Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Zoologische Kenntnisse des Alterthums. Nicht mit Unrecht hat man nun aber bei Aristoteles nicht bloß den kai ten ekastou morphen) geht hervor, daß Aristoteles unter der Form das im-
materielle Bild versteht, nach welchem die Materie sich ordnet, da er unmittelbar darauf sagt, daß der logos des Hausbauers den logos des Hauses enthalte. Noch deutlicher wird dies durch solche Stellen, wie de partibus I, 1, 641a: oste kai outos an lekteon eie to peri phuseos theoretiko peri psukhes mallon e peri tes ules, oso mallon e ule di ekeinen phusis estin e anapalin. Was das di ekeinen heißt, wird klar, wenn gleich die nächsten Worte sagen: kai gar kline kai tripous to xulon estin, oti dunamei tauta estin, wo v. Frantzius falsch übersetzt "weil es durch [Künstlers] Kraft das ist", während schon Gaza richtig wiedergibt: quia idem potentia illa est. Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums. Nicht mit Unrecht hat man nun aber bei Ariſtoteles nicht bloß den καὶ τὴν ἑκάστου μορφήν) geht hervor, daß Ariſtoteles unter der Form das im-
materielle Bild verſteht, nach welchem die Materie ſich ordnet, da er unmittelbar darauf ſagt, daß der λόγος des Hausbauers den λόγος des Hauſes enthalte. Noch deutlicher wird dies durch ſolche Stellen, wie de partibus I, 1, 641a: ὥστε καὶ οὕτως ἂν λεκτέον εἴη τῷ περὶ φύσεως θεωρητικῷ περὶ ψυχῆς μᾶλλον ἢ περὶ τῆς ὕλης, ὅσῳ μᾶλλον ἡ ὕλη δἰ ἐκείνην φύσις ἐστὶν ἢ ἀνάπαλιν. Was das δἰ ἐκείνην heißt, wird klar, wenn gleich die nächſten Worte ſagen: καὶ γὰρ κλίνη καὶ τρίπους τὸ ξύλον ἐστίν, ὅτι δυνάμει ταῦτά ἐστιν, wo v. Frantzius falſch überſetzt „weil es durch [Künſtlers] Kraft das iſt“, während ſchon Gaza richtig wiedergibt: quia idem potentia illa est. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0077" n="66"/> <fw place="top" type="header">Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.</fw><lb/> <p>Nicht mit Unrecht hat man nun aber bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> nicht bloß den<lb/> wiſſenſchaftlichen Gehalt ſeiner zahlreichen die Thiere betreffenden<lb/> Schriften bewundert, ſondern beſonders auch den Reichthum der letz-<lb/> teren an Einzelangaben über ſo viele Thiere namentlich der höheren<lb/> Claſſen. Es iſt daher von je, wenigſtens von der Römerzeit an, ſowohl<lb/> von Zoologen als von Biographen des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> der Verſuch gemacht<lb/> worden, das außerordentlich reiche Material, über welches er geboten<lb/> zu haben ſcheint, zu erklären. Zu bedauern iſt dabei, daß von gleich-<lb/> zeitigen Schriftſtellern nichts erwähnt worden iſt, was Licht auf dieſe<lb/> Frage werfen könnte. Die beiden Angaben, welche am meiſten ver-<lb/> breitet ſind und meiſt ohne Bedenken für wahr, wenigſtens in der<lb/> Hauptſache, gehalten werden, rühren von Schriftſtellern her, von wel-<lb/> chen der eine vierhundert, der andere fünfhundert Jahre nach dem Tode<lb/> des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> gelebt hat. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118595083">Plinius</persName> erzählt, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118501828">Alexander</persName> habe einige Tau-<lb/> ſend Menſchen unter den Befehl des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> geſtellt, um ihm aus<lb/> ganz Aſien und Griechenland alle möglichen Mittheilungen naturge-<lb/> ſchichtlicher Art zu machen, damit ihm nichts in der ganzen Welt unbe-<lb/> kannt bleibe. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650815">Athenaeus</persName> dagegen führt an, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118501828">Alexander</persName> habe dem Stagi-<lb/> riten achthundert Talente geſchenkt. Was das erſte betrifft, ſo iſt an und<lb/> für ſich die Beauftragung einer Menge Leute, welche Gelegenheit hat-<lb/> ten, Thiere zu beobachten oder zu fangen, mit der beſtimmten Aufgabe,<lb/> alles Mögliche an <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> mitzutheilen oder zu ſchicken, immerhin<lb/> ganz wahrſcheinlich. Nur muß man dabei Aſien weglaſſen. Denn ein-<lb/> mal iſt ziemlich ſicher, daß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> an der Niederſchrift ſeiner Bü-<lb/> cher über Thiere bereits in Makedonien gearbeitet und daß er ſie bei<lb/><note xml:id="seg2pn_7_2" prev="#seg2pn_7_1" place="foot" n="83)">καὶ τὴν ἑκάστου μορφήν) geht hervor, daß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> unter der Form das im-<lb/> materielle Bild verſteht, nach welchem die Materie ſich ordnet, da er unmittelbar<lb/> darauf ſagt, daß der λόγος des Hausbauers den λόγος des Hauſes enthalte. Noch<lb/> deutlicher wird dies durch ſolche Stellen, wie <hi rendition="#aq">de partibus I, 1, 641a:</hi> ὥστε καὶ<lb/> οὕτως ἂν λεκτέον εἴη τῷ περὶ φύσεως θεωρητικῷ περὶ ψυχῆς μᾶλλον ἢ<lb/> περὶ τῆς ὕλης, ὅσῳ μᾶλλον ἡ ὕλη δἰ ἐκείνην φύσις ἐστὶν ἢ ἀνάπαλιν. Was<lb/> das δἰ ἐκείνην heißt, wird klar, wenn gleich die nächſten Worte ſagen: καὶ γὰρ<lb/> κλίνη καὶ τρίπους τὸ ξύλον ἐστίν, ὅτι δυνάμει ταῦτά ἐστιν, wo <persName ref="http://d-nb.info/gnd/10311758X">v. <hi rendition="#g">Frantzius</hi></persName><lb/> falſch überſetzt „weil es durch [Künſtlers] Kraft das iſt“, während ſchon <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11882497X">Gaza</persName> richtig<lb/> wiedergibt: <hi rendition="#aq">quia idem potentia illa est.</hi></note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0077]
Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
Nicht mit Unrecht hat man nun aber bei Ariſtoteles nicht bloß den
wiſſenſchaftlichen Gehalt ſeiner zahlreichen die Thiere betreffenden
Schriften bewundert, ſondern beſonders auch den Reichthum der letz-
teren an Einzelangaben über ſo viele Thiere namentlich der höheren
Claſſen. Es iſt daher von je, wenigſtens von der Römerzeit an, ſowohl
von Zoologen als von Biographen des Ariſtoteles der Verſuch gemacht
worden, das außerordentlich reiche Material, über welches er geboten
zu haben ſcheint, zu erklären. Zu bedauern iſt dabei, daß von gleich-
zeitigen Schriftſtellern nichts erwähnt worden iſt, was Licht auf dieſe
Frage werfen könnte. Die beiden Angaben, welche am meiſten ver-
breitet ſind und meiſt ohne Bedenken für wahr, wenigſtens in der
Hauptſache, gehalten werden, rühren von Schriftſtellern her, von wel-
chen der eine vierhundert, der andere fünfhundert Jahre nach dem Tode
des Ariſtoteles gelebt hat. Plinius erzählt, Alexander habe einige Tau-
ſend Menſchen unter den Befehl des Ariſtoteles geſtellt, um ihm aus
ganz Aſien und Griechenland alle möglichen Mittheilungen naturge-
ſchichtlicher Art zu machen, damit ihm nichts in der ganzen Welt unbe-
kannt bleibe. Athenaeus dagegen führt an, Alexander habe dem Stagi-
riten achthundert Talente geſchenkt. Was das erſte betrifft, ſo iſt an und
für ſich die Beauftragung einer Menge Leute, welche Gelegenheit hat-
ten, Thiere zu beobachten oder zu fangen, mit der beſtimmten Aufgabe,
alles Mögliche an Ariſtoteles mitzutheilen oder zu ſchicken, immerhin
ganz wahrſcheinlich. Nur muß man dabei Aſien weglaſſen. Denn ein-
mal iſt ziemlich ſicher, daß Ariſtoteles an der Niederſchrift ſeiner Bü-
cher über Thiere bereits in Makedonien gearbeitet und daß er ſie bei
83)
83) καὶ τὴν ἑκάστου μορφήν) geht hervor, daß Ariſtoteles unter der Form das im-
materielle Bild verſteht, nach welchem die Materie ſich ordnet, da er unmittelbar
darauf ſagt, daß der λόγος des Hausbauers den λόγος des Hauſes enthalte. Noch
deutlicher wird dies durch ſolche Stellen, wie de partibus I, 1, 641a: ὥστε καὶ
οὕτως ἂν λεκτέον εἴη τῷ περὶ φύσεως θεωρητικῷ περὶ ψυχῆς μᾶλλον ἢ
περὶ τῆς ὕλης, ὅσῳ μᾶλλον ἡ ὕλη δἰ ἐκείνην φύσις ἐστὶν ἢ ἀνάπαλιν. Was
das δἰ ἐκείνην heißt, wird klar, wenn gleich die nächſten Worte ſagen: καὶ γὰρ
κλίνη καὶ τρίπους τὸ ξύλον ἐστίν, ὅτι δυνάμει ταῦτά ἐστιν, wo v. Frantzius
falſch überſetzt „weil es durch [Künſtlers] Kraft das iſt“, während ſchon Gaza richtig
wiedergibt: quia idem potentia illa est.
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