Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

sei, aus welcher späterhin entweder eine volle Gesundheit
oder ein krankhafter Zustand des Geistes hervorgehen kann!

An diesem Orte ist es natürlich unmöglich alle diese
Dinge im Einzelnen zu verfolgen und darzulegen; aber
gewiß ist es, daß nur die größtmögliche Verständniß aller
dieser merkwürdigen Bildungsverhältnisse im Stande sein
kann auch die möglichst deutliche Einsicht darein zu geben
wie sehr Gesundheit des bewußten Geistes von
gesunder unbewußter leiblicher Entwicklung
be¬
dingt werde. Immer erst also da, wo, nach Maßgabe der
Eigenthümlichkeit der Monas der Seele, durch ihr eigen¬
thümliches unbewußtes Wirken eine wahrhaft gesunde Ge¬
staltung und Erhaltung des Organismus in der Fötus-
Periode hervorgegangen ist, wird die Möglichkeit gegeben
sein, daß auch in den spätern Perioden des Daseins jener
gesetzmäßige, von Krankheit freie Lebensgang sich entwickle,
den wir eben als leibliche Gesundheit, oder als Gesundheit
des unbewußten Seelenlebens bezeichnen.

Freilich sind die Ergebnisse einer gesunden ersten fötalen
Entwicklung nicht allein hinreichend, auch späterhin die
Gesundheit des unbewußten Lebens zu bewahren, sondern
geeignete Verhältnisse müssen von außen die Erhaltung der
Gesundheit begünstigen, und insbesondere wird es späterhin
eine wichtige Aufgabe erwachten Bewußtseins, nun, durch
die Intelligenz des Geistes, das Unbewußte zu bewahren
und zu schützen. Von da an hat also gleichsam das Be¬
wußte in uns den Dank abzutragen an das Unbewußte
aus dem hervor es sich gebildet hat, und wie überhaupt
alle Schönheit, alle Kraft, alle Bedeutung des Geistes
nur erreicht worden ist dadurch, daß vorher ein Unbewußtes
sich schön und kräftig und bedeutend entfaltete, so muß nun
auch der Geist wieder alle Umsicht und alle Weisheit an¬
wenden um immerfort den so leicht zu störenden Lebensgang
des Unbewußten seiner Seele zu erhalten und in seiner
Integrität zu hüten.

ſei, aus welcher ſpäterhin entweder eine volle Geſundheit
oder ein krankhafter Zuſtand des Geiſtes hervorgehen kann!

An dieſem Orte iſt es natürlich unmöglich alle dieſe
Dinge im Einzelnen zu verfolgen und darzulegen; aber
gewiß iſt es, daß nur die größtmögliche Verſtändniß aller
dieſer merkwürdigen Bildungsverhältniſſe im Stande ſein
kann auch die möglichſt deutliche Einſicht darein zu geben
wie ſehr Geſundheit des bewußten Geiſtes von
geſunder unbewußter leiblicher Entwicklung
be¬
dingt werde. Immer erſt alſo da, wo, nach Maßgabe der
Eigenthümlichkeit der Monas der Seele, durch ihr eigen¬
thümliches unbewußtes Wirken eine wahrhaft geſunde Ge¬
ſtaltung und Erhaltung des Organismus in der Fötus-
Periode hervorgegangen iſt, wird die Möglichkeit gegeben
ſein, daß auch in den ſpätern Perioden des Daſeins jener
geſetzmäßige, von Krankheit freie Lebensgang ſich entwickle,
den wir eben als leibliche Geſundheit, oder als Geſundheit
des unbewußten Seelenlebens bezeichnen.

Freilich ſind die Ergebniſſe einer geſunden erſten fötalen
Entwicklung nicht allein hinreichend, auch ſpäterhin die
Geſundheit des unbewußten Lebens zu bewahren, ſondern
geeignete Verhältniſſe müſſen von außen die Erhaltung der
Geſundheit begünſtigen, und insbeſondere wird es ſpäterhin
eine wichtige Aufgabe erwachten Bewußtſeins, nun, durch
die Intelligenz des Geiſtes, das Unbewußte zu bewahren
und zu ſchützen. Von da an hat alſo gleichſam das Be¬
wußte in uns den Dank abzutragen an das Unbewußte
aus dem hervor es ſich gebildet hat, und wie überhaupt
alle Schönheit, alle Kraft, alle Bedeutung des Geiſtes
nur erreicht worden iſt dadurch, daß vorher ein Unbewußtes
ſich ſchön und kräftig und bedeutend entfaltete, ſo muß nun
auch der Geiſt wieder alle Umſicht und alle Weisheit an¬
wenden um immerfort den ſo leicht zu ſtörenden Lebensgang
des Unbewußten ſeiner Seele zu erhalten und in ſeiner
Integrität zu hüten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0437" n="421"/>
&#x017F;ei, aus welcher &#x017F;päterhin entweder eine volle Ge&#x017F;undheit<lb/>
oder ein krankhafter Zu&#x017F;tand des Gei&#x017F;tes hervorgehen kann!</p><lb/>
            <p>An die&#x017F;em Orte i&#x017F;t es natürlich unmöglich alle die&#x017F;e<lb/>
Dinge im Einzelnen zu verfolgen und darzulegen; aber<lb/>
gewiß i&#x017F;t es, daß nur die größtmögliche Ver&#x017F;tändniß aller<lb/>
die&#x017F;er merkwürdigen Bildungsverhältni&#x017F;&#x017F;e im Stande &#x017F;ein<lb/>
kann auch die möglich&#x017F;t deutliche Ein&#x017F;icht darein zu geben<lb/><hi rendition="#g">wie &#x017F;ehr Ge&#x017F;undheit des bewußten Gei&#x017F;tes von<lb/>
ge&#x017F;under unbewußter leiblicher Entwicklung</hi> be¬<lb/>
dingt werde. Immer er&#x017F;t al&#x017F;o da, wo, nach Maßgabe der<lb/>
Eigenthümlichkeit der Monas der Seele, durch ihr eigen¬<lb/>
thümliches unbewußtes Wirken eine wahrhaft ge&#x017F;unde Ge¬<lb/>
&#x017F;taltung und Erhaltung des Organismus in der Fötus-<lb/>
Periode hervorgegangen i&#x017F;t, wird die Möglichkeit gegeben<lb/>
&#x017F;ein, daß auch in den &#x017F;pätern Perioden des Da&#x017F;eins jener<lb/>
ge&#x017F;etzmäßige, von Krankheit freie Lebensgang &#x017F;ich entwickle,<lb/>
den wir eben als leibliche Ge&#x017F;undheit, oder als Ge&#x017F;undheit<lb/>
des unbewußten Seelenlebens bezeichnen.</p><lb/>
            <p>Freilich &#x017F;ind die Ergebni&#x017F;&#x017F;e einer ge&#x017F;unden er&#x017F;ten fötalen<lb/>
Entwicklung nicht allein hinreichend, auch &#x017F;päterhin die<lb/>
Ge&#x017F;undheit des unbewußten Lebens zu bewahren, &#x017F;ondern<lb/>
geeignete Verhältni&#x017F;&#x017F;e mü&#x017F;&#x017F;en von außen die Erhaltung der<lb/>
Ge&#x017F;undheit begün&#x017F;tigen, und insbe&#x017F;ondere wird es &#x017F;päterhin<lb/>
eine wichtige Aufgabe erwachten Bewußt&#x017F;eins, nun, durch<lb/>
die Intelligenz des Gei&#x017F;tes, das Unbewußte zu bewahren<lb/>
und zu &#x017F;chützen. Von da an hat al&#x017F;o gleich&#x017F;am das Be¬<lb/>
wußte in uns den Dank abzutragen an das Unbewußte<lb/>
aus dem hervor es &#x017F;ich gebildet hat, und wie überhaupt<lb/>
alle Schönheit, alle Kraft, alle Bedeutung des Gei&#x017F;tes<lb/>
nur erreicht worden i&#x017F;t dadurch, daß vorher ein Unbewußtes<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chön und kräftig und bedeutend entfaltete, &#x017F;o muß nun<lb/>
auch der Gei&#x017F;t wieder alle Um&#x017F;icht und alle Weisheit an¬<lb/>
wenden um immerfort den &#x017F;o leicht zu &#x017F;törenden Lebensgang<lb/>
des Unbewußten &#x017F;einer Seele zu erhalten und in &#x017F;einer<lb/>
Integrität zu hüten.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[421/0437] ſei, aus welcher ſpäterhin entweder eine volle Geſundheit oder ein krankhafter Zuſtand des Geiſtes hervorgehen kann! An dieſem Orte iſt es natürlich unmöglich alle dieſe Dinge im Einzelnen zu verfolgen und darzulegen; aber gewiß iſt es, daß nur die größtmögliche Verſtändniß aller dieſer merkwürdigen Bildungsverhältniſſe im Stande ſein kann auch die möglichſt deutliche Einſicht darein zu geben wie ſehr Geſundheit des bewußten Geiſtes von geſunder unbewußter leiblicher Entwicklung be¬ dingt werde. Immer erſt alſo da, wo, nach Maßgabe der Eigenthümlichkeit der Monas der Seele, durch ihr eigen¬ thümliches unbewußtes Wirken eine wahrhaft geſunde Ge¬ ſtaltung und Erhaltung des Organismus in der Fötus- Periode hervorgegangen iſt, wird die Möglichkeit gegeben ſein, daß auch in den ſpätern Perioden des Daſeins jener geſetzmäßige, von Krankheit freie Lebensgang ſich entwickle, den wir eben als leibliche Geſundheit, oder als Geſundheit des unbewußten Seelenlebens bezeichnen. Freilich ſind die Ergebniſſe einer geſunden erſten fötalen Entwicklung nicht allein hinreichend, auch ſpäterhin die Geſundheit des unbewußten Lebens zu bewahren, ſondern geeignete Verhältniſſe müſſen von außen die Erhaltung der Geſundheit begünſtigen, und insbeſondere wird es ſpäterhin eine wichtige Aufgabe erwachten Bewußtſeins, nun, durch die Intelligenz des Geiſtes, das Unbewußte zu bewahren und zu ſchützen. Von da an hat alſo gleichſam das Be¬ wußte in uns den Dank abzutragen an das Unbewußte aus dem hervor es ſich gebildet hat, und wie überhaupt alle Schönheit, alle Kraft, alle Bedeutung des Geiſtes nur erreicht worden iſt dadurch, daß vorher ein Unbewußtes ſich ſchön und kräftig und bedeutend entfaltete, ſo muß nun auch der Geiſt wieder alle Umſicht und alle Weisheit an¬ wenden um immerfort den ſo leicht zu ſtörenden Lebensgang des Unbewußten ſeiner Seele zu erhalten und in ſeiner Integrität zu hüten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/437
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/437>, abgerufen am 25.11.2024.