schon angeführte Schilderung des Elefanten, welche bis jetzt nirgend wo anders zu finden ist.
Es ist jedoch hier nicht der Ort, dieser an und für sich äußerst interessanten und für die Litteraturgeschichte des früheren Mittelalters bedeutungsvollen Aufgabe näher zu treten. Dagegen ist es wichtig, die Frage nach dem etwaigen Verfasser und der Entstehungsgeschichte des Physiologus überhaupt zu untersuchen.
Zunächst ist hervorzuheben, daß man es hier nicht mit einer Schrift zu thun hat, welche als eine in ihrem Wortlaute im Allgemei- nen feststehende in Zeiten klösterlichen Schreiberfleißes treu vervielfäl- tigt worden wäre. Von den ältesten bis zu den neuesten Bearbei- tungen finden sich zwar immer wohl einzelne übereinstimmende Hand- schriften. Doch ist im Ganzen genommen eine stete Aenderung und Umwandlung sowohl im Ausdruck als in der Zahl der Thiere und der Form der angehängten Allegorien nachzuweisen, da kaum zwei aus ver- schiedenen Zeiten herrührende Handschriften genau übereinstimmen. Spricht schon dies für die Ansicht, daß man selbst im frühen Mittel- alter nicht an einen bestimmten Verfasser geglaubt hat, so wird dies noch weiter dadurch bestätigt, daß sowohl in der pseudoepiphanischen Schrift (welche aber doch dem vierten oder fünften Jahrhundert ange- hört) als im syrischen Physiologus (spätere gar nicht zu erwähnen) häufig der "Physiologus" selbst citirt wird; d. h. in den Mittheilungen über die Thiere, welche unter den biblischen einer besondern Aufmerk- samkeit werth zu sein schienen, trug man zunächst das zusammen, was die Naturkundigen darüber gesagt hatten. An der weitern Composition konnte dann Jedermann, dem es überhaupt um eine solche Sammlung zu thun war, ändern und zusetzen oder weglassen nach Gutdünken.
Hiermit hängt dann auch zusammen, daß die Tradition mit oder ohne Grund einzelne Persönlichkeiten als Verfasser des Physiologus bezeichnete. So finden sich an der Spitze desselben außer den oftge- nannten Epiphanius und Chrysostomus noch Ambrosius66), Basilius
66) Schon Pitra macht auf den einzigen Codex, der diesen Namen trägt, aufmerksam. Er findet sich im S. Mary Magdalen College in Oxford, Nr. 27 (nicht 32, wie Pitra angibt). Der Güte meines Freundes Max Müller verdanke ich
Phyſiologus.
ſchon angeführte Schilderung des Elefanten, welche bis jetzt nirgend wo anders zu finden iſt.
Es iſt jedoch hier nicht der Ort, dieſer an und für ſich äußerſt intereſſanten und für die Litteraturgeſchichte des früheren Mittelalters bedeutungsvollen Aufgabe näher zu treten. Dagegen iſt es wichtig, die Frage nach dem etwaigen Verfaſſer und der Entſtehungsgeſchichte des Phyſiologus überhaupt zu unterſuchen.
Zunächſt iſt hervorzuheben, daß man es hier nicht mit einer Schrift zu thun hat, welche als eine in ihrem Wortlaute im Allgemei- nen feſtſtehende in Zeiten klöſterlichen Schreiberfleißes treu vervielfäl- tigt worden wäre. Von den älteſten bis zu den neueſten Bearbei- tungen finden ſich zwar immer wohl einzelne übereinſtimmende Hand- ſchriften. Doch iſt im Ganzen genommen eine ſtete Aenderung und Umwandlung ſowohl im Ausdruck als in der Zahl der Thiere und der Form der angehängten Allegorien nachzuweiſen, da kaum zwei aus ver- ſchiedenen Zeiten herrührende Handſchriften genau übereinſtimmen. Spricht ſchon dies für die Anſicht, daß man ſelbſt im frühen Mittel- alter nicht an einen beſtimmten Verfaſſer geglaubt hat, ſo wird dies noch weiter dadurch beſtätigt, daß ſowohl in der pſeudoepiphaniſchen Schrift (welche aber doch dem vierten oder fünften Jahrhundert ange- hört) als im ſyriſchen Phyſiologus (ſpätere gar nicht zu erwähnen) häufig der „Phyſiologus“ ſelbſt citirt wird; d. h. in den Mittheilungen über die Thiere, welche unter den bibliſchen einer beſondern Aufmerk- ſamkeit werth zu ſein ſchienen, trug man zunächſt das zuſammen, was die Naturkundigen darüber geſagt hatten. An der weitern Compoſition konnte dann Jedermann, dem es überhaupt um eine ſolche Sammlung zu thun war, ändern und zuſetzen oder weglaſſen nach Gutdünken.
Hiermit hängt dann auch zuſammen, daß die Tradition mit oder ohne Grund einzelne Perſönlichkeiten als Verfaſſer des Phyſiologus bezeichnete. So finden ſich an der Spitze deſſelben außer den oftge- nannten Epiphanius und Chryſoſtomus noch Ambroſius66), Baſilius
66) Schon Pitra macht auf den einzigen Codex, der dieſen Namen trägt, aufmerkſam. Er findet ſich im S. Mary Magdalen College in Oxford, Nr. 27 (nicht 32, wie Pitra angibt). Der Güte meines Freundes Max Müller verdanke ich
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Phyſiologus.
ſchon angeführte Schilderung des Elefanten, welche bis jetzt nirgend
wo anders zu finden iſt.
Es iſt jedoch hier nicht der Ort, dieſer an und für ſich äußerſt
intereſſanten und für die Litteraturgeſchichte des früheren Mittelalters
bedeutungsvollen Aufgabe näher zu treten. Dagegen iſt es wichtig, die
Frage nach dem etwaigen Verfaſſer und der Entſtehungsgeſchichte des
Phyſiologus überhaupt zu unterſuchen.
Zunächſt iſt hervorzuheben, daß man es hier nicht mit einer
Schrift zu thun hat, welche als eine in ihrem Wortlaute im Allgemei-
nen feſtſtehende in Zeiten klöſterlichen Schreiberfleißes treu vervielfäl-
tigt worden wäre. Von den älteſten bis zu den neueſten Bearbei-
tungen finden ſich zwar immer wohl einzelne übereinſtimmende Hand-
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Umwandlung ſowohl im Ausdruck als in der Zahl der Thiere und der
Form der angehängten Allegorien nachzuweiſen, da kaum zwei aus ver-
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Spricht ſchon dies für die Anſicht, daß man ſelbſt im frühen Mittel-
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noch weiter dadurch beſtätigt, daß ſowohl in der pſeudoepiphaniſchen
Schrift (welche aber doch dem vierten oder fünften Jahrhundert ange-
hört) als im ſyriſchen Phyſiologus (ſpätere gar nicht zu erwähnen)
häufig der „Phyſiologus“ ſelbſt citirt wird; d. h. in den Mittheilungen
über die Thiere, welche unter den bibliſchen einer beſondern Aufmerk-
ſamkeit werth zu ſein ſchienen, trug man zunächſt das zuſammen, was
die Naturkundigen darüber geſagt hatten. An der weitern Compoſition
konnte dann Jedermann, dem es überhaupt um eine ſolche Sammlung
zu thun war, ändern und zuſetzen oder weglaſſen nach Gutdünken.
Hiermit hängt dann auch zuſammen, daß die Tradition mit oder
ohne Grund einzelne Perſönlichkeiten als Verfaſſer des Phyſiologus
bezeichnete. So finden ſich an der Spitze deſſelben außer den oftge-
nannten Epiphanius und Chryſoſtomus noch Ambroſius 66), Baſilius
66) Schon Pitra macht auf den einzigen Codex, der dieſen Namen trägt,
aufmerkſam. Er findet ſich im S. Mary Magdalen College in Oxford, Nr. 27
(nicht 32, wie Pitra angibt). Der Güte meines Freundes Max Müller verdanke ich
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/150>, abgerufen am 28.11.2024.
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