und ich hätte mich ihm willig ergeben, wenn er meine Seele wie meinen Verstand in Anspruch genommen hätte.
Mittlerweile war die Zeit hingegangen, und unbemerkt hatte schon die Morgendämmerung den Himmel erhellt; ich erschrack, als ich mit einmal aufblickte, und im Osten die Pracht der Farben sich entfalten sah, die die nahe Sonne verkünden, und gegen sie war in dieser Stunde, wo die Schlagschatten mit ihrer ganzen Ausdehnung prun¬ ken, kein Schutz, kein Bollwerk in der offenen Gegend zu erseh'n! und ich war nicht allein; ich warf einen Blick auf meinen Begleiter und erschrack wieder. -- Es war kein anderer als der Mann im grauen Rock.
Er lächelte über meine Bestürzung, und fuhr fort, ohne mich zum Wort kommen zu lassen: "Laßt uns doch, wie es einmal in der Welt Sitte ist, unsern wechselseitigen Vortheil uns auf eine Weile verbinden, zu scheiden haben wir immer noch Zeit. Die Strasse hier längs dem Gebirge, ob Sie gleich noch nicht daran gedacht haben, ist
und ich haͤtte mich ihm willig ergeben, wenn er meine Seele wie meinen Verſtand in Anſpruch genommen haͤtte.
Mittlerweile war die Zeit hingegangen, und unbemerkt hatte ſchon die Morgendaͤmmerung den Himmel erhellt; ich erſchrack, als ich mit einmal aufblickte, und im Oſten die Pracht der Farben ſich entfalten ſah, die die nahe Sonne verkuͤnden, und gegen ſie war in dieſer Stunde, wo die Schlagſchatten mit ihrer ganzen Ausdehnung prun¬ ken, kein Schutz, kein Bollwerk in der offenen Gegend zu erſeh'n! und ich war nicht allein; ich warf einen Blick auf meinen Begleiter und erſchrack wieder. — Es war kein anderer als der Mann im grauen Rock.
Er laͤchelte uͤber meine Beſtuͤrzung, und fuhr fort, ohne mich zum Wort kommen zu laſſen: “Laßt uns doch, wie es einmal in der Welt Sitte iſt, unſern wechſelſeitigen Vortheil uns auf eine Weile verbinden, zu ſcheiden haben wir immer noch Zeit. Die Straſſe hier laͤngs dem Gebirge, ob Sie gleich noch nicht daran gedacht haben, iſt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0113"n="93"/>
und ich haͤtte mich ihm willig ergeben, wenn er<lb/>
meine Seele wie meinen Verſtand in Anſpruch<lb/>
genommen haͤtte.</p><lb/><p>Mittlerweile war die Zeit hingegangen, und<lb/>
unbemerkt hatte ſchon die Morgendaͤmmerung den<lb/>
Himmel erhellt; ich erſchrack, als ich mit einmal<lb/>
aufblickte, und im Oſten die Pracht der Farben<lb/>ſich entfalten ſah, die die nahe Sonne verkuͤnden,<lb/>
und gegen ſie war in dieſer Stunde, wo die<lb/>
Schlagſchatten mit ihrer ganzen Ausdehnung prun¬<lb/>
ken, kein Schutz, kein Bollwerk in der offenen<lb/>
Gegend zu erſeh'n! und ich war nicht allein;<lb/>
ich warf einen Blick auf meinen Begleiter und<lb/>
erſchrack wieder. — Es war kein anderer als der<lb/>
Mann im grauen Rock.</p><lb/><p>Er laͤchelte uͤber meine Beſtuͤrzung, und fuhr<lb/>
fort, ohne mich zum Wort kommen zu laſſen:<lb/>“Laßt uns doch, wie es einmal in der Welt Sitte<lb/>
iſt, unſern wechſelſeitigen Vortheil uns auf eine<lb/>
Weile verbinden, zu ſcheiden haben wir immer<lb/>
noch Zeit. Die Straſſe hier laͤngs dem Gebirge,<lb/>
ob Sie gleich noch nicht daran gedacht haben, iſt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[93/0113]
und ich haͤtte mich ihm willig ergeben, wenn er
meine Seele wie meinen Verſtand in Anſpruch
genommen haͤtte.
Mittlerweile war die Zeit hingegangen, und
unbemerkt hatte ſchon die Morgendaͤmmerung den
Himmel erhellt; ich erſchrack, als ich mit einmal
aufblickte, und im Oſten die Pracht der Farben
ſich entfalten ſah, die die nahe Sonne verkuͤnden,
und gegen ſie war in dieſer Stunde, wo die
Schlagſchatten mit ihrer ganzen Ausdehnung prun¬
ken, kein Schutz, kein Bollwerk in der offenen
Gegend zu erſeh'n! und ich war nicht allein;
ich warf einen Blick auf meinen Begleiter und
erſchrack wieder. — Es war kein anderer als der
Mann im grauen Rock.
Er laͤchelte uͤber meine Beſtuͤrzung, und fuhr
fort, ohne mich zum Wort kommen zu laſſen:
“Laßt uns doch, wie es einmal in der Welt Sitte
iſt, unſern wechſelſeitigen Vortheil uns auf eine
Weile verbinden, zu ſcheiden haben wir immer
noch Zeit. Die Straſſe hier laͤngs dem Gebirge,
ob Sie gleich noch nicht daran gedacht haben, iſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]
Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten Exemplars aus der SBB-PK sind sechs Kupfer von George Cruikshank aus der 2. Aufl. (1827).
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/113>, abgerufen am 19.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.