Transver-
salschwingungen der Saiten, wobey sie sich, nachdem sie von dem Winde auf verschiedene Art ge-
troffen werden, in eine größere oder kleinere Zahl von gleichen Theilen abtheilen. Sehr gute
Bemerkungen darüber finden sich in Matthew Young's Enquiry into the principal phae-
nomena of sounds and musical strings P. II. sect. V.
Hieher gehört auch die sogenannte
Wetterharfe oder Riesenharfe des Hauptmann Haas in Basel, welche aus gespannten
sehr langen Eisendrähten bestand, und bey Veränderung des Wetters auf sehr mannigfaltige Art zu
tönen anfieng. Daß die Eisendrähte tönten, wenn sie in der Kichtung der Mittagslinie, nicht
aber, wenn sie von Ost nach West gespannt waren, rührt wohl nicht, wie man vermuthen wollte,
von einer Einwürkung des Magnetismus her, sondern die Ursache mochte wohl theils in Locakum-
ständen, welche mehr nach der einen, als nach der andern Richtung einen Lustzug bewürkt haben,
theils auch meines Erachtens darin liegen, weil die meisten Winde West- oder Ostwinde sind,
welche also die Drähte, wenn sie in derselben Richtung gespannt waren, nicht genug seitwärts treffen
konnten, um sie hinlänglich in Bewegung zu setzen. Lichtenberg, welcher im Göttingischen
Taschenkalender 1789. S. 129 -- 131, (so wie von der Aeolsharfe im Göttingischen Taschenkalender
1792.) davon Nachricht giebt, vermuthet mit Recht, daß auch die durch Hitze und Kälte, oder
1. Anm. Gewoͤhnlich bedient man ſich bey Saiteninſtrumenten nur der erſtern Schwingungsart,
wo eine Saite ganz ſchwingt; nur ſelten macht man auf der Geige und dem Violoncell bey dem
Soloſyielen Gebrauch von den hoͤhern Toͤnen, wo ſich die Saite in aliquote Theile eintheilt. Man
nennt ſie Flageolet-Toͤne, (sons harmoniques, oder sons flutés), ſie klingen beſonders
auf der a Saite des Violoncells, wo man noch wenigſtens das 4 geſtrichene a oder das 5 geſtrichene
cis ſehr bequem dadurch erreichen kann, weit ſanfter, als wenn man eben ſo hohe Toͤne auf die
gewoͤhnliche Weiſe greiſen wollte. Es giebt eine Saite, wie ſchon bewerket worden, auf dieſe
Art nicht alle Toͤne, ſondern z. B. die d Satte nur die, welche gegen den Ton d, die a Saite
nur die, welche gegen den Ton a in Verhaͤltniſſen der natuͤrlichen Zahlenfolge ſtehn; man tann
aber auch alle andere hohen Toͤne auf dieſe Art erhalten, wenn man die Saite durch ein gewoͤhn-
liches Greifen mit dem Daumen verkuͤrzt, und ſodann mit einem andern Finger irgend einen
Schwingungsknoten dieſer verkuͤrzten Saite gelinde beruͤhrt, indem es ganz einerley iſt, ob der
Schwingungsknoten, welcher der naͤchſte am Stege iſt, oder der, welcher der entfernteſte iſt,
beruͤhrt wird. Dieſe Art, durch ein doppeltes Greifen jeden beliebigen hohen Ton als Flageolet-
Ton hervorzubringen, lehrt la Grange in den Recherches sur le son §. 51. in Miscellan. Tau-
rioens. tom. I,
es wird meines Wiſſens auch von einigen Violoncellſpielern ausgeuͤbt. Auf der
ſogenannten Meertrompete (trompette marine) welche ein ſehr unvollkommenes Jnſtrument
iſt, aber doch vielleicht koͤnnte mehr vervollkommt werden, macht man Gebrauch von den verſchie-
denen Eintheilungen der Saite in gleiche Theile. Es beſteht dieſes Jnſtrument aus einem langen
holen, oben ſchmalen, nach unten ſich erweiternden, und am untern Ende offenen hoͤlzernen Koͤr-
per, auf welchen nur eine Saite aufgeſpannt iſt, die unterwaͤrts auf einem Stege ruht, welcher
auf der einen Seite nur locker auf den Reſonanzboden aufliegt, wodurch der Klang etwas ſchnar-
rend, und dem Klange einer Trompete aͤhnlich wird. Die Saite wird oberwaͤrts an einem
Schwingungsknoten mit dem Finger beruͤhrt, und zwiſchen dem obern Ende, und dem beruͤhrten
Schwingungsknoten mit dem Violinbogen geſtrichen. Die Toͤne der Aeolsharfe, wo die
Saiten durch einen Luftzug in Bewegung geſetze werden, bernhen ebenfalls auf ſolchen Transver-
ſalſchwingungen der Saiten, wobey ſie ſich, nachdem ſie von dem Winde auf verſchiedene Art ge-
troffen werden, in eine groͤßere oder kleinere Zahl von gleichen Theilen abtheilen. Sehr gute
Bemerkungen daruͤber finden ſich in Matthew Young’s Enquiry into the principal phae-
nomena of sounds and musical strings P. II. sect. V.
Hieher gehoͤrt auch die ſogenannte
Wetterharfe oder Rieſenharfe des Hauptmann Haas in Baſel, welche aus geſpannten
ſehr langen Eiſendraͤhten beſtand, und bey Veraͤnderung des Wetters auf ſehr mannigfaltige Art zu
toͤnen anfieng. Daß die Eiſendraͤhte toͤnten, wenn ſie in der Kichtung der Mittagslinie, nicht
aber, wenn ſie von Oſt nach Weſt geſpannt waren, ruͤhrt wohl nicht, wie man vermuthen wollte,
von einer Einwuͤrkung des Magnetiſmus her, ſondern die Urſache mochte wohl theils in Locakum-
ſtaͤnden, welche mehr nach der einen, als nach der andern Richtung einen Luſtzug bewuͤrkt haben,
theils auch meines Erachtens darin liegen, weil die meiſten Winde Weſt- oder Oſtwinde ſind,
welche alſo die Draͤhte, wenn ſie in derſelben Richtung geſpannt waren, nicht genug ſeitwaͤrts treffen
konnten, um ſie hinlaͤnglich in Bewegung zu ſetzen. Lichtenberg, welcher im Goͤttingiſchen
Taſchenkalender 1789. S. 129 — 131, (ſo wie von der Aeolsharfe im Goͤttingiſchen Taſchenkalender
1792.) davon Nachricht giebt, vermuthet mit Recht, daß auch die durch Hitze und Kaͤlte, oder
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[68/0102] 1. Anm. Gewoͤhnlich bedient man ſich bey Saiteninſtrumenten nur der erſtern Schwingungsart, wo eine Saite ganz ſchwingt; nur ſelten macht man auf der Geige und dem Violoncell bey dem Soloſyielen Gebrauch von den hoͤhern Toͤnen, wo ſich die Saite in aliquote Theile eintheilt. Man nennt ſie Flageolet-Toͤne, (sons harmoniques, oder sons flutés), ſie klingen beſonders auf der a Saite des Violoncells, wo man noch wenigſtens das 4 geſtrichene a oder das 5 geſtrichene cis ſehr bequem dadurch erreichen kann, weit ſanfter, als wenn man eben ſo hohe Toͤne auf die gewoͤhnliche Weiſe greiſen wollte. Es giebt eine Saite, wie ſchon bewerket worden, auf dieſe Art nicht alle Toͤne, ſondern z. B. die d Satte nur die, welche gegen den Ton d, die a Saite nur die, welche gegen den Ton a in Verhaͤltniſſen der natuͤrlichen Zahlenfolge ſtehn; man tann aber auch alle andere hohen Toͤne auf dieſe Art erhalten, wenn man die Saite durch ein gewoͤhn- liches Greifen mit dem Daumen verkuͤrzt, und ſodann mit einem andern Finger irgend einen Schwingungsknoten dieſer verkuͤrzten Saite gelinde beruͤhrt, indem es ganz einerley iſt, ob der Schwingungsknoten, welcher der naͤchſte am Stege iſt, oder der, welcher der entfernteſte iſt, beruͤhrt wird. Dieſe Art, durch ein doppeltes Greifen jeden beliebigen hohen Ton als Flageolet- Ton hervorzubringen, lehrt la Grange in den Recherches sur le son §. 51. in Miscellan. Tau- rioens. tom. I, es wird meines Wiſſens auch von einigen Violoncellſpielern ausgeuͤbt. Auf der ſogenannten Meertrompete (trompette marine) welche ein ſehr unvollkommenes Jnſtrument iſt, aber doch vielleicht koͤnnte mehr vervollkommt werden, macht man Gebrauch von den verſchie- denen Eintheilungen der Saite in gleiche Theile. Es beſteht dieſes Jnſtrument aus einem langen holen, oben ſchmalen, nach unten ſich erweiternden, und am untern Ende offenen hoͤlzernen Koͤr- per, auf welchen nur eine Saite aufgeſpannt iſt, die unterwaͤrts auf einem Stege ruht, welcher auf der einen Seite nur locker auf den Reſonanzboden aufliegt, wodurch der Klang etwas ſchnar- rend, und dem Klange einer Trompete aͤhnlich wird. Die Saite wird oberwaͤrts an einem Schwingungsknoten mit dem Finger beruͤhrt, und zwiſchen dem obern Ende, und dem beruͤhrten Schwingungsknoten mit dem Violinbogen geſtrichen. Die Toͤne der Aeolsharfe, wo die Saiten durch einen Luftzug in Bewegung geſetze werden, bernhen ebenfalls auf ſolchen Transver- ſalſchwingungen der Saiten, wobey ſie ſich, nachdem ſie von dem Winde auf verſchiedene Art ge- troffen werden, in eine groͤßere oder kleinere Zahl von gleichen Theilen abtheilen. Sehr gute Bemerkungen daruͤber finden ſich in Matthew Young’s Enquiry into the principal phae- nomena of sounds and musical strings P. II. sect. V. Hieher gehoͤrt auch die ſogenannte Wetterharfe oder Rieſenharfe des Hauptmann Haas in Baſel, welche aus geſpannten ſehr langen Eiſendraͤhten beſtand, und bey Veraͤnderung des Wetters auf ſehr mannigfaltige Art zu toͤnen anfieng. Daß die Eiſendraͤhte toͤnten, wenn ſie in der Kichtung der Mittagslinie, nicht aber, wenn ſie von Oſt nach Weſt geſpannt waren, ruͤhrt wohl nicht, wie man vermuthen wollte, von einer Einwuͤrkung des Magnetiſmus her, ſondern die Urſache mochte wohl theils in Locakum- ſtaͤnden, welche mehr nach der einen, als nach der andern Richtung einen Luſtzug bewuͤrkt haben, theils auch meines Erachtens darin liegen, weil die meiſten Winde Weſt- oder Oſtwinde ſind, welche alſo die Draͤhte, wenn ſie in derſelben Richtung geſpannt waren, nicht genug ſeitwaͤrts treffen konnten, um ſie hinlaͤnglich in Bewegung zu ſetzen. Lichtenberg, welcher im Goͤttingiſchen Taſchenkalender 1789. S. 129 — 131, (ſo wie von der Aeolsharfe im Goͤttingiſchen Taſchenkalender 1792.) davon Nachricht giebt, vermuthet mit Recht, daß auch die durch Hitze und Kaͤlte, oder

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/102>, abgerufen am 22.11.2024.