Gleichzeitig mit Meckel wirkte Carl Asmund Rudolphi, welcher, 1810 nach Berlin berufen, dort "das zootomische Museum von Grund aus schuf" und dem Studium der vergleichenden Anatomie einen mächtigen Impuls gab. Er war 1777 in Stockholm von deutschen Eltern geboren, studirte in Greifswald, wurde dort 1793 und 1795 auf Grund zweier Dissertationen über Eingeweidewürmer Doctor der Philosophie und der Medicin und 1808 ordentlicher Professor. Schon in diese frühere Zeit fallen die wichtigen, seinen Ruhm vorzüglich be- gründenden Arbeiten über Helminthen und die Anatomie der Pflanzen, sowie die anatomisch-physiologischen Abhandlungen, in denen er mehrere zootomische Thatsachen mittheilte. Später hat er sich nur mit Anatomie der Wirbelthiere beschäftigt, wie auch die zahlreichen unter seiner Lei- tung oder auf seine Veranlassung geschriebenen Dissertationen nur Gegenstände der Wirbelthieranatomie behandeln19). Rudolph war auch Johannes Müller's Lehrer, welcher ausdrücklich erklärt, daß Rudolph die Neigung zur Anatomie bei ihm für immer entschieden habe. -- Auch Ernst Heinrich Weber (geb. 1795), dessen vorzüglichste bahn- brechende Arbeiten einem andern Gebiete angehören, hat (er war an- fangs Carus' Nachfolger als Professor der vergleichenden Anatomie) durch mehrere ausgezeichnete Leistungen in den Fortschritt der ver- gleichenden Anatomie eingegriffen, besonders durch vergleichende Dar- stellung des Sympathicus und die Untersuchungen über das Gehörorgan (1817 und 1820). Vom Jahre 1820 an beginnt auch die Thätigkeit des um die Ausbildung der Morphologie und Entwickelungsgeschichte hoch verdienten Martin Heinrich Rathke, welcher später noch besonders erwähnt werden wird. -- Vergleicht man die Thätigkeit auf dem Gebiete der Zootomie, wie sie in den ersten drei Jahrzehnten dieses Jahrhunderts sich in Deutschland entfaltete mit dem, was in derselben Zeit außerhalb geschah, so tritt das Ausland entschieden zurück. In
Gleichzeitig mit Meckel wirkte Carl Asmund Rudolphi, welcher, 1810 nach Berlin berufen, dort „das zootomiſche Muſeum von Grund aus ſchuf“ und dem Studium der vergleichenden Anatomie einen mächtigen Impuls gab. Er war 1777 in Stockholm von deutſchen Eltern geboren, ſtudirte in Greifswald, wurde dort 1793 und 1795 auf Grund zweier Diſſertationen über Eingeweidewürmer Doctor der Philoſophie und der Medicin und 1808 ordentlicher Profeſſor. Schon in dieſe frühere Zeit fallen die wichtigen, ſeinen Ruhm vorzüglich be- gründenden Arbeiten über Helminthen und die Anatomie der Pflanzen, ſowie die anatomiſch-phyſiologiſchen Abhandlungen, in denen er mehrere zootomiſche Thatſachen mittheilte. Später hat er ſich nur mit Anatomie der Wirbelthiere beſchäftigt, wie auch die zahlreichen unter ſeiner Lei- tung oder auf ſeine Veranlaſſung geſchriebenen Diſſertationen nur Gegenſtände der Wirbelthieranatomie behandeln19). Rudolph war auch Johannes Müller's Lehrer, welcher ausdrücklich erklärt, daß Rudolph die Neigung zur Anatomie bei ihm für immer entſchieden habe. — Auch Ernſt Heinrich Weber (geb. 1795), deſſen vorzüglichſte bahn- brechende Arbeiten einem andern Gebiete angehören, hat (er war an- fangs Carus' Nachfolger als Profeſſor der vergleichenden Anatomie) durch mehrere ausgezeichnete Leiſtungen in den Fortſchritt der ver- gleichenden Anatomie eingegriffen, beſonders durch vergleichende Dar- ſtellung des Sympathicus und die Unterſuchungen über das Gehörorgan (1817 und 1820). Vom Jahre 1820 an beginnt auch die Thätigkeit des um die Ausbildung der Morphologie und Entwickelungsgeſchichte hoch verdienten Martin Heinrich Rathke, welcher ſpäter noch beſonders erwähnt werden wird. — Vergleicht man die Thätigkeit auf dem Gebiete der Zootomie, wie ſie in den erſten drei Jahrzehnten dieſes Jahrhunderts ſich in Deutſchland entfaltete mit dem, was in derſelben Zeit außerhalb geſchah, ſo tritt das Ausland entſchieden zurück. In
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Rudolphi. Weber. Rathke.
Gleichzeitig mit Meckel wirkte Carl Asmund Rudolphi,
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Grund aus ſchuf“ und dem Studium der vergleichenden Anatomie einen
mächtigen Impuls gab. Er war 1777 in Stockholm von deutſchen
Eltern geboren, ſtudirte in Greifswald, wurde dort 1793 und 1795
auf Grund zweier Diſſertationen über Eingeweidewürmer Doctor der
Philoſophie und der Medicin und 1808 ordentlicher Profeſſor. Schon
in dieſe frühere Zeit fallen die wichtigen, ſeinen Ruhm vorzüglich be-
gründenden Arbeiten über Helminthen und die Anatomie der Pflanzen,
ſowie die anatomiſch-phyſiologiſchen Abhandlungen, in denen er mehrere
zootomiſche Thatſachen mittheilte. Später hat er ſich nur mit Anatomie
der Wirbelthiere beſchäftigt, wie auch die zahlreichen unter ſeiner Lei-
tung oder auf ſeine Veranlaſſung geſchriebenen Diſſertationen nur
Gegenſtände der Wirbelthieranatomie behandeln 19). Rudolph war
auch Johannes Müller's Lehrer, welcher ausdrücklich erklärt, daß Rudolph
die Neigung zur Anatomie bei ihm für immer entſchieden habe. — Auch
Ernſt Heinrich Weber (geb. 1795), deſſen vorzüglichſte bahn-
brechende Arbeiten einem andern Gebiete angehören, hat (er war an-
fangs Carus' Nachfolger als Profeſſor der vergleichenden Anatomie)
durch mehrere ausgezeichnete Leiſtungen in den Fortſchritt der ver-
gleichenden Anatomie eingegriffen, beſonders durch vergleichende Dar-
ſtellung des Sympathicus und die Unterſuchungen über das Gehörorgan
(1817 und 1820). Vom Jahre 1820 an beginnt auch die Thätigkeit
des um die Ausbildung der Morphologie und Entwickelungsgeſchichte
hoch verdienten Martin Heinrich Rathke, welcher ſpäter noch
beſonders erwähnt werden wird. — Vergleicht man die Thätigkeit auf
dem Gebiete der Zootomie, wie ſie in den erſten drei Jahrzehnten dieſes
Jahrhunderts ſich in Deutſchland entfaltete mit dem, was in derſelben
Zeit außerhalb geſchah, ſo tritt das Ausland entſchieden zurück. In
19) Geradezu als Rudolph's Arbeiten führt Johannes Müller die Diſſertationen
von Reimann, Hyäne, Breyer, Pipa, Wolff, Stimmorgane der Säugethiere,
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V. Carus, Geſch. d. Zool. 39
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/620>, abgerufen am 22.11.2024.
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