doch die einzige, die Sie vernünftiger Weise ein¬ schlagen können; hinab in das Thal dürfen Sie nicht, und über das Gebirg werden Sie noch we¬ niger zurückkehren wollen, von wo Sie hergekom¬ men sind -- diese ist auch gerade meine Strasse. -- Ich sehe Sie schon vor der aufgehenden Sonne erblassen. Ich will Ihnen Ihren Schatten auf die Zeit unserer Gesellschaft leihen, und Sie dul¬ den mich dafür in Ihrer Nähe; Sie haben so Ihren Bendel nicht mehr bei sich; ich will Ih¬ nen gute Dienste leisten. Sie lieben mich nicht, das ist mir leid. Sie können mich darum doch benutzen. Der Teufel ist nicht so schwarz, als man ihn malt. Gestern haben Sie mich geär¬ gert, das ist wahr, heute will ich's Ihnen nicht nachtragen, und ich habe Ihnen schon den Weg bis hieher verkürzt, das müssen Sie selbst geste¬ hen -- nehmen Sie doch nur einmal Ihren Schatten auf Probe wieder an."
Die Sonne war aufgegangen, auf der Strasse kamen uns Menschen entgegen, ich nahm, obgleich mit innerlichem Widerwillen, den Antrag an. Er ließ lächelnd meinen Schatten zur Erde glei¬
doch die einzige, die Sie vernuͤnftiger Weiſe ein¬ ſchlagen koͤnnen; hinab in das Thal duͤrfen Sie nicht, und uͤber das Gebirg werden Sie noch we¬ niger zuruͤckkehren wollen, von wo Sie hergekom¬ men ſind — dieſe iſt auch gerade meine Straſſe. — Ich ſehe Sie ſchon vor der aufgehenden Sonne erblaſſen. Ich will Ihnen Ihren Schatten auf die Zeit unſerer Geſellſchaft leihen, und Sie dul¬ den mich dafuͤr in Ihrer Naͤhe; Sie haben ſo Ihren Bendel nicht mehr bei ſich; ich will Ih¬ nen gute Dienſte leiſten. Sie lieben mich nicht, das iſt mir leid. Sie koͤnnen mich darum doch benutzen. Der Teufel iſt nicht ſo ſchwarz, als man ihn malt. Geſtern haben Sie mich geaͤr¬ gert, das iſt wahr, heute will ich’s Ihnen nicht nachtragen, und ich habe Ihnen ſchon den Weg bis hieher verkuͤrzt, das muͤſſen Sie ſelbſt geſte¬ hen — nehmen Sie doch nur einmal Ihren Schatten auf Probe wieder an.„
Die Sonne war aufgegangen, auf der Straſſe kamen uns Menſchen entgegen, ich nahm, obgleich mit innerlichem Widerwillen, den Antrag an. Er ließ laͤchelnd meinen Schatten zur Erde glei¬
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doch die einzige, die Sie vernuͤnftiger Weiſe ein¬
ſchlagen koͤnnen; hinab in das Thal duͤrfen Sie
nicht, und uͤber das Gebirg werden Sie noch we¬
niger zuruͤckkehren wollen, von wo Sie hergekom¬
men ſind — dieſe iſt auch gerade meine Straſſe. —
Ich ſehe Sie ſchon vor der aufgehenden Sonne
erblaſſen. Ich will Ihnen Ihren Schatten auf
die Zeit unſerer Geſellſchaft leihen, und Sie dul¬
den mich dafuͤr in Ihrer Naͤhe; Sie haben ſo
Ihren Bendel nicht mehr bei ſich; ich will Ih¬
nen gute Dienſte leiſten. Sie lieben mich nicht,
das iſt mir leid. Sie koͤnnen mich darum doch
benutzen. Der Teufel iſt nicht ſo ſchwarz, als
man ihn malt. Geſtern haben Sie mich geaͤr¬
gert, das iſt wahr, heute will ich’s Ihnen nicht
nachtragen, und ich habe Ihnen ſchon den Weg
bis hieher verkuͤrzt, das muͤſſen Sie ſelbſt geſte¬
hen — nehmen Sie doch nur einmal Ihren
Schatten auf Probe wieder an.„
Die Sonne war aufgegangen, auf der Straſſe
kamen uns Menſchen entgegen, ich nahm, obgleich
mit innerlichem Widerwillen, den Antrag an.
Er ließ laͤchelnd meinen Schatten zur Erde glei¬
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Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]
Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten Exemplars aus der SBB-PK sind sechs Kupfer von George Cruikshank aus der 2. Aufl. (1827).
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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/114>, abgerufen am 16.02.2025.
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