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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Die Erben.
der Wissenschaft hier vornehmlich in der Aufdeckung unserer unbe-
schränkten Ignoranz und der Unzulänglichkeit aller bisherigen Hypo-
thesen bestanden hat, als dass ich die geringste Lust verspürte, jetzt,
wo jeder echte Gelehrte zu schweigen beginnt, nun meinerseits mit
dem Aufbauen neuer Luftschlösser fortzufahren. "Alles ist einfacher,
als man denken kann, zugleich verschränkter, als zu begreifen ist",
wie Goethe sagt. Inzwischen trafen wir verwandten Geist, verwandte
Gesinnung, verwandte Körperbildung an: das darf uns genügen. Wir
halten ein bestimmtes Etwas in der Hand, und da dieses Etwas nicht
eine Definition ist, sondern aus lebendigen Menschen besteht, so weise
ich auf diese Menschen hin, auf die echten Kelten, Germanen und
Slaven, damit man erfahre, was das Germanische sei.

Beschränkung
des Begriffes.

Hiermit hätte ich nun gezeigt, was unter der notwendigen Er-
weiterung des Begriffes "Germane" zu verstehen ist; worin besteht
aber die ebenfalls als notwendig von mir bezeichnete Beschränkung?
Auch hier wird die Antwort eine zwiefache sein, auf physische Eigen-
schaften einerseits und auf geistige andererseits sich beziehend; im
Grunde genommen sind dies aber lediglich verschiedene Erscheinungs-
arten desselben Dinges.

Das physische Moment darf nicht unterschätzt werden; es wäre
vielleicht schwer, so weit zu gehen, dass man es überschätzte. Warum,
das habe ich in der Abhandlung über die Rassenfrage im vorletzten
Kapitel darzuthun versucht; ausserdem gehört diese Erkenntnis zu jenen,
welche schon der blosse Instinkt, der dünnste Seidenfaden des Zusammen-
hanges mit dem Gewebe der Natur unmittelbar empfinden lässt, auch
ohne gelehrte Beweise. Denn wie die Ungleichheit der menschlichen
Individuen auf ihren Physiognomieen, so ist ebenfalls die Ungleichheit
der menschlichen Rassen in ihrem Knochenbau, in ihrer Hautfarbe,
in ihrer Muskulatur, in den Verhältnissen ihres Schädels zu lesen;
vielleicht giebt es keine einzige anatomische Thatsache des Körpers,
auf welche die Rasse nicht ihren besonderen, unterscheidenden Stempel
gedrückt hätte. Man weiss es ja, selbst die Nase, dieses bei uns
Menschen zu so frostiger Unbeweglichkeit erstarrte Organ, welches,
nach gewissen Schülern Darwin's, einer noch weiter reichenden Monu-
mentalisierung durch gänzliche Verknöcherung entgegengeht, selbst
die Nase, in dem Städteleben unseres 19. Jahrhunderts eher eine Ver-
mittlerin von Qualen als von Freuden, eine bloss lästige Zugabe,
steht von der Wiege bis zum Grabe im Mittelpunkte unseres Antlitzes
als Zeugin unsrer Rasse! Wir müssen also zunächst mit allem Nach-

Die Erben.
der Wissenschaft hier vornehmlich in der Aufdeckung unserer unbe-
schränkten Ignoranz und der Unzulänglichkeit aller bisherigen Hypo-
thesen bestanden hat, als dass ich die geringste Lust verspürte, jetzt,
wo jeder echte Gelehrte zu schweigen beginnt, nun meinerseits mit
dem Aufbauen neuer Luftschlösser fortzufahren. »Alles ist einfacher,
als man denken kann, zugleich verschränkter, als zu begreifen ist«,
wie Goethe sagt. Inzwischen trafen wir verwandten Geist, verwandte
Gesinnung, verwandte Körperbildung an: das darf uns genügen. Wir
halten ein bestimmtes Etwas in der Hand, und da dieses Etwas nicht
eine Definition ist, sondern aus lebendigen Menschen besteht, so weise
ich auf diese Menschen hin, auf die echten Kelten, Germanen und
Slaven, damit man erfahre, was das Germanische sei.

Beschränkung
des Begriffes.

Hiermit hätte ich nun gezeigt, was unter der notwendigen Er-
weiterung des Begriffes »Germane« zu verstehen ist; worin besteht
aber die ebenfalls als notwendig von mir bezeichnete Beschränkung?
Auch hier wird die Antwort eine zwiefache sein, auf physische Eigen-
schaften einerseits und auf geistige andererseits sich beziehend; im
Grunde genommen sind dies aber lediglich verschiedene Erscheinungs-
arten desselben Dinges.

Das physische Moment darf nicht unterschätzt werden; es wäre
vielleicht schwer, so weit zu gehen, dass man es überschätzte. Warum,
das habe ich in der Abhandlung über die Rassenfrage im vorletzten
Kapitel darzuthun versucht; ausserdem gehört diese Erkenntnis zu jenen,
welche schon der blosse Instinkt, der dünnste Seidenfaden des Zusammen-
hanges mit dem Gewebe der Natur unmittelbar empfinden lässt, auch
ohne gelehrte Beweise. Denn wie die Ungleichheit der menschlichen
Individuen auf ihren Physiognomieen, so ist ebenfalls die Ungleichheit
der menschlichen Rassen in ihrem Knochenbau, in ihrer Hautfarbe,
in ihrer Muskulatur, in den Verhältnissen ihres Schädels zu lesen;
vielleicht giebt es keine einzige anatomische Thatsache des Körpers,
auf welche die Rasse nicht ihren besonderen, unterscheidenden Stempel
gedrückt hätte. Man weiss es ja, selbst die Nase, dieses bei uns
Menschen zu so frostiger Unbeweglichkeit erstarrte Organ, welches,
nach gewissen Schülern Darwin’s, einer noch weiter reichenden Monu-
mentalisierung durch gänzliche Verknöcherung entgegengeht, selbst
die Nase, in dem Städteleben unseres 19. Jahrhunderts eher eine Ver-
mittlerin von Qualen als von Freuden, eine bloss lästige Zugabe,
steht von der Wiege bis zum Grabe im Mittelpunkte unseres Antlitzes
als Zeugin unsrer Rasse! Wir müssen also zunächst mit allem Nach-

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[482/0505] Die Erben. der Wissenschaft hier vornehmlich in der Aufdeckung unserer unbe- schränkten Ignoranz und der Unzulänglichkeit aller bisherigen Hypo- thesen bestanden hat, als dass ich die geringste Lust verspürte, jetzt, wo jeder echte Gelehrte zu schweigen beginnt, nun meinerseits mit dem Aufbauen neuer Luftschlösser fortzufahren. »Alles ist einfacher, als man denken kann, zugleich verschränkter, als zu begreifen ist«, wie Goethe sagt. Inzwischen trafen wir verwandten Geist, verwandte Gesinnung, verwandte Körperbildung an: das darf uns genügen. Wir halten ein bestimmtes Etwas in der Hand, und da dieses Etwas nicht eine Definition ist, sondern aus lebendigen Menschen besteht, so weise ich auf diese Menschen hin, auf die echten Kelten, Germanen und Slaven, damit man erfahre, was das Germanische sei. Hiermit hätte ich nun gezeigt, was unter der notwendigen Er- weiterung des Begriffes »Germane« zu verstehen ist; worin besteht aber die ebenfalls als notwendig von mir bezeichnete Beschränkung? Auch hier wird die Antwort eine zwiefache sein, auf physische Eigen- schaften einerseits und auf geistige andererseits sich beziehend; im Grunde genommen sind dies aber lediglich verschiedene Erscheinungs- arten desselben Dinges. Das physische Moment darf nicht unterschätzt werden; es wäre vielleicht schwer, so weit zu gehen, dass man es überschätzte. Warum, das habe ich in der Abhandlung über die Rassenfrage im vorletzten Kapitel darzuthun versucht; ausserdem gehört diese Erkenntnis zu jenen, welche schon der blosse Instinkt, der dünnste Seidenfaden des Zusammen- hanges mit dem Gewebe der Natur unmittelbar empfinden lässt, auch ohne gelehrte Beweise. Denn wie die Ungleichheit der menschlichen Individuen auf ihren Physiognomieen, so ist ebenfalls die Ungleichheit der menschlichen Rassen in ihrem Knochenbau, in ihrer Hautfarbe, in ihrer Muskulatur, in den Verhältnissen ihres Schädels zu lesen; vielleicht giebt es keine einzige anatomische Thatsache des Körpers, auf welche die Rasse nicht ihren besonderen, unterscheidenden Stempel gedrückt hätte. Man weiss es ja, selbst die Nase, dieses bei uns Menschen zu so frostiger Unbeweglichkeit erstarrte Organ, welches, nach gewissen Schülern Darwin’s, einer noch weiter reichenden Monu- mentalisierung durch gänzliche Verknöcherung entgegengeht, selbst die Nase, in dem Städteleben unseres 19. Jahrhunderts eher eine Ver- mittlerin von Qualen als von Freuden, eine bloss lästige Zugabe, steht von der Wiege bis zum Grabe im Mittelpunkte unseres Antlitzes als Zeugin unsrer Rasse! Wir müssen also zunächst mit allem Nach-

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/505>, abgerufen am 23.11.2024.