Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.blassen Wangen. Sie setzte sich in einen Sessel, "Du bist mein gutes, liebes Kind, Du wirst mehr
blaſſen Wangen. Sie ſetzte ſich in einen Seſſel, “Du biſt mein gutes, liebes Kind, Du wirſt mehr
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0100" n="80"/> blaſſen Wangen. Sie ſetzte ſich in einen Seſſel,<lb/> der fuͤr ſie unter den Linden bereitet war, und ihr<lb/> Vater nahm einen Stuhl neben ihr. Er faßte<lb/> zaͤrtlich ihre Hand, und redete ſie, die heftiger zu<lb/> weinen anfing, mit zarten Worten an:</p><lb/> <p>“Du biſt mein gutes, liebes Kind, Du wirſt<lb/> auch vernuͤnftig ſeyn, wirſt nicht Deinen alten<lb/> Vater betruͤben wollen, der nur Dein Gluͤck will;<lb/> ich begreife es wohl, liebes Herz, daß es Dich ſehr<lb/> erſchuͤttert hat, Du biſt wunderbar Deinem Ungluͤck<lb/> entkommen! Bevor wir den ſchaͤndlichen Betrug<lb/> entdeckt, haſt Du dieſen Unwuͤrdigen ſehr geliebt;<lb/> ſiehe <hi rendition="#g">Mina</hi>, ich weiß es, und mache Dir keine<lb/> Vorwuͤrfe daruͤber. Ich ſelber, liebes Kind, ha¬<lb/> be ihn auch geliebt, ſo lange ich ihn fuͤr einen<lb/> großen Herrn angeſehen habe. Nun ſiehſt Du ſel¬<lb/> ber ein, wie anders Alles geworden. Was! ein<lb/> jeder Pudel hat ja ſeinen Schatten, und mein lie¬<lb/> bes einziges Kind ſollte einen Mann – – – Nein,<lb/> Du denkſt auch gar nicht mehr an ihn. — Hoͤre,<lb/><hi rendition="#g">Mina</hi>, nun wirbt ein Mann um Dich, der die<lb/> Sonne nicht ſcheut, ein geehrter Mann, der frei¬<lb/> lich kein Fuͤrſt iſt, aber zehn Millionen, zehnmal<lb/> <fw place="bottom" type="catch">mehr<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [80/0100]
blaſſen Wangen. Sie ſetzte ſich in einen Seſſel,
der fuͤr ſie unter den Linden bereitet war, und ihr
Vater nahm einen Stuhl neben ihr. Er faßte
zaͤrtlich ihre Hand, und redete ſie, die heftiger zu
weinen anfing, mit zarten Worten an:
“Du biſt mein gutes, liebes Kind, Du wirſt
auch vernuͤnftig ſeyn, wirſt nicht Deinen alten
Vater betruͤben wollen, der nur Dein Gluͤck will;
ich begreife es wohl, liebes Herz, daß es Dich ſehr
erſchuͤttert hat, Du biſt wunderbar Deinem Ungluͤck
entkommen! Bevor wir den ſchaͤndlichen Betrug
entdeckt, haſt Du dieſen Unwuͤrdigen ſehr geliebt;
ſiehe Mina, ich weiß es, und mache Dir keine
Vorwuͤrfe daruͤber. Ich ſelber, liebes Kind, ha¬
be ihn auch geliebt, ſo lange ich ihn fuͤr einen
großen Herrn angeſehen habe. Nun ſiehſt Du ſel¬
ber ein, wie anders Alles geworden. Was! ein
jeder Pudel hat ja ſeinen Schatten, und mein lie¬
bes einziges Kind ſollte einen Mann – – – Nein,
Du denkſt auch gar nicht mehr an ihn. — Hoͤre,
Mina, nun wirbt ein Mann um Dich, der die
Sonne nicht ſcheut, ein geehrter Mann, der frei¬
lich kein Fuͤrſt iſt, aber zehn Millionen, zehnmal
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