Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Hut vor mir ab und verneigte sich so tief, als noch Niemand vor mir gethan hatte. Es war kein Zweifel, er wollte mich anreden, und ich konnte, ohne grob zu sein, es nicht vermeiden. Ich nahm den Hut auch ab, verneigte mich wieder und stand da in der Sonne mit bloßem Haupt wie angewurzelt. Ich sah ihn voller Furcht stier an und war wie ein Vogel, den eine Schlange gebannt hat. Er selber schien sehr verlegen zu sein; er hob den Blick nicht auf, verbeugte sich zu verschiedenen Malen, trat näher und redete mich an mit leiser, unsicherer Stimme, ungefähr im Tone eines Bettelnden. Möge der Herr meine Zudringlichkeit entschuldigen, wenn ich es wage, ihn so unbekannter Weise aufzusuchen, ich habe eine Bitte an ihn. Vergönnen Sie gnädigst -- -- Aber um Gotteswillen, mein Herr! brach ich in meiner Angst aus, was kann ich für einen Mann thun, der -- Wir stutzten Beide und wurden, wie mir däucht, roth. Er nahm nach einem Augenblick des Schweigens wieder das Wort: Während der kurzen Zeit, wo ich das Glück genoß, mich in Ihrer Nähe zu befinden, hab' ich, mein Herr, einige Mal -- erlauben Sie, daß ich es Ihnen sage -- wirklich mit unaussprechlicher Bewunderung den schönen, schönen Schatten betrachten können, den Sie in der Sonne, und gleichsam mit einer gewissen edlen Verachtung, ohne selbst darauf zu merken, von sich werfen, den herrlichen Schatten da zu Hut vor mir ab und verneigte sich so tief, als noch Niemand vor mir gethan hatte. Es war kein Zweifel, er wollte mich anreden, und ich konnte, ohne grob zu sein, es nicht vermeiden. Ich nahm den Hut auch ab, verneigte mich wieder und stand da in der Sonne mit bloßem Haupt wie angewurzelt. Ich sah ihn voller Furcht stier an und war wie ein Vogel, den eine Schlange gebannt hat. Er selber schien sehr verlegen zu sein; er hob den Blick nicht auf, verbeugte sich zu verschiedenen Malen, trat näher und redete mich an mit leiser, unsicherer Stimme, ungefähr im Tone eines Bettelnden. Möge der Herr meine Zudringlichkeit entschuldigen, wenn ich es wage, ihn so unbekannter Weise aufzusuchen, ich habe eine Bitte an ihn. Vergönnen Sie gnädigst — — Aber um Gotteswillen, mein Herr! brach ich in meiner Angst aus, was kann ich für einen Mann thun, der — Wir stutzten Beide und wurden, wie mir däucht, roth. Er nahm nach einem Augenblick des Schweigens wieder das Wort: Während der kurzen Zeit, wo ich das Glück genoß, mich in Ihrer Nähe zu befinden, hab' ich, mein Herr, einige Mal — erlauben Sie, daß ich es Ihnen sage — wirklich mit unaussprechlicher Bewunderung den schönen, schönen Schatten betrachten können, den Sie in der Sonne, und gleichsam mit einer gewissen edlen Verachtung, ohne selbst darauf zu merken, von sich werfen, den herrlichen Schatten da zu <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0018"/> Hut vor mir ab und verneigte sich so tief, als noch Niemand vor mir gethan hatte. Es war kein Zweifel, er wollte mich anreden, und ich konnte, ohne grob zu sein, es nicht vermeiden. Ich nahm den Hut auch ab, verneigte mich wieder und stand da in der Sonne mit bloßem Haupt wie angewurzelt. Ich sah ihn voller Furcht stier an und war wie ein Vogel, den eine Schlange gebannt hat. Er selber schien sehr verlegen zu sein; er hob den Blick nicht auf, verbeugte sich zu verschiedenen Malen, trat näher und redete mich an mit leiser, unsicherer Stimme, ungefähr im Tone eines Bettelnden.</p><lb/> <p>Möge der Herr meine Zudringlichkeit entschuldigen, wenn ich es wage, ihn so unbekannter Weise aufzusuchen, ich habe eine Bitte an ihn. Vergönnen Sie gnädigst — — Aber um Gotteswillen, mein Herr! brach ich in meiner Angst aus, was kann ich für einen Mann thun, der — Wir stutzten Beide und wurden, wie mir däucht, roth.</p><lb/> <p>Er nahm nach einem Augenblick des <choice><sic>Schweignes</sic><corr>Schweigens</corr></choice> wieder das Wort: Während der kurzen Zeit, wo ich das Glück genoß, mich in Ihrer Nähe zu befinden, hab' ich, mein Herr, einige Mal — erlauben Sie, daß ich es Ihnen sage — wirklich mit unaussprechlicher Bewunderung den schönen, schönen Schatten betrachten können, den Sie in der Sonne, und gleichsam mit einer gewissen edlen Verachtung, ohne selbst darauf zu merken, von sich werfen, den herrlichen Schatten da zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
Hut vor mir ab und verneigte sich so tief, als noch Niemand vor mir gethan hatte. Es war kein Zweifel, er wollte mich anreden, und ich konnte, ohne grob zu sein, es nicht vermeiden. Ich nahm den Hut auch ab, verneigte mich wieder und stand da in der Sonne mit bloßem Haupt wie angewurzelt. Ich sah ihn voller Furcht stier an und war wie ein Vogel, den eine Schlange gebannt hat. Er selber schien sehr verlegen zu sein; er hob den Blick nicht auf, verbeugte sich zu verschiedenen Malen, trat näher und redete mich an mit leiser, unsicherer Stimme, ungefähr im Tone eines Bettelnden.
Möge der Herr meine Zudringlichkeit entschuldigen, wenn ich es wage, ihn so unbekannter Weise aufzusuchen, ich habe eine Bitte an ihn. Vergönnen Sie gnädigst — — Aber um Gotteswillen, mein Herr! brach ich in meiner Angst aus, was kann ich für einen Mann thun, der — Wir stutzten Beide und wurden, wie mir däucht, roth.
Er nahm nach einem Augenblick des Schweigens wieder das Wort: Während der kurzen Zeit, wo ich das Glück genoß, mich in Ihrer Nähe zu befinden, hab' ich, mein Herr, einige Mal — erlauben Sie, daß ich es Ihnen sage — wirklich mit unaussprechlicher Bewunderung den schönen, schönen Schatten betrachten können, den Sie in der Sonne, und gleichsam mit einer gewissen edlen Verachtung, ohne selbst darauf zu merken, von sich werfen, den herrlichen Schatten da zu
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Zitationshilfe: | Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/18>, abgerufen am 16.02.2025. |