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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Die Erben.
"wirklich werden lässt", weil der Mensch, zum moralischen Wesen
ausgewachsen, es so will, jene göttliche Lehre, dass das Himmelreich
nicht mit äusserlichen Geberden kommt, sondern inwendig in uns liegt
wie ein verborgener Schatz1) -- -- -- alles das ist an diesem Manne
spurlos vorübergegangen; abseits von jenen rastlos eilenden Gewässern,
die zu dem grossen Strom des Ariertums zusammenfliessen, haben seine
Vorfahren seit undenklichen Zeiten gelebt, stolz auf ihre Eigenart,
organisch unfähig von jener anderen Art innerlich irgend etwas zu
erfahren. Und man glaube nicht, dass Ignatius in dieser Beziehung
eine vereinzelte Erscheinung sei! Europa zählt Hunderttausende von
Menschen, die unsere indoeuropäischen Sprachen reden, unsere Kleider
tragen, an unserem Leben sich beteiligen, sehr tüchtige Leute sind,
doch von uns Germanen ebenso geschieden, als bewohnten sie ein
anderes Gestirn; hier handelt es sich nicht um eine Kluft, wie die,
welche uns in so vielen Beziehungen vom Juden scheidet, über die
aber mancher Steg hinüber und herüber führt, sondern um eine Mauer,
welche, unübersteigbar, ein Land vom anderen trennt. Die ausnehmende
Bedeutung Loyola's liegt in seiner hervorragenden Charaktergrösse; in
einem solchen Manne erblicken wir darum das Ungermanische und das
notwendiger Weise Antigermanische klar und gross, d. h. in bedeutender
Gestalt, während es sonst, sei es durch scheinbare Geringfügigkeit, sei es
durch die Unbestimmtheit eines Mestizenwesens leicht übersehen oder,
wenn das nicht, doch schwer analysiert wird. Ich sagte "Charakter-
grösse", denn in der That, andere Grösse ist hier ausgeschlossen: wir
bemerken bei Loyola weder philosophische noch künstlerische Gedanken
und ebensowenig eigentliche Erfindungskraft; selbst seine Exercitia sind
in ihrer Anlage früheren Klosterübungen entlehnt2) und von ihm
lediglich "materialisiert" worden, und sein grosses Grundprinzip des
widerspruchslosen Gehorsams ist die von einem alten Soldaten durch-
geführte, gedankenlos rohe Übertragung einer militärischen Nottugend
auf geistiges Gebiet. Aus seiner organisatorischen und agitatorischen
Thätigkeit spricht feinste Schlauheit und genaue Kenntnis mittlerer
Menschencharaktere (sehr bedeutende oder originelle Leute schloss er
prinzipiell aus dem Orden aus!), doch nirgends Tiefe. Um Missver-
ständnisse und Missdeutungen abzuwenden, muss ich hinzufügen, dass
ich nicht daran denke, ihm als Absicht das zuzuschreiben, was als

1) Siehe S. 199, 200.
2) Siehe auch das oben Nachgetragene über den mohammedanischen Ein-
fluss auf die Abfassung der Exercitia.

Die Erben.
»wirklich werden lässt«, weil der Mensch, zum moralischen Wesen
ausgewachsen, es so will, jene göttliche Lehre, dass das Himmelreich
nicht mit äusserlichen Geberden kommt, sondern inwendig in uns liegt
wie ein verborgener Schatz1) — — — alles das ist an diesem Manne
spurlos vorübergegangen; abseits von jenen rastlos eilenden Gewässern,
die zu dem grossen Strom des Ariertums zusammenfliessen, haben seine
Vorfahren seit undenklichen Zeiten gelebt, stolz auf ihre Eigenart,
organisch unfähig von jener anderen Art innerlich irgend etwas zu
erfahren. Und man glaube nicht, dass Ignatius in dieser Beziehung
eine vereinzelte Erscheinung sei! Europa zählt Hunderttausende von
Menschen, die unsere indoeuropäischen Sprachen reden, unsere Kleider
tragen, an unserem Leben sich beteiligen, sehr tüchtige Leute sind,
doch von uns Germanen ebenso geschieden, als bewohnten sie ein
anderes Gestirn; hier handelt es sich nicht um eine Kluft, wie die,
welche uns in so vielen Beziehungen vom Juden scheidet, über die
aber mancher Steg hinüber und herüber führt, sondern um eine Mauer,
welche, unübersteigbar, ein Land vom anderen trennt. Die ausnehmende
Bedeutung Loyola’s liegt in seiner hervorragenden Charaktergrösse; in
einem solchen Manne erblicken wir darum das Ungermanische und das
notwendiger Weise Antigermanische klar und gross, d. h. in bedeutender
Gestalt, während es sonst, sei es durch scheinbare Geringfügigkeit, sei es
durch die Unbestimmtheit eines Mestizenwesens leicht übersehen oder,
wenn das nicht, doch schwer analysiert wird. Ich sagte »Charakter-
grösse«, denn in der That, andere Grösse ist hier ausgeschlossen: wir
bemerken bei Loyola weder philosophische noch künstlerische Gedanken
und ebensowenig eigentliche Erfindungskraft; selbst seine Exercitia sind
in ihrer Anlage früheren Klosterübungen entlehnt2) und von ihm
lediglich »materialisiert« worden, und sein grosses Grundprinzip des
widerspruchslosen Gehorsams ist die von einem alten Soldaten durch-
geführte, gedankenlos rohe Übertragung einer militärischen Nottugend
auf geistiges Gebiet. Aus seiner organisatorischen und agitatorischen
Thätigkeit spricht feinste Schlauheit und genaue Kenntnis mittlerer
Menschencharaktere (sehr bedeutende oder originelle Leute schloss er
prinzipiell aus dem Orden aus!), doch nirgends Tiefe. Um Missver-
ständnisse und Missdeutungen abzuwenden, muss ich hinzufügen, dass
ich nicht daran denke, ihm als Absicht das zuzuschreiben, was als

1) Siehe S. 199, 200.
2) Siehe auch das oben Nachgetragene über den mohammedanischen Ein-
fluss auf die Abfassung der Exercitia.
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[526/0549] Die Erben. »wirklich werden lässt«, weil der Mensch, zum moralischen Wesen ausgewachsen, es so will, jene göttliche Lehre, dass das Himmelreich nicht mit äusserlichen Geberden kommt, sondern inwendig in uns liegt wie ein verborgener Schatz 1) — — — alles das ist an diesem Manne spurlos vorübergegangen; abseits von jenen rastlos eilenden Gewässern, die zu dem grossen Strom des Ariertums zusammenfliessen, haben seine Vorfahren seit undenklichen Zeiten gelebt, stolz auf ihre Eigenart, organisch unfähig von jener anderen Art innerlich irgend etwas zu erfahren. Und man glaube nicht, dass Ignatius in dieser Beziehung eine vereinzelte Erscheinung sei! Europa zählt Hunderttausende von Menschen, die unsere indoeuropäischen Sprachen reden, unsere Kleider tragen, an unserem Leben sich beteiligen, sehr tüchtige Leute sind, doch von uns Germanen ebenso geschieden, als bewohnten sie ein anderes Gestirn; hier handelt es sich nicht um eine Kluft, wie die, welche uns in so vielen Beziehungen vom Juden scheidet, über die aber mancher Steg hinüber und herüber führt, sondern um eine Mauer, welche, unübersteigbar, ein Land vom anderen trennt. Die ausnehmende Bedeutung Loyola’s liegt in seiner hervorragenden Charaktergrösse; in einem solchen Manne erblicken wir darum das Ungermanische und das notwendiger Weise Antigermanische klar und gross, d. h. in bedeutender Gestalt, während es sonst, sei es durch scheinbare Geringfügigkeit, sei es durch die Unbestimmtheit eines Mestizenwesens leicht übersehen oder, wenn das nicht, doch schwer analysiert wird. Ich sagte »Charakter- grösse«, denn in der That, andere Grösse ist hier ausgeschlossen: wir bemerken bei Loyola weder philosophische noch künstlerische Gedanken und ebensowenig eigentliche Erfindungskraft; selbst seine Exercitia sind in ihrer Anlage früheren Klosterübungen entlehnt 2) und von ihm lediglich »materialisiert« worden, und sein grosses Grundprinzip des widerspruchslosen Gehorsams ist die von einem alten Soldaten durch- geführte, gedankenlos rohe Übertragung einer militärischen Nottugend auf geistiges Gebiet. Aus seiner organisatorischen und agitatorischen Thätigkeit spricht feinste Schlauheit und genaue Kenntnis mittlerer Menschencharaktere (sehr bedeutende oder originelle Leute schloss er prinzipiell aus dem Orden aus!), doch nirgends Tiefe. Um Missver- ständnisse und Missdeutungen abzuwenden, muss ich hinzufügen, dass ich nicht daran denke, ihm als Absicht das zuzuschreiben, was als 1) Siehe S. 199, 200. 2) Siehe auch das oben Nachgetragene über den mohammedanischen Ein- fluss auf die Abfassung der Exercitia.

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/549>, abgerufen am 23.11.2024.