Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 219.

Wir kommen nun zur Betrachtung des Krankheits-
verlaufs
, woraus sich denn zugleich die Prognose mit
ergeben wird. Zunächst aber bemerken wir, daß die Krank-
heit häufig, und insbesondre wo sie bloße Folge rascher kör-
perlicher Entwicklung ist, einen sehr gutartigen Charakter
zeigt, und bald, vorzüglich nachdem die Menstruation wirk-
lich erschienen, und in regelmäßigen Gang gekommen ist,
wieder, ohne nachtheilige Folgen verschwindet; Fälle, bey
welchen die Bleichsucht als wahre Uebergangsperiode erscheint
und ganz den Moliminibus der Menstruation verglichen
werden kann, ja oft eines derselben mit ausmacht. Langwie-
riger und in ihren Zufällen beschwerlicher pflegt sie dagegen
zu seyn, wenn die §. 218. erwähnten entfernten Ursachen
der ersten Klasse auf einen schon von Anfang sehr reitzbaren
und schwächlichen Körper in höherem Grade einwirkten, die
Organe der Assimilation selbst bereits in ihrer Bildung um-
geändert, die Gekrösdrüsen angeschwollen, die Verdauung zer-
rüttet ist; auch hier freylich wird die Bleichsucht nicht an
und für sich gefährlich werden, allein sie macht den Ueber-
gang zu andern Cachexien, es entsteht Haut-, Brust- oder
Bauchwassersucht, es bilden sich fauligte oder lentescirende
Fieber, es entstehen Eiterungen in den Geburtstheilen, scor-
butische Blutungen, Gangrän, und durch diese Zufälle stirbt
die Kranke. Etwas weniger ungünstig ist meistens der Ver-
lauf, wenn die Ursachen zweiter Klasse, und also mehr vom
Organ aus, die Krankheit erregten; die Zufälle sind hier oft
mehr acuter Natur, Schwindel, Congestionen, Blutungen,
werden hierbey häufiger beobachtet, diese Beschwerden indeß,
wenn sie nur durch eine zweckmäßige Lebensweise geleitet
werden, gleichen sich nach und nach wieder aus, vorzüglich
wenn bereits die Menstruation früher im Gange gewesen ist.
Nur wo die Verbildungen der Geschlechtstheile sehr beträcht-
lich sind, die Krankheit bereits längere Zeit gedauert hat,
scrofulöse Constitution und ungünstige äußere Verhältnisse die
Heilung erschweren, wird die Prognose schlimmer, und ähn-
liche Zufälle, wie die oben erwähnten, stehen zu besorgen,
Daß übrigens auch bey beträchtlichen, aber die Operation

§. 219.

Wir kommen nun zur Betrachtung des Krankheits-
verlaufs
, woraus ſich denn zugleich die Prognoſe mit
ergeben wird. Zunaͤchſt aber bemerken wir, daß die Krank-
heit haͤufig, und insbeſondre wo ſie bloße Folge raſcher koͤr-
perlicher Entwicklung iſt, einen ſehr gutartigen Charakter
zeigt, und bald, vorzuͤglich nachdem die Menſtruation wirk-
lich erſchienen, und in regelmaͤßigen Gang gekommen iſt,
wieder, ohne nachtheilige Folgen verſchwindet; Faͤlle, bey
welchen die Bleichſucht als wahre Uebergangsperiode erſcheint
und ganz den Moliminibus der Menſtruation verglichen
werden kann, ja oft eines derſelben mit ausmacht. Langwie-
riger und in ihren Zufaͤllen beſchwerlicher pflegt ſie dagegen
zu ſeyn, wenn die §. 218. erwaͤhnten entfernten Urſachen
der erſten Klaſſe auf einen ſchon von Anfang ſehr reitzbaren
und ſchwaͤchlichen Koͤrper in hoͤherem Grade einwirkten, die
Organe der Aſſimilation ſelbſt bereits in ihrer Bildung um-
geaͤndert, die Gekroͤsdruͤſen angeſchwollen, die Verdauung zer-
ruͤttet iſt; auch hier freylich wird die Bleichſucht nicht an
und fuͤr ſich gefaͤhrlich werden, allein ſie macht den Ueber-
gang zu andern Cachexien, es entſteht Haut-, Bruſt- oder
Bauchwaſſerſucht, es bilden ſich fauligte oder lentescirende
Fieber, es entſtehen Eiterungen in den Geburtstheilen, ſcor-
butiſche Blutungen, Gangraͤn, und durch dieſe Zufaͤlle ſtirbt
die Kranke. Etwas weniger unguͤnſtig iſt meiſtens der Ver-
lauf, wenn die Urſachen zweiter Klaſſe, und alſo mehr vom
Organ aus, die Krankheit erregten; die Zufaͤlle ſind hier oft
mehr acuter Natur, Schwindel, Congeſtionen, Blutungen,
werden hierbey haͤufiger beobachtet, dieſe Beſchwerden indeß,
wenn ſie nur durch eine zweckmaͤßige Lebensweiſe geleitet
werden, gleichen ſich nach und nach wieder aus, vorzuͤglich
wenn bereits die Menſtruation fruͤher im Gange geweſen iſt.
Nur wo die Verbildungen der Geſchlechtstheile ſehr betraͤcht-
lich ſind, die Krankheit bereits laͤngere Zeit gedauert hat,
ſcrofuloͤſe Conſtitution und unguͤnſtige aͤußere Verhaͤltniſſe die
Heilung erſchweren, wird die Prognoſe ſchlimmer, und aͤhn-
liche Zufaͤlle, wie die oben erwaͤhnten, ſtehen zu beſorgen,
Daß uͤbrigens auch bey betraͤchtlichen, aber die Operation

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <pb facs="#f0184" n="164"/>
                        <div n="10">
                          <head>§. 219.</head><lb/>
                          <p>Wir kommen nun zur Betrachtung des <hi rendition="#g">Krankheits-<lb/>
verlaufs</hi>, woraus &#x017F;ich denn zugleich die <hi rendition="#g">Progno&#x017F;e</hi> mit<lb/>
ergeben wird. Zuna&#x0364;ch&#x017F;t aber bemerken wir, daß die Krank-<lb/>
heit ha&#x0364;ufig, und insbe&#x017F;ondre wo &#x017F;ie bloße Folge ra&#x017F;cher ko&#x0364;r-<lb/>
perlicher Entwicklung i&#x017F;t, einen &#x017F;ehr gutartigen Charakter<lb/>
zeigt, und bald, vorzu&#x0364;glich nachdem die Men&#x017F;truation wirk-<lb/>
lich er&#x017F;chienen, und in regelma&#x0364;ßigen Gang gekommen i&#x017F;t,<lb/>
wieder, ohne nachtheilige Folgen ver&#x017F;chwindet; Fa&#x0364;lle, bey<lb/>
welchen die Bleich&#x017F;ucht als wahre Uebergangsperiode er&#x017F;cheint<lb/>
und ganz den <hi rendition="#aq">Moliminibus</hi> der Men&#x017F;truation verglichen<lb/>
werden kann, ja oft eines der&#x017F;elben mit ausmacht. Langwie-<lb/>
riger und in ihren Zufa&#x0364;llen be&#x017F;chwerlicher pflegt &#x017F;ie dagegen<lb/>
zu &#x017F;eyn, wenn die §. 218. erwa&#x0364;hnten entfernten Ur&#x017F;achen<lb/>
der er&#x017F;ten Kla&#x017F;&#x017F;e auf einen &#x017F;chon von Anfang &#x017F;ehr reitzbaren<lb/>
und &#x017F;chwa&#x0364;chlichen Ko&#x0364;rper in ho&#x0364;herem Grade einwirkten, die<lb/>
Organe der A&#x017F;&#x017F;imilation &#x017F;elb&#x017F;t bereits in ihrer Bildung um-<lb/>
gea&#x0364;ndert, die Gekro&#x0364;sdru&#x0364;&#x017F;en ange&#x017F;chwollen, die Verdauung zer-<lb/>
ru&#x0364;ttet i&#x017F;t; auch hier freylich wird die Bleich&#x017F;ucht nicht an<lb/>
und fu&#x0364;r &#x017F;ich gefa&#x0364;hrlich werden, allein &#x017F;ie macht den Ueber-<lb/>
gang zu andern Cachexien, es ent&#x017F;teht Haut-, Bru&#x017F;t- oder<lb/>
Bauchwa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ucht, es bilden &#x017F;ich fauligte oder lentescirende<lb/>
Fieber, es ent&#x017F;tehen Eiterungen in den Geburtstheilen, &#x017F;cor-<lb/>
buti&#x017F;che Blutungen, Gangra&#x0364;n, und durch die&#x017F;e Zufa&#x0364;lle &#x017F;tirbt<lb/>
die Kranke. Etwas weniger ungu&#x0364;n&#x017F;tig i&#x017F;t mei&#x017F;tens der Ver-<lb/>
lauf, wenn die Ur&#x017F;achen zweiter Kla&#x017F;&#x017F;e, und al&#x017F;o mehr vom<lb/>
Organ aus, die Krankheit erregten; die Zufa&#x0364;lle &#x017F;ind hier oft<lb/>
mehr acuter Natur, Schwindel, Conge&#x017F;tionen, Blutungen,<lb/>
werden hierbey ha&#x0364;ufiger beobachtet, die&#x017F;e Be&#x017F;chwerden indeß,<lb/>
wenn &#x017F;ie nur durch eine zweckma&#x0364;ßige Lebenswei&#x017F;e geleitet<lb/>
werden, gleichen &#x017F;ich nach und nach wieder aus, vorzu&#x0364;glich<lb/>
wenn bereits die Men&#x017F;truation fru&#x0364;her im Gange gewe&#x017F;en i&#x017F;t.<lb/>
Nur wo die Verbildungen der Ge&#x017F;chlechtstheile &#x017F;ehr betra&#x0364;cht-<lb/>
lich &#x017F;ind, die Krankheit bereits la&#x0364;ngere Zeit gedauert hat,<lb/>
&#x017F;crofulo&#x0364;&#x017F;e Con&#x017F;titution und ungu&#x0364;n&#x017F;tige a&#x0364;ußere Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e die<lb/>
Heilung er&#x017F;chweren, wird die Progno&#x017F;e &#x017F;chlimmer, und a&#x0364;hn-<lb/>
liche Zufa&#x0364;lle, wie die oben erwa&#x0364;hnten, &#x017F;tehen zu be&#x017F;orgen,<lb/>
Daß u&#x0364;brigens auch bey betra&#x0364;chtlichen, aber die Operation<lb/></p>
                        </div>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0184] §. 219. Wir kommen nun zur Betrachtung des Krankheits- verlaufs, woraus ſich denn zugleich die Prognoſe mit ergeben wird. Zunaͤchſt aber bemerken wir, daß die Krank- heit haͤufig, und insbeſondre wo ſie bloße Folge raſcher koͤr- perlicher Entwicklung iſt, einen ſehr gutartigen Charakter zeigt, und bald, vorzuͤglich nachdem die Menſtruation wirk- lich erſchienen, und in regelmaͤßigen Gang gekommen iſt, wieder, ohne nachtheilige Folgen verſchwindet; Faͤlle, bey welchen die Bleichſucht als wahre Uebergangsperiode erſcheint und ganz den Moliminibus der Menſtruation verglichen werden kann, ja oft eines derſelben mit ausmacht. Langwie- riger und in ihren Zufaͤllen beſchwerlicher pflegt ſie dagegen zu ſeyn, wenn die §. 218. erwaͤhnten entfernten Urſachen der erſten Klaſſe auf einen ſchon von Anfang ſehr reitzbaren und ſchwaͤchlichen Koͤrper in hoͤherem Grade einwirkten, die Organe der Aſſimilation ſelbſt bereits in ihrer Bildung um- geaͤndert, die Gekroͤsdruͤſen angeſchwollen, die Verdauung zer- ruͤttet iſt; auch hier freylich wird die Bleichſucht nicht an und fuͤr ſich gefaͤhrlich werden, allein ſie macht den Ueber- gang zu andern Cachexien, es entſteht Haut-, Bruſt- oder Bauchwaſſerſucht, es bilden ſich fauligte oder lentescirende Fieber, es entſtehen Eiterungen in den Geburtstheilen, ſcor- butiſche Blutungen, Gangraͤn, und durch dieſe Zufaͤlle ſtirbt die Kranke. Etwas weniger unguͤnſtig iſt meiſtens der Ver- lauf, wenn die Urſachen zweiter Klaſſe, und alſo mehr vom Organ aus, die Krankheit erregten; die Zufaͤlle ſind hier oft mehr acuter Natur, Schwindel, Congeſtionen, Blutungen, werden hierbey haͤufiger beobachtet, dieſe Beſchwerden indeß, wenn ſie nur durch eine zweckmaͤßige Lebensweiſe geleitet werden, gleichen ſich nach und nach wieder aus, vorzuͤglich wenn bereits die Menſtruation fruͤher im Gange geweſen iſt. Nur wo die Verbildungen der Geſchlechtstheile ſehr betraͤcht- lich ſind, die Krankheit bereits laͤngere Zeit gedauert hat, ſcrofuloͤſe Conſtitution und unguͤnſtige aͤußere Verhaͤltniſſe die Heilung erſchweren, wird die Prognoſe ſchlimmer, und aͤhn- liche Zufaͤlle, wie die oben erwaͤhnten, ſtehen zu beſorgen, Daß uͤbrigens auch bey betraͤchtlichen, aber die Operation

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/184
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/184>, abgerufen am 22.11.2024.