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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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1. Osman der I
16.

Nachdem itzo die meisten Städte von Bithynien erobert, und seinBelagert Prusa,
und hebet die
Belagerung wie-
der auf.

Reich nunmehr wohl befestiget war: so nahm Osman zuletzt im Jahre der
Hidschret 717 die Belagerung von Prusa 15, der Hauptstadt in Bithynien, vor.
Allein, die Stadt war stark befestiget und wurde durch eine zahlreiche BesatzungH. 717.



J. C. 1318.
vertheidiget: es war also sehr schwer, wo nicht gar unmöglich, dieselbe zu erobern.
Daher bauete Osman gegen die Stadt über zwey Schlösser, um zu verhindern,
daß nicht etwan frische Ergänzungsvölker oder Lebensmittel hinein gebracht
werden möchten. Die Bewahrung davon gab er seinem Bruderssohne Arti-
mur, und die von den übrigen Plätzen da herum, dem berühmten Kriegsbe-
fehlhaber Balandschik, mit scharfem Befehle, die Einwohner auf keine Weise
zu beschweren oder zu beleidigen. Hiedurch erhielte er, daß alle Unterthanen
des Bezirks von Prusa, um ihrer Sicherheit und Erhaltung ihres Lebens wil-
len, in diese Schlösser, als in eine Freystadt, flohen und sich der osmanischen
Herrschaft freywillig unterwarfen.

17.

Es war Osmans Gewohnheit, wann er eine gewisse Anzahl StädteOsman bietet
den Christen ent-
weder den Ku-
ron, oder das
Schwert an, und
bringet durch
beyderley Mittel
viele unter seine
Herrschaft.

erobert hatte, daß er von dem geschwinden Laufe seiner Siege einhielt, und sich
und seinem Heere Ruhe vergönnete: mittlerweile aber die Sachen der letzter-
oberten Länder in Ordnung brachte, und den Einwohnern wieder Friede und
Ruhe verschaffte. Als er nun einige Jahre in dieser Absicht zu Hause zuge-
bracht hatte: so kamen seine Soldaten, die des Siegens und Beutemachens
gewohnt waren und die Muße und Ruhe nicht vertragen konnten, mit einer
demüthigen Bitte vor ihn, daß er sie doch auf neue Eroberungen gegen das
griechische Reich ausführen möchte. Der kluge und in Führung öffentlicher
Geschäffte höchst verschlagene Osman verspricht ihnen ohne Anstand, in ihre
Bitte einzuwilligen: allein, saget er, die Ausbreitung der muhämmedischen
Religion muß dabey doch auch nicht verabsäumet werden; und stellet ihnen vor,
daß man die Gebote des Kurons allen Schätzen und Reichen der Welt vor-
ziehen müsse. Er beweiset ihnen folglich aus einem Gesetze des Kurons, daß
die christlichen Fürsten anfangs friedlich zu der muhämmedischen Religion müß-
ten eingeladen werden: und im Falle, daß sie sich weigerten zu gehorchen; so
[Spaltenumbruch]

türkischen Reiches dahin ziehen. Ein türki-
scher Dichter hat eine Innschrift in Versen
auf die Bäder zu Bursah gemacht, die fol-
gendes Inhalts ist: Man hat sich nicht zu
verwundern, daß die große Anzahl nacketer
Personen in diesen Bädern die allgemeine Auf-
erstehung der Todten so geschickt abbildet;
[Spaltenumbruch]
denn die Quellen von dem Wasser, darinnen
sie sich baden, haben ihren Ursprung von den
Brunnen des Paradieses. Als Orchan Prusa
eroberte: so machte er dasselbe zum Hauptsitze
seines Reiches, wie wir hiernächst sehen
werden.]

müßte
D
1. Osman der I
16.

Nachdem itzo die meiſten Staͤdte von Bithynien erobert, und ſeinBelagert Pruſa,
und hebet die
Belagerung wie-
der auf.

Reich nunmehr wohl befeſtiget war: ſo nahm Osman zuletzt im Jahre der
Hidſchret 717 die Belagerung von Pruſa 15, der Hauptſtadt in Bithynien, vor.
Allein, die Stadt war ſtark befeſtiget und wurde durch eine zahlreiche BeſatzungH. 717.



J. C. 1318.
vertheidiget: es war alſo ſehr ſchwer, wo nicht gar unmoͤglich, dieſelbe zu erobern.
Daher bauete Osman gegen die Stadt uͤber zwey Schloͤſſer, um zu verhindern,
daß nicht etwan friſche Ergaͤnzungsvoͤlker oder Lebensmittel hinein gebracht
werden moͤchten. Die Bewahrung davon gab er ſeinem Brudersſohne Arti-
mur, und die von den uͤbrigen Plaͤtzen da herum, dem beruͤhmten Kriegsbe-
fehlhaber Balandſchik, mit ſcharfem Befehle, die Einwohner auf keine Weiſe
zu beſchweren oder zu beleidigen. Hiedurch erhielte er, daß alle Unterthanen
des Bezirks von Pruſa, um ihrer Sicherheit und Erhaltung ihres Lebens wil-
len, in dieſe Schloͤſſer, als in eine Freyſtadt, flohen und ſich der osmaniſchen
Herrſchaft freywillig unterwarfen.

17.

Es war Osmans Gewohnheit, wann er eine gewiſſe Anzahl StaͤdteOsman bietet
den Chriſten ent-
weder den Ku-
ron, oder das
Schwert an, und
bringet durch
beyderley Mittel
viele unter ſeine
Herrſchaft.

erobert hatte, daß er von dem geſchwinden Laufe ſeiner Siege einhielt, und ſich
und ſeinem Heere Ruhe vergoͤnnete: mittlerweile aber die Sachen der letzter-
oberten Laͤnder in Ordnung brachte, und den Einwohnern wieder Friede und
Ruhe verſchaffte. Als er nun einige Jahre in dieſer Abſicht zu Hauſe zuge-
bracht hatte: ſo kamen ſeine Soldaten, die des Siegens und Beutemachens
gewohnt waren und die Muße und Ruhe nicht vertragen konnten, mit einer
demuͤthigen Bitte vor ihn, daß er ſie doch auf neue Eroberungen gegen das
griechiſche Reich ausfuͤhren moͤchte. Der kluge und in Fuͤhrung oͤffentlicher
Geſchaͤffte hoͤchſt verſchlagene Osman verſpricht ihnen ohne Anſtand, in ihre
Bitte einzuwilligen: allein, ſaget er, die Ausbreitung der muhaͤmmediſchen
Religion muß dabey doch auch nicht verabſaͤumet werden; und ſtellet ihnen vor,
daß man die Gebote des Kurons allen Schaͤtzen und Reichen der Welt vor-
ziehen muͤſſe. Er beweiſet ihnen folglich aus einem Geſetze des Kurons, daß
die chriſtlichen Fuͤrſten anfangs friedlich zu der muhaͤmmediſchen Religion muͤß-
ten eingeladen werden: und im Falle, daß ſie ſich weigerten zu gehorchen; ſo
[Spaltenumbruch]

tuͤrkiſchen Reiches dahin ziehen. Ein tuͤrki-
ſcher Dichter hat eine Innſchrift in Verſen
auf die Baͤder zu Burſah gemacht, die fol-
gendes Inhalts iſt: Man hat ſich nicht zu
verwundern, daß die große Anzahl nacketer
Perſonen in dieſen Baͤdern die allgemeine Auf-
erſtehung der Todten ſo geſchickt abbildet;
[Spaltenumbruch]
denn die Quellen von dem Waſſer, darinnen
ſie ſich baden, haben ihren Urſprung von den
Brunnen des Paradieſes. Als Orchan Pruſa
eroberte: ſo machte er daſſelbe zum Hauptſitze
ſeines Reiches, wie wir hiernaͤchſt ſehen
werden.]

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[25/0097] 1. Osman der I 16. Nachdem itzo die meiſten Staͤdte von Bithynien erobert, und ſein Reich nunmehr wohl befeſtiget war: ſo nahm Osman zuletzt im Jahre der Hidſchret 717 die Belagerung von Pruſa ¹⁵ , der Hauptſtadt in Bithynien, vor. Allein, die Stadt war ſtark befeſtiget und wurde durch eine zahlreiche Beſatzung vertheidiget: es war alſo ſehr ſchwer, wo nicht gar unmoͤglich, dieſelbe zu erobern. Daher bauete Osman gegen die Stadt uͤber zwey Schloͤſſer, um zu verhindern, daß nicht etwan friſche Ergaͤnzungsvoͤlker oder Lebensmittel hinein gebracht werden moͤchten. Die Bewahrung davon gab er ſeinem Brudersſohne Arti- mur, und die von den uͤbrigen Plaͤtzen da herum, dem beruͤhmten Kriegsbe- fehlhaber Balandſchik, mit ſcharfem Befehle, die Einwohner auf keine Weiſe zu beſchweren oder zu beleidigen. Hiedurch erhielte er, daß alle Unterthanen des Bezirks von Pruſa, um ihrer Sicherheit und Erhaltung ihres Lebens wil- len, in dieſe Schloͤſſer, als in eine Freyſtadt, flohen und ſich der osmaniſchen Herrſchaft freywillig unterwarfen. Belagert Pruſa, und hebet die Belagerung wie- der auf. H. 717. J. C. 1318. 17. Es war Osmans Gewohnheit, wann er eine gewiſſe Anzahl Staͤdte erobert hatte, daß er von dem geſchwinden Laufe ſeiner Siege einhielt, und ſich und ſeinem Heere Ruhe vergoͤnnete: mittlerweile aber die Sachen der letzter- oberten Laͤnder in Ordnung brachte, und den Einwohnern wieder Friede und Ruhe verſchaffte. Als er nun einige Jahre in dieſer Abſicht zu Hauſe zuge- bracht hatte: ſo kamen ſeine Soldaten, die des Siegens und Beutemachens gewohnt waren und die Muße und Ruhe nicht vertragen konnten, mit einer demuͤthigen Bitte vor ihn, daß er ſie doch auf neue Eroberungen gegen das griechiſche Reich ausfuͤhren moͤchte. Der kluge und in Fuͤhrung oͤffentlicher Geſchaͤffte hoͤchſt verſchlagene Osman verſpricht ihnen ohne Anſtand, in ihre Bitte einzuwilligen: allein, ſaget er, die Ausbreitung der muhaͤmmediſchen Religion muß dabey doch auch nicht verabſaͤumet werden; und ſtellet ihnen vor, daß man die Gebote des Kurons allen Schaͤtzen und Reichen der Welt vor- ziehen muͤſſe. Er beweiſet ihnen folglich aus einem Geſetze des Kurons, daß die chriſtlichen Fuͤrſten anfangs friedlich zu der muhaͤmmediſchen Religion muͤß- ten eingeladen werden: und im Falle, daß ſie ſich weigerten zu gehorchen; ſo muͤßte tuͤrkiſchen Reiches dahin ziehen. Ein tuͤrki- ſcher Dichter hat eine Innſchrift in Verſen auf die Baͤder zu Burſah gemacht, die fol- gendes Inhalts iſt: Man hat ſich nicht zu verwundern, daß die große Anzahl nacketer Perſonen in dieſen Baͤdern die allgemeine Auf- erſtehung der Todten ſo geſchickt abbildet; denn die Quellen von dem Waſſer, darinnen ſie ſich baden, haben ihren Urſprung von den Brunnen des Paradieſes. Als Orchan Pruſa eroberte: ſo machte er daſſelbe zum Hauptſitze ſeines Reiches, wie wir hiernaͤchſt ſehen werden.] Osman bietet den Chriſten ent- weder den Ku- ron, oder das Schwert an, und bringet durch beyderley Mittel viele unter ſeine Herrſchaft. D

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/97>, abgerufen am 22.11.2024.