Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.dir, um Gotteswillen! drei gesattelte Pferde noch aus derselben Tasche, woraus schon eine Brieftasche, ein Fernrohr, ein gewirkter Teppich, zwanzig Schritte lang und zehn breit, ein Lustzelt von derselben Größe und alle dazu gehörigen Stangen und Eisen herausgekommen waren! -- Wenn ich dir nicht betheuerte, es selbst mit eigenen Augen angesehen zu haben, würdest du es gewiß nicht glauben. -- So verlegen und demüthig der Mann selbst zu sein schien, so wenig Aufmerksamkeit ihm auch die Andern schenkten, so ward mir doch seine blasse Erscheinung, von der ich kein Auge abwenden konnte, so schauerlich, daß ich sie nicht länger ertragen konnte. Ich beschloß, mich aus der Gesellschaft zu stehlen, was bei der unbedeutenden Rolle, die ich darinnen spielte, mir ein Leichtes schien. Ich wollte nach der Stadt zurückkehren, am andern Morgen mein Glück beim Herrn John wieder versuchen und, wenn ich den Muth dazu fände, ihn über den seltsamen grauen Mann befragen. -- Wäre es mir nur so zu entkommen geglückt! Ich hatte mich schon wirklich durch den Rosenhain den Hügel hinab, glücklich geschlichen und befand mich auf einem freien Rasenplatz, als ich aus Furcht, außer den Wegen durchs Gras gehend angetroffen zu werden, einen forschenden Blick um mich warf. -- Wie erschrak ich, als ich den Mann im grauen Rock hinter mir her und auf mich zu kommen sah. Er nahm sogleich den dir, um Gotteswillen! drei gesattelte Pferde noch aus derselben Tasche, woraus schon eine Brieftasche, ein Fernrohr, ein gewirkter Teppich, zwanzig Schritte lang und zehn breit, ein Lustzelt von derselben Größe und alle dazu gehörigen Stangen und Eisen herausgekommen waren! — Wenn ich dir nicht betheuerte, es selbst mit eigenen Augen angesehen zu haben, würdest du es gewiß nicht glauben. — So verlegen und demüthig der Mann selbst zu sein schien, so wenig Aufmerksamkeit ihm auch die Andern schenkten, so ward mir doch seine blasse Erscheinung, von der ich kein Auge abwenden konnte, so schauerlich, daß ich sie nicht länger ertragen konnte. Ich beschloß, mich aus der Gesellschaft zu stehlen, was bei der unbedeutenden Rolle, die ich darinnen spielte, mir ein Leichtes schien. Ich wollte nach der Stadt zurückkehren, am andern Morgen mein Glück beim Herrn John wieder versuchen und, wenn ich den Muth dazu fände, ihn über den seltsamen grauen Mann befragen. — Wäre es mir nur so zu entkommen geglückt! Ich hatte mich schon wirklich durch den Rosenhain den Hügel hinab, glücklich geschlichen und befand mich auf einem freien Rasenplatz, als ich aus Furcht, außer den Wegen durchs Gras gehend angetroffen zu werden, einen forschenden Blick um mich warf. — Wie erschrak ich, als ich den Mann im grauen Rock hinter mir her und auf mich zu kommen sah. Er nahm sogleich den <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0017"/> dir, um Gotteswillen! drei gesattelte Pferde noch aus derselben Tasche, woraus schon eine Brieftasche, ein Fernrohr, ein gewirkter Teppich, zwanzig Schritte lang und zehn breit, ein Lustzelt von derselben Größe und alle dazu gehörigen Stangen und Eisen herausgekommen waren! — Wenn ich dir nicht betheuerte, es selbst mit eigenen Augen angesehen zu haben, würdest du es gewiß nicht glauben. —</p><lb/> <p>So verlegen und demüthig der Mann selbst zu sein schien, so wenig Aufmerksamkeit ihm auch die Andern schenkten, so ward mir doch seine blasse Erscheinung, von der ich kein Auge abwenden konnte, so schauerlich, daß ich sie nicht länger ertragen konnte.</p><lb/> <p>Ich beschloß, mich aus der Gesellschaft zu stehlen, was bei der unbedeutenden Rolle, die ich darinnen spielte, mir ein Leichtes schien. Ich wollte nach der Stadt zurückkehren, am andern Morgen mein Glück beim Herrn John wieder versuchen und, wenn ich den Muth dazu fände, ihn über den seltsamen grauen Mann befragen. — Wäre es mir nur so zu entkommen geglückt!</p><lb/> <p>Ich hatte mich schon wirklich durch den Rosenhain den Hügel hinab, glücklich geschlichen und befand mich auf einem freien Rasenplatz, als ich aus Furcht, außer den Wegen durchs Gras gehend angetroffen zu werden, einen forschenden Blick um mich warf. — Wie erschrak ich, als ich den Mann im grauen Rock hinter mir her und auf mich zu kommen sah. Er nahm sogleich den<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
dir, um Gotteswillen! drei gesattelte Pferde noch aus derselben Tasche, woraus schon eine Brieftasche, ein Fernrohr, ein gewirkter Teppich, zwanzig Schritte lang und zehn breit, ein Lustzelt von derselben Größe und alle dazu gehörigen Stangen und Eisen herausgekommen waren! — Wenn ich dir nicht betheuerte, es selbst mit eigenen Augen angesehen zu haben, würdest du es gewiß nicht glauben. —
So verlegen und demüthig der Mann selbst zu sein schien, so wenig Aufmerksamkeit ihm auch die Andern schenkten, so ward mir doch seine blasse Erscheinung, von der ich kein Auge abwenden konnte, so schauerlich, daß ich sie nicht länger ertragen konnte.
Ich beschloß, mich aus der Gesellschaft zu stehlen, was bei der unbedeutenden Rolle, die ich darinnen spielte, mir ein Leichtes schien. Ich wollte nach der Stadt zurückkehren, am andern Morgen mein Glück beim Herrn John wieder versuchen und, wenn ich den Muth dazu fände, ihn über den seltsamen grauen Mann befragen. — Wäre es mir nur so zu entkommen geglückt!
Ich hatte mich schon wirklich durch den Rosenhain den Hügel hinab, glücklich geschlichen und befand mich auf einem freien Rasenplatz, als ich aus Furcht, außer den Wegen durchs Gras gehend angetroffen zu werden, einen forschenden Blick um mich warf. — Wie erschrak ich, als ich den Mann im grauen Rock hinter mir her und auf mich zu kommen sah. Er nahm sogleich den
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Zitationshilfe: | Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/17>, abgerufen am 16.02.2025. |