noch weit davon entfernt war, die Beziehungen der Insecten sowohl zu andern Thierclassen als selbst zu andern Abtheilungen der Arthropo- dengruppe wissenschaftlich sich klar zu machen. Man stand hierin, wie auch in gar manchen Einzelheiten, selbst dem Aristoteles nach.
Mouffet legt seiner Eintheilung der Insecten die Gegenwart und das Fehlen der Flügel zu Grunde. Innerhalb der beiden hierdurch er- langten Gruppen der Geflügelten und Flügellosen folgen sich die einzel- nen Formen zwar zum Theil nach natürlicher Verwandtschaft, d. h. ungefähr so, wie Gesner die rinderartigen, ziegenartigen Säugethiere zusammenstellt, meist aber in einer mehr oder weniger zufälligen Reihe. Den Anfang machen die Bienen aus dem Grunde, weil nur sie dem Menschen Nahrung geben, während die andern höchstens zu Heil- zwecken verwendet werden. Den Bienen sind angeschlossen die Wes- pen und Hummeln. Dann folgen die "Fliegen", unter welcher Bezeich- nung er aber sowohl zweiflüglige als vierflüglige Insecten, unter letzteren die Ichneumoniden und Libelluliden versteht, so daß die dann behandelten nächsten Verwandten der Fliegen, die Mücken, von jenen getrennt werden. Bei den nun geschilderten Schmetterlingen wird zwar häufig die Puppe, aber nur in seltenen Fällen auch die Raupe erwähnt. Wie wenig damals die ganze Bildungsgeschichte eines Thieres als zu seiner Charakterisirung nothwendig angesehen wurde, beweist der Um- stand, daß die Raupen, weit getrennt von den Schmetterlingen, die Reihe der flügellosen Insecten eröffnen trotz der von Mouffet erkannten genetischen Beziehung zwischen Raupe und Schmetterling (er spricht wenigstens vom Schmetterling und "seiner Raupe"). Auf die Schmet- terlinge folgen dann in ziemlich bunter Reihe Käfer, Cicaden, Heu- schrecken u. s. f. Mitten darunter erwähnt er ein Insect Pyrigonum, welches, wie er glaubt, im Feuer leben kann; er stellt eine lange Erör- terung darüber an, ob die Thiere aus feurigen Dämpfen entstehen können, untersucht aber nicht, was denn das nun eigentlich für ein Thier sei, schließt dagegen mit der Betrachtung, daß man hier Gottes Allmacht bewundern müsse, welcher das größte aller Elemente einem so kleinen Thiere unterworfen habe. Auch die geflügelten Skorpione erscheinen hier mit denselben aus andern Werken bekannten Abbildun-
Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
noch weit davon entfernt war, die Beziehungen der Inſecten ſowohl zu andern Thierclaſſen als ſelbſt zu andern Abtheilungen der Arthropo- dengruppe wiſſenſchaftlich ſich klar zu machen. Man ſtand hierin, wie auch in gar manchen Einzelheiten, ſelbſt dem Ariſtoteles nach.
Mouffet legt ſeiner Eintheilung der Inſecten die Gegenwart und das Fehlen der Flügel zu Grunde. Innerhalb der beiden hierdurch er- langten Gruppen der Geflügelten und Flügelloſen folgen ſich die einzel- nen Formen zwar zum Theil nach natürlicher Verwandtſchaft, d. h. ungefähr ſo, wie Gesner die rinderartigen, ziegenartigen Säugethiere zuſammenſtellt, meiſt aber in einer mehr oder weniger zufälligen Reihe. Den Anfang machen die Bienen aus dem Grunde, weil nur ſie dem Menſchen Nahrung geben, während die andern höchſtens zu Heil- zwecken verwendet werden. Den Bienen ſind angeſchloſſen die Wes- pen und Hummeln. Dann folgen die „Fliegen“, unter welcher Bezeich- nung er aber ſowohl zweiflüglige als vierflüglige Inſecten, unter letzteren die Ichneumoniden und Libelluliden verſteht, ſo daß die dann behandelten nächſten Verwandten der Fliegen, die Mücken, von jenen getrennt werden. Bei den nun geſchilderten Schmetterlingen wird zwar häufig die Puppe, aber nur in ſeltenen Fällen auch die Raupe erwähnt. Wie wenig damals die ganze Bildungsgeſchichte eines Thieres als zu ſeiner Charakteriſirung nothwendig angeſehen wurde, beweiſt der Um- ſtand, daß die Raupen, weit getrennt von den Schmetterlingen, die Reihe der flügelloſen Inſecten eröffnen trotz der von Mouffet erkannten genetiſchen Beziehung zwiſchen Raupe und Schmetterling (er ſpricht wenigſtens vom Schmetterling und „ſeiner Raupe“). Auf die Schmet- terlinge folgen dann in ziemlich bunter Reihe Käfer, Cicaden, Heu- ſchrecken u. ſ. f. Mitten darunter erwähnt er ein Inſect Pyrigonum, welches, wie er glaubt, im Feuer leben kann; er ſtellt eine lange Erör- terung darüber an, ob die Thiere aus feurigen Dämpfen entſtehen können, unterſucht aber nicht, was denn das nun eigentlich für ein Thier ſei, ſchließt dagegen mit der Betrachtung, daß man hier Gottes Allmacht bewundern müſſe, welcher das größte aller Elemente einem ſo kleinen Thiere unterworfen habe. Auch die geflügelten Skorpione erſcheinen hier mit denſelben aus andern Werken bekannten Abbildun-
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Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
noch weit davon entfernt war, die Beziehungen der Inſecten ſowohl zu
andern Thierclaſſen als ſelbſt zu andern Abtheilungen der Arthropo-
dengruppe wiſſenſchaftlich ſich klar zu machen. Man ſtand hierin, wie
auch in gar manchen Einzelheiten, ſelbſt dem Ariſtoteles nach.
Mouffet legt ſeiner Eintheilung der Inſecten die Gegenwart und
das Fehlen der Flügel zu Grunde. Innerhalb der beiden hierdurch er-
langten Gruppen der Geflügelten und Flügelloſen folgen ſich die einzel-
nen Formen zwar zum Theil nach natürlicher Verwandtſchaft, d. h.
ungefähr ſo, wie Gesner die rinderartigen, ziegenartigen Säugethiere
zuſammenſtellt, meiſt aber in einer mehr oder weniger zufälligen Reihe.
Den Anfang machen die Bienen aus dem Grunde, weil nur ſie dem
Menſchen Nahrung geben, während die andern höchſtens zu Heil-
zwecken verwendet werden. Den Bienen ſind angeſchloſſen die Wes-
pen und Hummeln. Dann folgen die „Fliegen“, unter welcher Bezeich-
nung er aber ſowohl zweiflüglige als vierflüglige Inſecten, unter
letzteren die Ichneumoniden und Libelluliden verſteht, ſo daß die dann
behandelten nächſten Verwandten der Fliegen, die Mücken, von jenen
getrennt werden. Bei den nun geſchilderten Schmetterlingen wird zwar
häufig die Puppe, aber nur in ſeltenen Fällen auch die Raupe erwähnt.
Wie wenig damals die ganze Bildungsgeſchichte eines Thieres als zu
ſeiner Charakteriſirung nothwendig angeſehen wurde, beweiſt der Um-
ſtand, daß die Raupen, weit getrennt von den Schmetterlingen, die
Reihe der flügelloſen Inſecten eröffnen trotz der von Mouffet erkannten
genetiſchen Beziehung zwiſchen Raupe und Schmetterling (er ſpricht
wenigſtens vom Schmetterling und „ſeiner Raupe“). Auf die Schmet-
terlinge folgen dann in ziemlich bunter Reihe Käfer, Cicaden, Heu-
ſchrecken u. ſ. f. Mitten darunter erwähnt er ein Inſect Pyrigonum,
welches, wie er glaubt, im Feuer leben kann; er ſtellt eine lange Erör-
terung darüber an, ob die Thiere aus feurigen Dämpfen entſtehen
können, unterſucht aber nicht, was denn das nun eigentlich für ein
Thier ſei, ſchließt dagegen mit der Betrachtung, daß man hier Gottes
Allmacht bewundern müſſe, welcher das größte aller Elemente einem
ſo kleinen Thiere unterworfen habe. Auch die geflügelten Skorpione
erſcheinen hier mit denſelben aus andern Werken bekannten Abbildun-
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/381>, abgerufen am 22.11.2024.
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