Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ihren Füßen. Verzeihen Sie mir die freilich kühne Zumuthung. Sollten Sie sich Wohl nicht abgeneigt finden, mir diesen Ihren Schatten zu überlassen? Er schwieg, und mir ging's wie ein Mühlrad im Kopfe herum. Was sollt' ich aus dem seltsamen Antrag machen, mir meinen Schatten abzukaufen? Er muß verrückt sein, dacht' ich, und mit verändertem Tone, der zu der Demuth des seinigen besser paßte, erwiderte ich also: Ei, ei! guter Freund, habt Ihr denn nicht an Eurem eigenen Schatten genug? Das heiß' ich mir einen Handel von einer ganz absonderlichen Sorte. -- Er fiel sogleich wieder ein: Ich hab' in meiner Tasche Manches, was dem Herrn nicht ganz unwerth scheinen möchte; für diesen unschätzbaren Schatten halt' ich den höchsten Preis zu gering. Nun überfiel es mich wieder kalt, da ich an die Tasche erinnert ward, und ich wußte nicht, wie ich ihn hatte guter Freund nennen können. Ich nahm wieder das Wort und suchte es, wo möglich, mit unendlicher Höflichkeit wieder gut zu machen. Aber, mein Herr, verzeihen Sie Ihrem unterthänigsten Knecht. Ich verstehe wohl Ihre Meinung nicht ganz gut, wie könnt' ich nur meinen Schatten -- -- Er unterbrach mich: Ich erbitte mir nur Dero Erlaubniß, hier auf der Stelle diesen edlen Schatten aufheben zu dürfen und zu mir zu stecken; wie ich das mache, sei meine Sorge. Dagegen als Beweis meiner Ihren Füßen. Verzeihen Sie mir die freilich kühne Zumuthung. Sollten Sie sich Wohl nicht abgeneigt finden, mir diesen Ihren Schatten zu überlassen? Er schwieg, und mir ging's wie ein Mühlrad im Kopfe herum. Was sollt' ich aus dem seltsamen Antrag machen, mir meinen Schatten abzukaufen? Er muß verrückt sein, dacht' ich, und mit verändertem Tone, der zu der Demuth des seinigen besser paßte, erwiderte ich also: Ei, ei! guter Freund, habt Ihr denn nicht an Eurem eigenen Schatten genug? Das heiß' ich mir einen Handel von einer ganz absonderlichen Sorte. — Er fiel sogleich wieder ein: Ich hab' in meiner Tasche Manches, was dem Herrn nicht ganz unwerth scheinen möchte; für diesen unschätzbaren Schatten halt' ich den höchsten Preis zu gering. Nun überfiel es mich wieder kalt, da ich an die Tasche erinnert ward, und ich wußte nicht, wie ich ihn hatte guter Freund nennen können. Ich nahm wieder das Wort und suchte es, wo möglich, mit unendlicher Höflichkeit wieder gut zu machen. Aber, mein Herr, verzeihen Sie Ihrem unterthänigsten Knecht. Ich verstehe wohl Ihre Meinung nicht ganz gut, wie könnt' ich nur meinen Schatten — — Er unterbrach mich: Ich erbitte mir nur Dero Erlaubniß, hier auf der Stelle diesen edlen Schatten aufheben zu dürfen und zu mir zu stecken; wie ich das mache, sei meine Sorge. Dagegen als Beweis meiner <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0019"/> Ihren Füßen. Verzeihen Sie mir die freilich kühne Zumuthung. Sollten Sie sich Wohl nicht abgeneigt finden, mir diesen Ihren Schatten zu überlassen?</p><lb/> <p>Er schwieg, und mir ging's wie ein Mühlrad im Kopfe herum. Was sollt' ich aus dem seltsamen Antrag machen, mir meinen Schatten abzukaufen? Er muß verrückt sein, dacht' ich, und mit verändertem Tone, der zu der Demuth des seinigen besser paßte, erwiderte ich also:</p><lb/> <p>Ei, ei! guter Freund, habt Ihr denn nicht an Eurem eigenen Schatten genug? Das heiß' ich mir einen Handel von einer ganz absonderlichen Sorte. — Er fiel sogleich wieder ein: Ich hab' in meiner Tasche Manches, was dem Herrn nicht ganz unwerth scheinen möchte; für diesen unschätzbaren Schatten halt' ich den höchsten Preis zu gering.</p><lb/> <p>Nun überfiel es mich wieder kalt, da ich an die Tasche erinnert ward, und ich wußte nicht, wie ich ihn hatte guter Freund nennen können. Ich nahm wieder das Wort und suchte es, wo möglich, mit unendlicher Höflichkeit wieder gut zu machen.</p><lb/> <p>Aber, mein Herr, verzeihen Sie Ihrem unterthänigsten Knecht. Ich verstehe wohl Ihre Meinung nicht ganz gut, wie könnt' ich nur meinen Schatten — — Er unterbrach mich: Ich erbitte mir nur Dero Erlaubniß, hier auf der Stelle diesen edlen Schatten aufheben zu dürfen und zu mir zu stecken; wie ich das mache, sei meine Sorge. Dagegen als Beweis meiner<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
Ihren Füßen. Verzeihen Sie mir die freilich kühne Zumuthung. Sollten Sie sich Wohl nicht abgeneigt finden, mir diesen Ihren Schatten zu überlassen?
Er schwieg, und mir ging's wie ein Mühlrad im Kopfe herum. Was sollt' ich aus dem seltsamen Antrag machen, mir meinen Schatten abzukaufen? Er muß verrückt sein, dacht' ich, und mit verändertem Tone, der zu der Demuth des seinigen besser paßte, erwiderte ich also:
Ei, ei! guter Freund, habt Ihr denn nicht an Eurem eigenen Schatten genug? Das heiß' ich mir einen Handel von einer ganz absonderlichen Sorte. — Er fiel sogleich wieder ein: Ich hab' in meiner Tasche Manches, was dem Herrn nicht ganz unwerth scheinen möchte; für diesen unschätzbaren Schatten halt' ich den höchsten Preis zu gering.
Nun überfiel es mich wieder kalt, da ich an die Tasche erinnert ward, und ich wußte nicht, wie ich ihn hatte guter Freund nennen können. Ich nahm wieder das Wort und suchte es, wo möglich, mit unendlicher Höflichkeit wieder gut zu machen.
Aber, mein Herr, verzeihen Sie Ihrem unterthänigsten Knecht. Ich verstehe wohl Ihre Meinung nicht ganz gut, wie könnt' ich nur meinen Schatten — — Er unterbrach mich: Ich erbitte mir nur Dero Erlaubniß, hier auf der Stelle diesen edlen Schatten aufheben zu dürfen und zu mir zu stecken; wie ich das mache, sei meine Sorge. Dagegen als Beweis meiner
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Zitationshilfe: | Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/19>, abgerufen am 16.02.2025. |