Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.2. Kenntniß des thierischen Baues. der Beobachtung mehr Glauben schenken soll als der Theorie81). Hier-aus darf man aber nicht schließen, daß Aristoteles ganz im Empiris- mus aufgegangen wäre. Vielmehr liegt hier nur die Andeutung vor, daß das Wissen durch Speculation zu erweitern, diese aber so weit als möglich durch sinnliche Wahrnehmung zu bestätigen sei82). Noch in einer anderen Weise greift Aristoteles bei der Betrachtung 81) de gener. anim. III, 10, 101. Lewes führt noch andere Stellen ähn- lichen Sinnes an in seinem Buche: Aristoteles. (Uebersetzung) S. 111. s. auch J. B. Meyer, Aristoteles' Thierkunde. Berlin, 1855. S. 508. 82) So sagt er ausdrücklich z. B. de partibus III, 4, 666a: ou monon de kata ton logon outos ekhein phainetai, alla kai kata ten aisthesin. 83) Schon aus Stellen, wie de partibus II, 1, 646 a. b. (to men oun khrono proteran ten ulen anagkaion einai kai ten genesin, to logo de ten ousian V. Carus, Gesch. d. Zool. 5
2. Kenntniß des thieriſchen Baues. der Beobachtung mehr Glauben ſchenken ſoll als der Theorie81). Hier-aus darf man aber nicht ſchließen, daß Ariſtoteles ganz im Empiris- mus aufgegangen wäre. Vielmehr liegt hier nur die Andeutung vor, daß das Wiſſen durch Speculation zu erweitern, dieſe aber ſo weit als möglich durch ſinnliche Wahrnehmung zu beſtätigen ſei82). Noch in einer anderen Weiſe greift Ariſtoteles bei der Betrachtung 81) de gener. anim. III, 10, 101. Lewes führt noch andere Stellen ähn- lichen Sinnes an in ſeinem Buche: Ariſtoteles. (Ueberſetzung) S. 111. ſ. auch J. B. Meyer, Ariſtoteles' Thierkunde. Berlin, 1855. S. 508. 82) So ſagt er ausdrücklich z. B. de partibus III, 4, 666a: οὐ μόνον δὲ κατὰ τὸν λόγον οὕτως ἔχειν φαίνεται, ἀλλὰ καὶ κατὰ τὴν αἴσθησιν. 83) Schon aus Stellen, wie de partibus II, 1, 646 a. b. (τῷ μὲν οὖν χρόνῳ προτέραν τὴν ὕλην ἀναγκαῖον εἶναι καὶ τὴν γένεσιν, τῷ λόγῳ δὲ τὴν οὐσίαν V. Carus, Geſch. d. Zool. 5
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2. Kenntniß des thieriſchen Baues.
der Beobachtung mehr Glauben ſchenken ſoll als der Theorie 81). Hier-
aus darf man aber nicht ſchließen, daß Ariſtoteles ganz im Empiris-
mus aufgegangen wäre. Vielmehr liegt hier nur die Andeutung vor,
daß das Wiſſen durch Speculation zu erweitern, dieſe aber ſo weit als
möglich durch ſinnliche Wahrnehmung zu beſtätigen ſei 82).
Noch in einer anderen Weiſe greift Ariſtoteles bei der Betrachtung
lebender Weſen über das ſinnlich Wahrnehmbare hinaus und geräth
damit in Gefahr, von der Erklärung derſelben völlig abgezogen zu wer-
den. Es iſt der hier zu erwähnende Punkt deshalb von geſchichtlichem
Intereſſe, als manche jetzt freilich wohl nur noch in formell verſchiedener
Weiſe gebrauchte Ausdrücke, wie Lebenskraft, Typus u. a., lange Zeit
ziemlich genau in einer der Ariſtoteliſchen Auffaſſung des Beſeeltſeins
entſprechenden Deutung angewendet wurden. Ariſtoteles theilt nämlich
die Naturkörper in beſeelte und unbeſeelte. Das Beſeelte iſt das Ge-
formte, Lebendige. Wäre das Beſeeltſein nur das weſentliche Merkmal
der beſeelten Körper im formal-logiſchen Sinne der Definition (alſo
ein ἴδιον Ariſtoteles'), ſo würde natürlich nichts dagegen einzuwenden
ſein. Bei näherer Beſtimmung des Begriffs Seele wird derſelbe aber
als Entelechie der lebensfähigen Materie hingeſtellt. Da nun die ver-
ſchiedenen Formen des Beſeeltſeins (Pflanze, Thier, Menſch) auf ver-
ſchiedene Vermögen zurückgeführt werden, denen ebenſoviele Entelechien
entſprechen, ſo löſt ſich der Begriff der letztern von der Betrachtung
des Stoffes leicht ab und verleitet noch mehr, als es ſchon die Begriffe
der Möglichkeit und Wirklichkeit thun, dazu, die Seele (oder Form oder
Lebenskraft) als immateriellen, außerhalb der Natur ſtehenden Grund
der Belebung zu betrachten. Es iſt indeß wohl nichts weiter nöthig,
als auf dieſen aus Ariſtoteles formalem Standpunkt zu erklärenden
Umſtand hinzuweiſen 83).
81) de gener. anim. III, 10, 101. Lewes führt noch andere Stellen ähn-
lichen Sinnes an in ſeinem Buche: Ariſtoteles. (Ueberſetzung) S. 111. ſ. auch
J. B. Meyer, Ariſtoteles' Thierkunde. Berlin, 1855. S. 508.
82) So ſagt er ausdrücklich z. B. de partibus III, 4, 666a: οὐ μόνον δὲ
κατὰ τὸν λόγον οὕτως ἔχειν φαίνεται, ἀλλὰ καὶ κατὰ τὴν αἴσθησιν.
83) Schon aus Stellen, wie de partibus II, 1, 646 a. b. (τῷ μὲν οὖν χρόνῳ
προτέραν τὴν ὕλην ἀναγκαῖον εἶναι καὶ τὴν γένεσιν, τῷ λόγῳ δὲ τὴν οὐσίαν
V. Carus, Geſch. d. Zool. 5
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