Das merkwürdige Jahrhundert darf nicht verlassen werden, ohne zum Schlusse noch eines Werkes zu gedenken, welches meist in eine spä- tere Zeit versetzt worden ist, aber schon nach der ganzen Anlage und Ausführung sich als der Mitte oder zweiten Hälfte des 13. Jahrhun- derts angehörig ausweist, die Schrift über die Eigenschaften der Dinge (de proprietatibus rerum) von Bartholomäus Anglicus. Ueber den Verfasser derselben ist nicht viel bekannt; man schließt allge- mein aus dem Zusatze Anglicus, welcher dem Namen Bartholomäus in den ältesten Handschriften und frühesten Notizen über sein Werk zu- gefügt wird, daß er ein Engländer war. Falsch ist es, ihn Glanvilla zu nennen, wie lange Zeit selbst bis in die letzten Jahre ziemlich allge- mein geschah238). Er war Franziskaner; aber mit Ausnahme dieser allgemeinen Bezeichnung seines Ordens, weiß man weder über sein Kloster, noch überhaupt über sein Vaterland und seinen Aufenthalt etwas Bestimmteres. Selbst über die Zeit, in welcher er lebte, war man lange unsicher und versetzte ihn irrigerweise in das vierzehnte, ja selbst in das fünfzehnte Jahrhundert. Doch finden sich datirte Hand- schriften aus dem dreizehnten Jahrhundert. Außer den bereits angedeu- teten inneren Gründen spricht auch die Beschaffenheit seiner Citate für eine frühere Zeit, wie Jourdain zuerst hervorgehoben hat. Die in den sechziger Jahren dieses dreizehnten Jahrhunderts bekannt gewordenen griechisch-lateinischen Uebersetzungen des Aristoteles, welche die alten arabisch-lateinischen bald ganz vergessen ließen, kennt er noch nicht, wie er überhaupt Griechisch nicht verstanden haben kann. Ebenso fehlen ihm noch die in jenen Jahren bekannt gewordenen Abhandlungen seiner Zeitgenossen Albert, Vincenz, Thomas u. s. w. Mit Ausnahme dieser ist der Kreis der von ihm angeführten Autoren ziemlich derselbe, wie bei den vorher geschilderten Schriften. Er citirt reichlich Kirchenväter, Augustinus, Ambrosius, Gregorius, Hieronymus, Basilius, von spä- teren geistlichen Schriftstellern den Isidorus, Johannes de St. Aegidio,
Thierabbildungen des Gaston Phoebus (13. Jahrhundert) so treu und treffend seien, daß sie sich mit heutigen vergleichen lassen sollen.
238)Bartholomaeus de Glanvilla war ein jüngerer Schriftsteller wie Que- lif et Echard, a. a. O. I. p. 486 nachweisen.
Das dreizehnte Jahrhundert.
Das merkwürdige Jahrhundert darf nicht verlaſſen werden, ohne zum Schluſſe noch eines Werkes zu gedenken, welches meiſt in eine ſpä- tere Zeit verſetzt worden iſt, aber ſchon nach der ganzen Anlage und Ausführung ſich als der Mitte oder zweiten Hälfte des 13. Jahrhun- derts angehörig ausweiſt, die Schrift über die Eigenſchaften der Dinge (de proprietatibus rerum) von Bartholomäus Anglicus. Ueber den Verfaſſer derſelben iſt nicht viel bekannt; man ſchließt allge- mein aus dem Zuſatze Anglicus, welcher dem Namen Bartholomäus in den älteſten Handſchriften und früheſten Notizen über ſein Werk zu- gefügt wird, daß er ein Engländer war. Falſch iſt es, ihn Glanvilla zu nennen, wie lange Zeit ſelbſt bis in die letzten Jahre ziemlich allge- mein geſchah238). Er war Franziskaner; aber mit Ausnahme dieſer allgemeinen Bezeichnung ſeines Ordens, weiß man weder über ſein Kloſter, noch überhaupt über ſein Vaterland und ſeinen Aufenthalt etwas Beſtimmteres. Selbſt über die Zeit, in welcher er lebte, war man lange unſicher und verſetzte ihn irrigerweiſe in das vierzehnte, ja ſelbſt in das fünfzehnte Jahrhundert. Doch finden ſich datirte Hand- ſchriften aus dem dreizehnten Jahrhundert. Außer den bereits angedeu- teten inneren Gründen ſpricht auch die Beſchaffenheit ſeiner Citate für eine frühere Zeit, wie Jourdain zuerſt hervorgehoben hat. Die in den ſechziger Jahren dieſes dreizehnten Jahrhunderts bekannt gewordenen griechiſch-lateiniſchen Ueberſetzungen des Ariſtoteles, welche die alten arabiſch-lateiniſchen bald ganz vergeſſen ließen, kennt er noch nicht, wie er überhaupt Griechiſch nicht verſtanden haben kann. Ebenſo fehlen ihm noch die in jenen Jahren bekannt gewordenen Abhandlungen ſeiner Zeitgenoſſen Albert, Vincenz, Thomas u. ſ. w. Mit Ausnahme dieſer iſt der Kreis der von ihm angeführten Autoren ziemlich derſelbe, wie bei den vorher geſchilderten Schriften. Er citirt reichlich Kirchenväter, Auguſtinus, Ambroſius, Gregorius, Hieronymus, Baſilius, von ſpä- teren geiſtlichen Schriftſtellern den Iſidorus, Johannes de St. Aegidio,
Thierabbildungen des Gaston Phoebus (13. Jahrhundert) ſo treu und treffend ſeien, daß ſie ſich mit heutigen vergleichen laſſen ſollen.
238)Bartholomaeus de Glanvilla war ein jüngerer Schriftſteller wie Que- lif et Echard, a. a. O. I. p. 486 nachweiſen.
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Das dreizehnte Jahrhundert.
Das merkwürdige Jahrhundert darf nicht verlaſſen werden, ohne
zum Schluſſe noch eines Werkes zu gedenken, welches meiſt in eine ſpä-
tere Zeit verſetzt worden iſt, aber ſchon nach der ganzen Anlage und
Ausführung ſich als der Mitte oder zweiten Hälfte des 13. Jahrhun-
derts angehörig ausweiſt, die Schrift über die Eigenſchaften der Dinge
(de proprietatibus rerum) von Bartholomäus Anglicus.
Ueber den Verfaſſer derſelben iſt nicht viel bekannt; man ſchließt allge-
mein aus dem Zuſatze Anglicus, welcher dem Namen Bartholomäus
in den älteſten Handſchriften und früheſten Notizen über ſein Werk zu-
gefügt wird, daß er ein Engländer war. Falſch iſt es, ihn Glanvilla
zu nennen, wie lange Zeit ſelbſt bis in die letzten Jahre ziemlich allge-
mein geſchah 238). Er war Franziskaner; aber mit Ausnahme dieſer
allgemeinen Bezeichnung ſeines Ordens, weiß man weder über ſein
Kloſter, noch überhaupt über ſein Vaterland und ſeinen Aufenthalt
etwas Beſtimmteres. Selbſt über die Zeit, in welcher er lebte, war
man lange unſicher und verſetzte ihn irrigerweiſe in das vierzehnte, ja
ſelbſt in das fünfzehnte Jahrhundert. Doch finden ſich datirte Hand-
ſchriften aus dem dreizehnten Jahrhundert. Außer den bereits angedeu-
teten inneren Gründen ſpricht auch die Beſchaffenheit ſeiner Citate für
eine frühere Zeit, wie Jourdain zuerſt hervorgehoben hat. Die in den
ſechziger Jahren dieſes dreizehnten Jahrhunderts bekannt gewordenen
griechiſch-lateiniſchen Ueberſetzungen des Ariſtoteles, welche die alten
arabiſch-lateiniſchen bald ganz vergeſſen ließen, kennt er noch nicht, wie
er überhaupt Griechiſch nicht verſtanden haben kann. Ebenſo fehlen
ihm noch die in jenen Jahren bekannt gewordenen Abhandlungen ſeiner
Zeitgenoſſen Albert, Vincenz, Thomas u. ſ. w. Mit Ausnahme dieſer
iſt der Kreis der von ihm angeführten Autoren ziemlich derſelbe, wie
bei den vorher geſchilderten Schriften. Er citirt reichlich Kirchenväter,
Auguſtinus, Ambroſius, Gregorius, Hieronymus, Baſilius, von ſpä-
teren geiſtlichen Schriftſtellern den Iſidorus, Johannes de St. Aegidio,
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238) Bartholomaeus de Glanvilla war ein jüngerer Schriftſteller wie Que-
lif et Echard, a. a. O. I. p. 486 nachweiſen.
237) Thierabbildungen des Gaston Phoebus (13. Jahrhundert) ſo treu und treffend
ſeien, daß ſie ſich mit heutigen vergleichen laſſen ſollen.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/256>, abgerufen am 22.11.2024.
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