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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
Regeln für Handel und Wandel (namentlich im Traktat Pirke Aboth,
d. h. Sprüche der Väter) als er vielleicht vermutet, doch weist die
gesamte Weltlitteratur nichts so trostlos ödes, so kindisch langweiliges,
so gründlich von dem Wüstenstaub absolutester Sterilität zugeschüttetes
auf, wie diese Sammlung der weisesten Diskussionen, die Jahrhunderte
hindurch über die Thora unter Juden gepflegt wurden.1) Und dieses

1) Beispiele lehren mehr als Meinungsäusserungen. Zum Glauben an Gottes
Allmacht: "Rabbi Janai fürchtete sich so vor Ungeziefer, dass er vier Gefässe mit
Wasser unter die Füsse seines Bettes stellte. Einmal streckte er seine Hand aus
und fand Ungeziefer im Bett; da sprach er mit Hinweis auf Psalm CXVI, 6:
Hebt das Bett von den Gefässen auf, ich verlasse mich auf die göttliche Obhut"
(Traktat Terumoth VIII, 3, 30a). Zur biblischen Exegese: "Rabbi Ismael hat ge-
lehrt -- es heisst Leviticus XIV, 9: ,Am siebenten Tage schere er all sein
Haar, sein Haupt und seinen Bart, seine Augenbrauen und all sein Haar soll er
cheren'; all sein Haar, das ist generell; sein Haupt, sein Bart, seine Augen-s
brauen, das ist speziell, und sein Haar, das ist wieder generell. Bei Gene-
rellem, Speziellem und Generellem lautet die Norm, dass du bloss das erweisen
kannst, was dem Speziellen ähnlich ist, d. h. sowie das Spezielle ein Ort ist, welcher
eine Sammlung Haare in sich begreift, so muss auch das Generelle ein Ort sein, welcher
eine solche Sammlung von Haaren in sich begreift" (Tr. Kidduschin, I, 2, 9a). Zum
Gesetz: "Rabbi Pinchas kam an einen Ort, wo die Leute vor ihm klagten, dass
die Mäuse ihr Getreide frässen. Er gewöhnte die Mäuse auf seinen Ruf zu hören;
sie versammelten sich vor ihm und fingen an zu wispern. Versteht ihr, sprach
der Rabbi zu den Leuten, was sie sprechen? Nein! war ihre Antwort. Sie sagen
nämlich, dass ihr euer Getreide nicht verzehntet. Darauf sprachen die Leute, wir
sind dir verpflichtet, dass du uns auf bessere Wege gebracht hast. Seitdem richteten
die Mäuse keinen Schaden mehr an." (Tr. Demai, I, 3, 3b). Zur Erkenntnis der Natur:
"Nach Rabbi Juda beträgt die Dicke des Himmels einen Weg von 50 Jahren, und
da ein Mensch von mittleren Kräften in einem Tage 40 Mil und bis die Sonne
durch den Himmel bricht 4 Mil weit gehen kann, so folgt daraus, dass die Zeit des
Durchbruches durch den Himmel den zehnten Teil von einem Tage beträgt. Wie dick
aber der Himmel ist, so dick ist auch die Erde und der Abgrund. Der Beweis (!)
wird aus Jesaia XL, 20, Hi. XXII, 14 und Prov. VIII, 27 genommen" (Tr. Berachoth
I, 1, 4 b). Zum täglichen Leben: "Rabbi bar Huna frühstückte nicht, ehe er sein
Kind in das Schulhaus geführt hatte" (Tr. Kidduschin, Abschn. I). -- Dass man
inmitten des talmudischen Wustes manche schöne Sprüche findet, muss andrerseits
hervorgehoben werden, aber mit dem Zusatz, dass diese Sprüche einzig auf Moral
sich beziehen; schöne Gedanken enthalten diese Sammlungen nicht, überhaupt
fast nichts, was mit einem Gedanken auch nur Familienähnlichkeit hätte. Und
auch die schönen moralischen Sprüche gleichen gar zu oft den Gedichten Heine's:
das Ende verdirbt den Anfang. Ein Beispiel: "Ein Mensch vermehre den Frieden
mit seinen Brüdern und Verwandten und mit jedem Menschen, selbst mit einem
Fremdling auf der Strasse" -- bis hierher kann kein Pfarrer auf der Kanzel
bessere Ratschläge geben; aber nun das Warum, da pflegt es bei den Juden zu
hapern (siehe S. 426): "damit er beliebt sei oben und angenehm unten:" (Traktat

Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
Regeln für Handel und Wandel (namentlich im Traktat Pirke Aboth,
d. h. Sprüche der Väter) als er vielleicht vermutet, doch weist die
gesamte Weltlitteratur nichts so trostlos ödes, so kindisch langweiliges,
so gründlich von dem Wüstenstaub absolutester Sterilität zugeschüttetes
auf, wie diese Sammlung der weisesten Diskussionen, die Jahrhunderte
hindurch über die Thora unter Juden gepflegt wurden.1) Und dieses

1) Beispiele lehren mehr als Meinungsäusserungen. Zum Glauben an Gottes
Allmacht: »Rabbi Janai fürchtete sich so vor Ungeziefer, dass er vier Gefässe mit
Wasser unter die Füsse seines Bettes stellte. Einmal streckte er seine Hand aus
und fand Ungeziefer im Bett; da sprach er mit Hinweis auf Psalm CXVI, 6:
Hebt das Bett von den Gefässen auf, ich verlasse mich auf die göttliche Obhut«
(Traktat Terumoth VIII, 3, 30a). Zur biblischen Exegese: »Rabbi Ismael hat ge-
lehrt — es heisst Leviticus XIV, 9: ‚Am siebenten Tage schere er all sein
Haar, sein Haupt und seinen Bart, seine Augenbrauen und all sein Haar soll er
cheren‘; all sein Haar, das ist generell; sein Haupt, sein Bart, seine Augen-s
brauen, das ist speziell, und sein Haar, das ist wieder generell. Bei Gene-
rellem, Speziellem und Generellem lautet die Norm, dass du bloss das erweisen
kannst, was dem Speziellen ähnlich ist, d. h. sowie das Spezielle ein Ort ist, welcher
eine Sammlung Haare in sich begreift, so muss auch das Generelle ein Ort sein, welcher
eine solche Sammlung von Haaren in sich begreift« (Tr. Kidduschin, I, 2, 9a). Zum
Gesetz: »Rabbi Pinchas kam an einen Ort, wo die Leute vor ihm klagten, dass
die Mäuse ihr Getreide frässen. Er gewöhnte die Mäuse auf seinen Ruf zu hören;
sie versammelten sich vor ihm und fingen an zu wispern. Versteht ihr, sprach
der Rabbi zu den Leuten, was sie sprechen? Nein! war ihre Antwort. Sie sagen
nämlich, dass ihr euer Getreide nicht verzehntet. Darauf sprachen die Leute, wir
sind dir verpflichtet, dass du uns auf bessere Wege gebracht hast. Seitdem richteten
die Mäuse keinen Schaden mehr an.« (Tr. Demai, I, 3, 3b). Zur Erkenntnis der Natur:
»Nach Rabbi Juda beträgt die Dicke des Himmels einen Weg von 50 Jahren, und
da ein Mensch von mittleren Kräften in einem Tage 40 Mil und bis die Sonne
durch den Himmel bricht 4 Mil weit gehen kann, so folgt daraus, dass die Zeit des
Durchbruches durch den Himmel den zehnten Teil von einem Tage beträgt. Wie dick
aber der Himmel ist, so dick ist auch die Erde und der Abgrund. Der Beweis (!)
wird aus Jesaia XL, 20, Hi. XXII, 14 und Prov. VIII, 27 genommen« (Tr. Berachoth
I, 1, 4 b). Zum täglichen Leben: »Rabbi bar Huna frühstückte nicht, ehe er sein
Kind in das Schulhaus geführt hatte« (Tr. Kidduschin, Abschn. I). — Dass man
inmitten des talmudischen Wustes manche schöne Sprüche findet, muss andrerseits
hervorgehoben werden, aber mit dem Zusatz, dass diese Sprüche einzig auf Moral
sich beziehen; schöne Gedanken enthalten diese Sammlungen nicht, überhaupt
fast nichts, was mit einem Gedanken auch nur Familienähnlichkeit hätte. Und
auch die schönen moralischen Sprüche gleichen gar zu oft den Gedichten Heine’s:
das Ende verdirbt den Anfang. Ein Beispiel: »Ein Mensch vermehre den Frieden
mit seinen Brüdern und Verwandten und mit jedem Menschen, selbst mit einem
Fremdling auf der Strasse« — bis hierher kann kein Pfarrer auf der Kanzel
bessere Ratschläge geben; aber nun das Warum, da pflegt es bei den Juden zu
hapern (siehe S. 426): »damit er beliebt sei oben und angenehm unten:« (Traktat
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[443/0466] Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte. Regeln für Handel und Wandel (namentlich im Traktat Pirke Aboth, d. h. Sprüche der Väter) als er vielleicht vermutet, doch weist die gesamte Weltlitteratur nichts so trostlos ödes, so kindisch langweiliges, so gründlich von dem Wüstenstaub absolutester Sterilität zugeschüttetes auf, wie diese Sammlung der weisesten Diskussionen, die Jahrhunderte hindurch über die Thora unter Juden gepflegt wurden. 1) Und dieses 1) Beispiele lehren mehr als Meinungsäusserungen. Zum Glauben an Gottes Allmacht: »Rabbi Janai fürchtete sich so vor Ungeziefer, dass er vier Gefässe mit Wasser unter die Füsse seines Bettes stellte. Einmal streckte er seine Hand aus und fand Ungeziefer im Bett; da sprach er mit Hinweis auf Psalm CXVI, 6: Hebt das Bett von den Gefässen auf, ich verlasse mich auf die göttliche Obhut« (Traktat Terumoth VIII, 3, 30a). Zur biblischen Exegese: »Rabbi Ismael hat ge- lehrt — es heisst Leviticus XIV, 9: ‚Am siebenten Tage schere er all sein Haar, sein Haupt und seinen Bart, seine Augenbrauen und all sein Haar soll er cheren‘; all sein Haar, das ist generell; sein Haupt, sein Bart, seine Augen-s brauen, das ist speziell, und sein Haar, das ist wieder generell. Bei Gene- rellem, Speziellem und Generellem lautet die Norm, dass du bloss das erweisen kannst, was dem Speziellen ähnlich ist, d. h. sowie das Spezielle ein Ort ist, welcher eine Sammlung Haare in sich begreift, so muss auch das Generelle ein Ort sein, welcher eine solche Sammlung von Haaren in sich begreift« (Tr. Kidduschin, I, 2, 9a). Zum Gesetz: »Rabbi Pinchas kam an einen Ort, wo die Leute vor ihm klagten, dass die Mäuse ihr Getreide frässen. Er gewöhnte die Mäuse auf seinen Ruf zu hören; sie versammelten sich vor ihm und fingen an zu wispern. Versteht ihr, sprach der Rabbi zu den Leuten, was sie sprechen? Nein! war ihre Antwort. Sie sagen nämlich, dass ihr euer Getreide nicht verzehntet. Darauf sprachen die Leute, wir sind dir verpflichtet, dass du uns auf bessere Wege gebracht hast. Seitdem richteten die Mäuse keinen Schaden mehr an.« (Tr. Demai, I, 3, 3b). Zur Erkenntnis der Natur: »Nach Rabbi Juda beträgt die Dicke des Himmels einen Weg von 50 Jahren, und da ein Mensch von mittleren Kräften in einem Tage 40 Mil und bis die Sonne durch den Himmel bricht 4 Mil weit gehen kann, so folgt daraus, dass die Zeit des Durchbruches durch den Himmel den zehnten Teil von einem Tage beträgt. Wie dick aber der Himmel ist, so dick ist auch die Erde und der Abgrund. Der Beweis (!) wird aus Jesaia XL, 20, Hi. XXII, 14 und Prov. VIII, 27 genommen« (Tr. Berachoth I, 1, 4 b). Zum täglichen Leben: »Rabbi bar Huna frühstückte nicht, ehe er sein Kind in das Schulhaus geführt hatte« (Tr. Kidduschin, Abschn. I). — Dass man inmitten des talmudischen Wustes manche schöne Sprüche findet, muss andrerseits hervorgehoben werden, aber mit dem Zusatz, dass diese Sprüche einzig auf Moral sich beziehen; schöne Gedanken enthalten diese Sammlungen nicht, überhaupt fast nichts, was mit einem Gedanken auch nur Familienähnlichkeit hätte. Und auch die schönen moralischen Sprüche gleichen gar zu oft den Gedichten Heine’s: das Ende verdirbt den Anfang. Ein Beispiel: »Ein Mensch vermehre den Frieden mit seinen Brüdern und Verwandten und mit jedem Menschen, selbst mit einem Fremdling auf der Strasse« — bis hierher kann kein Pfarrer auf der Kanzel bessere Ratschläge geben; aber nun das Warum, da pflegt es bei den Juden zu hapern (siehe S. 426): »damit er beliebt sei oben und angenehm unten:« (Traktat

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/466>, abgerufen am 22.11.2024.