litterarisch so regen Zeit andere Schriftsteller sich nicht auch an der Meisterung des neu eindringenden Stoffes hätten versuchen sollen. Von Commentaren erwähnt Jourdain234) nach einem Manuscript der Sorbonne einen solchen zu der Thiergeschichte von Gerard von Broglio. Und vielleicht mögen sich auch noch andere handschriftlich hier und da finden. Von selbständigen Abhandlungen, welche ausdrück- lich als den Thieren gewidmet bezeichnet sind, werden noch zwei ange- führt: eine Schrift von Bartholomäus de Bragantiis, de animalibus ex multis collectus235), und eine andere von Engel- bert, Abt von Admont in Steiermark, de naturis animalium236), beide aus dem dreizehnten Jahrhundert. Welcher Art aber diese Schrif- ten waren, ist beim Mangel näherer Kenntniß derselben nicht zu er- rathen. Es ist dies die Zeit, wo die zum Theil in neueren Sprachen geschriebenen Thierbücher und Bestiarii sich mit den letzten Formen des Physiologus berühren, welcher jetzt aus der Litteratur zu ver- schwinden beginnt.
Der Sammel- und Schreibefleiß der mittelalterlichen Gelehrten hat aber ferner der Nachwelt nicht bloß ein Bild davon hinterlassen, wie man damals die Thierwelt, das Thierleben wissenschaftlich oder wenigstens geistig erfaßte, sondern in manchen Handschriften sind auch figürliche Darstellungen enthalten, welche ein noch objectiveres Zeug- niß von der Auffassung der thierischen Formen zu geben im Stande sind. Nach den hierüber bekannten, in Thierbüchern verschiedenen Werthes gefundenen Zeichnungen entsprechen aber diese Abbildungen vollständig den unbestimmten, zuweilen rein fantastischen Vorstellungen von den Thieren. Dies wird vor Allem schon durch die Thatsache be- stätigt, daß auch, wie freilich noch bis in spätere Zeiten, alle fabelhaf- ten Thiere mit gleicher Sorgfalt dargestellt wurden 237).
234) a. a. O. S. 75.
235) s. Quetif et Echard, Scriptores ordin. Praedicat. Tom. I. Lutet. 1719. p. 258 (um 1270).
236) s. Fabricius, Biblioth. latin. Tom. V. p. 295 (zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts).
237) Merkwürdig erscheint die Angabe Pouchet's (a. a. O. S. 70), daß die
Die Zoologie des Mittelalters.
litterariſch ſo regen Zeit andere Schriftſteller ſich nicht auch an der Meiſterung des neu eindringenden Stoffes hätten verſuchen ſollen. Von Commentaren erwähnt Jourdain234) nach einem Manuſcript der Sorbonne einen ſolchen zu der Thiergeſchichte von Gerard von Broglio. Und vielleicht mögen ſich auch noch andere handſchriftlich hier und da finden. Von ſelbſtändigen Abhandlungen, welche ausdrück- lich als den Thieren gewidmet bezeichnet ſind, werden noch zwei ange- führt: eine Schrift von Bartholomäus de Bragantiis, de animalibus ex multis collectus235), und eine andere von Engel- bert, Abt von Admont in Steiermark, de naturis animalium236), beide aus dem dreizehnten Jahrhundert. Welcher Art aber dieſe Schrif- ten waren, iſt beim Mangel näherer Kenntniß derſelben nicht zu er- rathen. Es iſt dies die Zeit, wo die zum Theil in neueren Sprachen geſchriebenen Thierbücher und Bestiarii ſich mit den letzten Formen des Phyſiologus berühren, welcher jetzt aus der Litteratur zu ver- ſchwinden beginnt.
Der Sammel- und Schreibefleiß der mittelalterlichen Gelehrten hat aber ferner der Nachwelt nicht bloß ein Bild davon hinterlaſſen, wie man damals die Thierwelt, das Thierleben wiſſenſchaftlich oder wenigſtens geiſtig erfaßte, ſondern in manchen Handſchriften ſind auch figürliche Darſtellungen enthalten, welche ein noch objectiveres Zeug- niß von der Auffaſſung der thieriſchen Formen zu geben im Stande ſind. Nach den hierüber bekannten, in Thierbüchern verſchiedenen Werthes gefundenen Zeichnungen entſprechen aber dieſe Abbildungen vollſtändig den unbeſtimmten, zuweilen rein fantaſtiſchen Vorſtellungen von den Thieren. Dies wird vor Allem ſchon durch die Thatſache be- ſtätigt, daß auch, wie freilich noch bis in ſpätere Zeiten, alle fabelhaf- ten Thiere mit gleicher Sorgfalt dargeſtellt wurden 237).
234) a. a. O. S. 75.
235) ſ. Quetif et Echard, Scriptores ordin. Praedicat. Tom. I. Lutet. 1719. p. 258 (um 1270).
236) ſ. Fabricius, Biblioth. latin. Tom. V. p. 295 (zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts).
237) Merkwürdig erſcheint die Angabe Pouchet's (a. a. O. S. 70), daß die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0255"n="244"/><fwplace="top"type="header">Die Zoologie des Mittelalters.</fw><lb/>
litterariſch ſo regen Zeit andere Schriftſteller ſich nicht auch an der<lb/>
Meiſterung des neu eindringenden Stoffes hätten verſuchen ſollen.<lb/>
Von Commentaren erwähnt <persNameref="http://d-nb.info/gnd/135818745">Jourdain</persName><noteplace="foot"n="234)">a. a. O. S. 75.</note> nach einem Manuſcript der<lb/>
Sorbonne einen ſolchen zu der Thiergeſchichte von <hirendition="#g"><persNameref="nognd">Gerard</persName> von<lb/>
Broglio</hi>. Und vielleicht mögen ſich auch noch andere handſchriftlich<lb/>
hier und da finden. Von ſelbſtändigen Abhandlungen, welche ausdrück-<lb/>
lich als den Thieren gewidmet bezeichnet ſind, werden noch zwei ange-<lb/>
führt: eine Schrift von <hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/102423172">Bartholomäus</persName> de Bragantiis</hi>, <hirendition="#aq">de<lb/>
animalibus ex multis collectus</hi><noteplace="foot"n="235)">ſ. <hirendition="#aq"><hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/100388981">Quetif</persName> et <persNameref="http://d-nb.info/gnd/100754058">Echard</persName></hi>, Scriptores ordin. Praedicat. Tom. I.<lb/>
Lutet. 1719. p. 258</hi> (um 1270).</note>, und eine andere von <hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118530321">Engel-<lb/>
bert</persName></hi>, Abt von Admont in Steiermark, <hirendition="#aq">de naturis animalium</hi><noteplace="foot"n="236)">ſ. <hirendition="#aq"><hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/100099459">Fabricius</persName></hi>, Biblioth. latin. Tom. V. p. 295</hi> (zweite Hälfte des<lb/>
13. Jahrhunderts).</note>,<lb/>
beide aus dem dreizehnten Jahrhundert. Welcher Art aber dieſe Schrif-<lb/>
ten waren, iſt beim Mangel näherer Kenntniß derſelben nicht zu er-<lb/>
rathen. Es iſt dies die Zeit, wo die zum Theil in neueren Sprachen<lb/>
geſchriebenen Thierbücher und <hirendition="#aq">Bestiarii</hi>ſich mit den letzten Formen<lb/>
des Phyſiologus berühren, welcher jetzt aus der Litteratur zu ver-<lb/>ſchwinden beginnt.</p><lb/><p>Der Sammel- und Schreibefleiß der mittelalterlichen Gelehrten<lb/>
hat aber ferner der Nachwelt nicht bloß ein Bild davon hinterlaſſen,<lb/>
wie man damals die Thierwelt, das Thierleben wiſſenſchaftlich oder<lb/>
wenigſtens geiſtig erfaßte, ſondern in manchen Handſchriften ſind auch<lb/>
figürliche Darſtellungen enthalten, welche ein noch objectiveres Zeug-<lb/>
niß von der Auffaſſung der thieriſchen Formen zu geben im Stande<lb/>ſind. Nach den hierüber bekannten, in Thierbüchern verſchiedenen<lb/>
Werthes gefundenen Zeichnungen entſprechen aber dieſe Abbildungen<lb/>
vollſtändig den unbeſtimmten, zuweilen rein fantaſtiſchen Vorſtellungen<lb/>
von den Thieren. Dies wird vor Allem ſchon durch die Thatſache be-<lb/>ſtätigt, daß auch, wie freilich noch bis in ſpätere Zeiten, alle fabelhaf-<lb/>
ten Thiere mit gleicher Sorgfalt dargeſtellt wurden <notexml:id="seg2pn_19_1"next="#seg2pn_19_2"place="foot"n="237)">Merkwürdig erſcheint die Angabe <hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/117716227">Pouchet</persName></hi>'s (a. a. O. S. 70), daß die</note>.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[244/0255]
Die Zoologie des Mittelalters.
litterariſch ſo regen Zeit andere Schriftſteller ſich nicht auch an der
Meiſterung des neu eindringenden Stoffes hätten verſuchen ſollen.
Von Commentaren erwähnt Jourdain 234) nach einem Manuſcript der
Sorbonne einen ſolchen zu der Thiergeſchichte von Gerard von
Broglio. Und vielleicht mögen ſich auch noch andere handſchriftlich
hier und da finden. Von ſelbſtändigen Abhandlungen, welche ausdrück-
lich als den Thieren gewidmet bezeichnet ſind, werden noch zwei ange-
führt: eine Schrift von Bartholomäus de Bragantiis, de
animalibus ex multis collectus 235), und eine andere von Engel-
bert, Abt von Admont in Steiermark, de naturis animalium 236),
beide aus dem dreizehnten Jahrhundert. Welcher Art aber dieſe Schrif-
ten waren, iſt beim Mangel näherer Kenntniß derſelben nicht zu er-
rathen. Es iſt dies die Zeit, wo die zum Theil in neueren Sprachen
geſchriebenen Thierbücher und Bestiarii ſich mit den letzten Formen
des Phyſiologus berühren, welcher jetzt aus der Litteratur zu ver-
ſchwinden beginnt.
Der Sammel- und Schreibefleiß der mittelalterlichen Gelehrten
hat aber ferner der Nachwelt nicht bloß ein Bild davon hinterlaſſen,
wie man damals die Thierwelt, das Thierleben wiſſenſchaftlich oder
wenigſtens geiſtig erfaßte, ſondern in manchen Handſchriften ſind auch
figürliche Darſtellungen enthalten, welche ein noch objectiveres Zeug-
niß von der Auffaſſung der thieriſchen Formen zu geben im Stande
ſind. Nach den hierüber bekannten, in Thierbüchern verſchiedenen
Werthes gefundenen Zeichnungen entſprechen aber dieſe Abbildungen
vollſtändig den unbeſtimmten, zuweilen rein fantaſtiſchen Vorſtellungen
von den Thieren. Dies wird vor Allem ſchon durch die Thatſache be-
ſtätigt, daß auch, wie freilich noch bis in ſpätere Zeiten, alle fabelhaf-
ten Thiere mit gleicher Sorgfalt dargeſtellt wurden 237).
234) a. a. O. S. 75.
235) ſ. Quetif et Echard, Scriptores ordin. Praedicat. Tom. I.
Lutet. 1719. p. 258 (um 1270).
236) ſ. Fabricius, Biblioth. latin. Tom. V. p. 295 (zweite Hälfte des
13. Jahrhunderts).
237) Merkwürdig erſcheint die Angabe Pouchet's (a. a. O. S. 70), daß die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/255>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.