Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Periode der Morphologie. aber Meckel in seinem unvollendet gebliebenen Systeme der vergleichen-den Anatomie, welches von 1821-1835 erschien. Dasselbe sollte die im Jahre 1805 geschlossenen Vorlesungen Cuvier's ersetzen und dabei den inzwischen gemachten Fortschritten Rechnung tragen. Beides wurde auch erreicht, nur vollzogen sich gerade während der Zeit seines Er- scheinens und unmittelbar nachher so wichtige Aenderungen in den allgemeinen Anschauungen über den Bau der Thierkörper, daß man jetzt im Ganzen nur zu wenig auf dasselbe zurückkommt. Vorzüglich ist der erste Band von großem Interesse, da sich in ihm Ansichten nie- dergelegt finden, welche wenige Jahre später eine neue sichere Begrün- dung erhielten. Es macht allerdings fast den Eindruck einer natur- philosophischen Abstraction, wenn er die Verschiedenheiten der thierischen Form in der weitesten von ihm gegebenen Ausdehnung als unter einem besonderen Gesetze der Mannichfaltigkeit stehend bezeichnet, welchem er ein zweites allgemeines Gesetz, das der Reduction, gegenüberstellt. Doch betrifft diese Form der Verallgemeinerung mehr die Form der Darstellung. Meckel geht hier auf allgemeine Bildungsverhältnisse ein, welche ganz füglich als allgemeine Bildungsgesetze bezeichnet werden können. Unter dem Gesetze der Mannichfaltigkeit schildert er auch die Verschiedenheit der von Cuvier aufgestellten Typen, zwar noch nicht in der Schärfe, mit welcher dieselben später erfaßt und immer richtiger auseinandergehalten wurden, aber doch so eingehend, daß man sogar schon eine Hinweisung auf die innerhalb der Typen auftretenden Ent- wickelungsverschiedenheiten erkennen kann, wie sie später von Baer als so wichtige Momente nachgewiesen wurden. Auch findet die Kiel- meyer'sche Idee von der Uebereinstimmung der früheren Entwickelungs- stufen höherer Thiere mit niedern Classen eine völlig sachgemäße Beschränkung und passende Verwendung. Meckel berücksichtigte über- haupt schon eingehend die Entwickelungsgeschichte, suchte auch durch Uebersetzung der fast vergessenen Wolff'schen Schrift von der Bildung des Darmcanals die Meinungen über die Art des Entwickelungsvor- ganges zu klären. Hierdurch wurde er auch darauf geführt, die Misbil- dungen behufs ihrer Erklärung an die normale Entwickelungsgeschichte anzuknüpfen, wobei er sich mit Geoffroy begegnete. -- Periode der Morphologie. aber Meckel in ſeinem unvollendet gebliebenen Syſteme der vergleichen-den Anatomie, welches von 1821-1835 erſchien. Daſſelbe ſollte die im Jahre 1805 geſchloſſenen Vorleſungen Cuvier's erſetzen und dabei den inzwiſchen gemachten Fortſchritten Rechnung tragen. Beides wurde auch erreicht, nur vollzogen ſich gerade während der Zeit ſeines Er- ſcheinens und unmittelbar nachher ſo wichtige Aenderungen in den allgemeinen Anſchauungen über den Bau der Thierkörper, daß man jetzt im Ganzen nur zu wenig auf daſſelbe zurückkommt. Vorzüglich iſt der erſte Band von großem Intereſſe, da ſich in ihm Anſichten nie- dergelegt finden, welche wenige Jahre ſpäter eine neue ſichere Begrün- dung erhielten. Es macht allerdings faſt den Eindruck einer natur- philoſophiſchen Abſtraction, wenn er die Verſchiedenheiten der thieriſchen Form in der weiteſten von ihm gegebenen Ausdehnung als unter einem beſonderen Geſetze der Mannichfaltigkeit ſtehend bezeichnet, welchem er ein zweites allgemeines Geſetz, das der Reduction, gegenüberſtellt. Doch betrifft dieſe Form der Verallgemeinerung mehr die Form der Darſtellung. Meckel geht hier auf allgemeine Bildungsverhältniſſe ein, welche ganz füglich als allgemeine Bildungsgeſetze bezeichnet werden können. Unter dem Geſetze der Mannichfaltigkeit ſchildert er auch die Verſchiedenheit der von Cuvier aufgeſtellten Typen, zwar noch nicht in der Schärfe, mit welcher dieſelben ſpäter erfaßt und immer richtiger auseinandergehalten wurden, aber doch ſo eingehend, daß man ſogar ſchon eine Hinweiſung auf die innerhalb der Typen auftretenden Ent- wickelungsverſchiedenheiten erkennen kann, wie ſie ſpäter von Baer als ſo wichtige Momente nachgewieſen wurden. Auch findet die Kiel- meyer'ſche Idee von der Uebereinſtimmung der früheren Entwickelungs- ſtufen höherer Thiere mit niedern Claſſen eine völlig ſachgemäße Beſchränkung und paſſende Verwendung. Meckel berückſichtigte über- haupt ſchon eingehend die Entwickelungsgeſchichte, ſuchte auch durch Ueberſetzung der faſt vergeſſenen Wolff'ſchen Schrift von der Bildung des Darmcanals die Meinungen über die Art des Entwickelungsvor- ganges zu klären. Hierdurch wurde er auch darauf geführt, die Misbil- dungen behufs ihrer Erklärung an die normale Entwickelungsgeſchichte anzuknüpfen, wobei er ſich mit Geoffroy begegnete. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0619" n="608"/><fw place="top" type="header">Periode der Morphologie.</fw><lb/> aber <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116988703">Meckel</persName> in ſeinem unvollendet gebliebenen Syſteme der vergleichen-<lb/> den Anatomie, welches von 1821-1835 erſchien. Daſſelbe ſollte die<lb/> im Jahre 1805 geſchloſſenen Vorleſungen <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118677578">Cuvier</persName>'s erſetzen und dabei<lb/> den inzwiſchen gemachten Fortſchritten Rechnung tragen. Beides wurde<lb/> auch erreicht, nur vollzogen ſich gerade während der Zeit ſeines Er-<lb/> ſcheinens und unmittelbar nachher ſo wichtige Aenderungen in den<lb/> allgemeinen Anſchauungen über den Bau der Thierkörper, daß man<lb/> jetzt im Ganzen nur zu wenig auf daſſelbe zurückkommt. 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Periode der Morphologie.
aber Meckel in ſeinem unvollendet gebliebenen Syſteme der vergleichen-
den Anatomie, welches von 1821-1835 erſchien. Daſſelbe ſollte die
im Jahre 1805 geſchloſſenen Vorleſungen Cuvier's erſetzen und dabei
den inzwiſchen gemachten Fortſchritten Rechnung tragen. Beides wurde
auch erreicht, nur vollzogen ſich gerade während der Zeit ſeines Er-
ſcheinens und unmittelbar nachher ſo wichtige Aenderungen in den
allgemeinen Anſchauungen über den Bau der Thierkörper, daß man
jetzt im Ganzen nur zu wenig auf daſſelbe zurückkommt. Vorzüglich
iſt der erſte Band von großem Intereſſe, da ſich in ihm Anſichten nie-
dergelegt finden, welche wenige Jahre ſpäter eine neue ſichere Begrün-
dung erhielten. Es macht allerdings faſt den Eindruck einer natur-
philoſophiſchen Abſtraction, wenn er die Verſchiedenheiten der thieriſchen
Form in der weiteſten von ihm gegebenen Ausdehnung als unter einem
beſonderen Geſetze der Mannichfaltigkeit ſtehend bezeichnet, welchem er
ein zweites allgemeines Geſetz, das der Reduction, gegenüberſtellt.
Doch betrifft dieſe Form der Verallgemeinerung mehr die Form der
Darſtellung. Meckel geht hier auf allgemeine Bildungsverhältniſſe ein,
welche ganz füglich als allgemeine Bildungsgeſetze bezeichnet werden
können. Unter dem Geſetze der Mannichfaltigkeit ſchildert er auch die
Verſchiedenheit der von Cuvier aufgeſtellten Typen, zwar noch nicht in
der Schärfe, mit welcher dieſelben ſpäter erfaßt und immer richtiger
auseinandergehalten wurden, aber doch ſo eingehend, daß man ſogar
ſchon eine Hinweiſung auf die innerhalb der Typen auftretenden Ent-
wickelungsverſchiedenheiten erkennen kann, wie ſie ſpäter von Baer als
ſo wichtige Momente nachgewieſen wurden. Auch findet die Kiel-
meyer'ſche Idee von der Uebereinſtimmung der früheren Entwickelungs-
ſtufen höherer Thiere mit niedern Claſſen eine völlig ſachgemäße
Beſchränkung und paſſende Verwendung. Meckel berückſichtigte über-
haupt ſchon eingehend die Entwickelungsgeſchichte, ſuchte auch durch
Ueberſetzung der faſt vergeſſenen Wolff'ſchen Schrift von der Bildung
des Darmcanals die Meinungen über die Art des Entwickelungsvor-
ganges zu klären. Hierdurch wurde er auch darauf geführt, die Misbil-
dungen behufs ihrer Erklärung an die normale Entwickelungsgeſchichte
anzuknüpfen, wobei er ſich mit Geoffroy begegnete. —
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