Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite

Osmanische Geschichte
Fürsten in seine Regierung erleget wird, zu übersenden; eine große Menge
Lebensmittel für das türkische Kriegesheer zusammen zu bringen; die Brücke
mit der äußersten Behendigkeit in vollkommenen Stand zu setzen; den
Schweden und Kosaken, die sich bey dem Könige von Schweden aufhielten,
Winterlager zu verschaffen; und selbst mit seinen Völkern um Chißrelleß*
sich bey Bender einzufinden: nebst noch viel mehr andern unerträglichen
Belästigungen.

Dadurch wird
er bewogen, sei-
ne getreuen
Dienste einem
redlichen Mo-
narchen anzu-bieten.
33.

Weil nun Kantemir aus diesen ersten Früchten erkannte, wie we-
nig Glaube von den Unglaubigen zu erwarten sey: so warf er die Verbindung
an das türkische Beste ab, und achtete es für rathsamer, mit Christus zu leiden,
als auf die betrieglichen Schätze Aegyptens zu hoffen. Er sendete daher einen
vertrauten Boten an den Zar, und ließ demselben sich und sein Fürstenthum
zum Dienste anbieten.

Der Zar ziehet
mit seinem Hee-
re nach Jassij,
der Hauptstadtin Moldau.
34.

Nachdem die Versicherungen der Treue gegen einander ausgewech-
selt waren: so schickte der Zar aus Polen seinen Feldhauptmann, Boris Pe-
trowitsch Scheremetew, mit einem Theile seiner Völker voraus, um sich der
Brücke über die Donau zu bemächtigen; er selbst aber folgte mit den übrigen
H. 1123.



J. C. 1711.Truppen im Monate Dschemaßiül ewwel des Jahres 1123 bald nach, und
schlug sein Lager an dem Prut bey Tschutschora auf. Hier vereinigte er sich
mit den moldauischen Völkern, und reisete hierauf mit einigen seiner Kriegs-
befehlhaber nach Jassij, da derselbe drey Tage lang die Kirchen und Klöster
andächtig besuchte, und auf die Lebensmittel wartete, die ihm der Fürst von
der Walachey versprochen hatte.

Der Fürst in
der Walachey,
Brankowan,
bricht sein feier-
liches Verspre-chen.
35.

Da aber derselbe merkte, daß dessen Abgesandter, an statt das Ver-
sprochene zu erfüllen, ihn nur mit leeren Höflichkeitsbezeigungen hinhalten wollte;
und nunmehr von dessen Verrathe versichert war: so gerieth er in großen Zwei-
fel, ob er weiter fortrücken, Stand halten oder sich zurückziehen sollte. Denn
der Hunger, ein Unglück, das den Christen, die in Moldau Krieg führen,
gefährlich zu seyn pfleget, hatte bereits angefangen, in dem russischen Lager
[Spaltenumbruch]

gen), und machte ihn zum Oberhofmeister;
welche Stelle er so lange genoß, als der
Weßir seine Würde behielte. Nachdem aber
[Spaltenumbruch]
der Weßir abgesetzet und verbannet worden,
auch von dem Kriegesheere keine Gefahr
mehr zu befürchten war: so wurde Osman

Noth
* 374 S. 9 Anm.

Osmaniſche Geſchichte
Fuͤrſten in ſeine Regierung erleget wird, zu uͤberſenden; eine große Menge
Lebensmittel fuͤr das tuͤrkiſche Kriegesheer zuſammen zu bringen; die Bruͤcke
mit der aͤußerſten Behendigkeit in vollkommenen Stand zu ſetzen; den
Schweden und Koſaken, die ſich bey dem Koͤnige von Schweden aufhielten,
Winterlager zu verſchaffen; und ſelbſt mit ſeinen Voͤlkern um Chißrelleß*
ſich bey Bender einzufinden: nebſt noch viel mehr andern unertraͤglichen
Belaͤſtigungen.

Dadurch wird
er bewogen, ſei-
ne getreuen
Dienſte einem
redlichen Mo-
narchen anzu-bieten.
33.

Weil nun Kantemir aus dieſen erſten Fruͤchten erkannte, wie we-
nig Glaube von den Unglaubigen zu erwarten ſey: ſo warf er die Verbindung
an das tuͤrkiſche Beſte ab, und achtete es fuͤr rathſamer, mit Chriſtus zu leiden,
als auf die betrieglichen Schaͤtze Aegyptens zu hoffen. Er ſendete daher einen
vertrauten Boten an den Zar, und ließ demſelben ſich und ſein Fuͤrſtenthum
zum Dienſte anbieten.

Der Zar ziehet
mit ſeinem Hee-
re nach Jaſſij,
der Hauptſtadtin Moldau.
34.

Nachdem die Verſicherungen der Treue gegen einander ausgewech-
ſelt waren: ſo ſchickte der Zar aus Polen ſeinen Feldhauptmann, Boris Pe-
trowitſch Scheremetew, mit einem Theile ſeiner Voͤlker voraus, um ſich der
Bruͤcke uͤber die Donau zu bemaͤchtigen; er ſelbſt aber folgte mit den uͤbrigen
H. 1123.



J. C. 1711.Truppen im Monate Dſchemaßiuͤl ewwel des Jahres 1123 bald nach, und
ſchlug ſein Lager an dem Prut bey Tſchutſchora auf. Hier vereinigte er ſich
mit den moldauiſchen Voͤlkern, und reiſete hierauf mit einigen ſeiner Kriegs-
befehlhaber nach Jaſſij, da derſelbe drey Tage lang die Kirchen und Kloͤſter
andaͤchtig beſuchte, und auf die Lebensmittel wartete, die ihm der Fuͤrſt von
der Walachey verſprochen hatte.

Der Fuͤrſt in
der Walachey,
Brankowan,
bricht ſein feier-
liches Verſpre-chen.
35.

Da aber derſelbe merkte, daß deſſen Abgeſandter, an ſtatt das Ver-
ſprochene zu erfuͤllen, ihn nur mit leeren Hoͤflichkeitsbezeigungen hinhalten wollte;
und nunmehr von deſſen Verrathe verſichert war: ſo gerieth er in großen Zwei-
fel, ob er weiter fortruͤcken, Stand halten oder ſich zuruͤckziehen ſollte. Denn
der Hunger, ein Ungluͤck, das den Chriſten, die in Moldau Krieg fuͤhren,
gefaͤhrlich zu ſeyn pfleget, hatte bereits angefangen, in dem ruſſiſchen Lager
[Spaltenumbruch]

gen), und machte ihn zum Oberhofmeiſter;
welche Stelle er ſo lange genoß, als der
Weßir ſeine Wuͤrde behielte. Nachdem aber
[Spaltenumbruch]
der Weßir abgeſetzet und verbannet worden,
auch von dem Kriegesheere keine Gefahr
mehr zu befuͤrchten war: ſo wurde Osman

Noth
* 374 S. 9 Anm.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0880" n="766"/><fw place="top" type="header">Osmani&#x017F;che Ge&#x017F;chichte</fw><lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten in &#x017F;eine Regierung erleget wird, zu u&#x0364;ber&#x017F;enden; eine große Menge<lb/>
Lebensmittel fu&#x0364;r das tu&#x0364;rki&#x017F;che Kriegesheer zu&#x017F;ammen zu bringen; die Bru&#x0364;cke<lb/>
mit der a&#x0364;ußer&#x017F;ten Behendigkeit in vollkommenen Stand zu &#x017F;etzen; den<lb/>
Schweden und Ko&#x017F;aken, die &#x017F;ich bey dem Ko&#x0364;nige von Schweden aufhielten,<lb/>
Winterlager zu ver&#x017F;chaffen; und &#x017F;elb&#x017F;t mit &#x017F;einen Vo&#x0364;lkern um Chißrelleß<note place="foot" n="*">374 S. 9 Anm.</note><lb/>
&#x017F;ich bey Bender einzufinden: neb&#x017F;t noch viel mehr andern unertra&#x0364;glichen<lb/>
Bela&#x0364;&#x017F;tigungen.</p><lb/>
            <note place="left">Dadurch wird<lb/>
er bewogen, &#x017F;ei-<lb/>
ne getreuen<lb/>
Dien&#x017F;te einem<lb/>
redlichen Mo-<lb/>
narchen anzu-bieten.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>33.</head>
            <p>Weil nun Kantemir aus die&#x017F;en er&#x017F;ten Fru&#x0364;chten erkannte, wie we-<lb/>
nig Glaube von den Unglaubigen zu erwarten &#x017F;ey: &#x017F;o warf er die Verbindung<lb/>
an das tu&#x0364;rki&#x017F;che Be&#x017F;te ab, und achtete es fu&#x0364;r rath&#x017F;amer, mit Chri&#x017F;tus zu leiden,<lb/>
als auf die betrieglichen Scha&#x0364;tze Aegyptens zu hoffen. Er &#x017F;endete daher einen<lb/>
vertrauten Boten an den Zar, und ließ dem&#x017F;elben &#x017F;ich und &#x017F;ein Fu&#x0364;r&#x017F;tenthum<lb/>
zum Dien&#x017F;te anbieten.</p><lb/>
            <note place="left">Der Zar ziehet<lb/>
mit &#x017F;einem Hee-<lb/>
re nach Ja&#x017F;&#x017F;ij,<lb/>
der Haupt&#x017F;tadtin Moldau.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>34.</head>
            <p>Nachdem die Ver&#x017F;icherungen der Treue gegen einander ausgewech-<lb/>
&#x017F;elt waren: &#x017F;o &#x017F;chickte der Zar aus Polen &#x017F;einen Feldhauptmann, Boris Pe-<lb/>
trowit&#x017F;ch Scheremetew, mit einem Theile &#x017F;einer Vo&#x0364;lker voraus, um &#x017F;ich der<lb/>
Bru&#x0364;cke u&#x0364;ber die Donau zu bema&#x0364;chtigen; er &#x017F;elb&#x017F;t aber folgte mit den u&#x0364;brigen<lb/><note place="left">H. 1123.<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
J. C. 1711.</note>Truppen im Monate D&#x017F;chemaßiu&#x0364;l ewwel des Jahres 1123 bald nach, und<lb/>
&#x017F;chlug &#x017F;ein Lager an dem Prut bey T&#x017F;chut&#x017F;chora auf. Hier vereinigte er &#x017F;ich<lb/>
mit den moldaui&#x017F;chen Vo&#x0364;lkern, und rei&#x017F;ete hierauf mit einigen &#x017F;einer Kriegs-<lb/>
befehlhaber nach Ja&#x017F;&#x017F;ij, da der&#x017F;elbe drey Tage lang die Kirchen und Klo&#x0364;&#x017F;ter<lb/>
anda&#x0364;chtig be&#x017F;uchte, und auf die Lebensmittel wartete, die ihm der Fu&#x0364;r&#x017F;t von<lb/>
der Walachey ver&#x017F;prochen hatte.</p><lb/>
            <note place="left">Der Fu&#x0364;r&#x017F;t in<lb/>
der Walachey,<lb/>
Brankowan,<lb/>
bricht &#x017F;ein feier-<lb/>
liches Ver&#x017F;pre-chen.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>35.</head>
            <p>Da aber der&#x017F;elbe merkte, daß de&#x017F;&#x017F;en Abge&#x017F;andter, an &#x017F;tatt das Ver-<lb/>
&#x017F;prochene zu erfu&#x0364;llen, ihn nur mit leeren Ho&#x0364;flichkeitsbezeigungen hinhalten wollte;<lb/>
und nunmehr von de&#x017F;&#x017F;en Verrathe ver&#x017F;ichert war: &#x017F;o gerieth er in großen Zwei-<lb/>
fel, ob er weiter fortru&#x0364;cken, Stand halten oder &#x017F;ich zuru&#x0364;ckziehen &#x017F;ollte. Denn<lb/>
der Hunger, ein Unglu&#x0364;ck, das den Chri&#x017F;ten, die in Moldau Krieg fu&#x0364;hren,<lb/>
gefa&#x0364;hrlich zu &#x017F;eyn pfleget, hatte bereits angefangen, in dem ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Lager<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Noth</fw><lb/><cb n="1"/><lb/><note xml:id="G880" prev="G879" place="end" next="#G881">gen), und machte ihn zum Oberhofmei&#x017F;ter;<lb/>
welche Stelle er &#x017F;o lange genoß, als der<lb/>
Weßir &#x017F;eine Wu&#x0364;rde behielte. Nachdem aber<lb/><cb n="2"/><lb/>
der Weßir abge&#x017F;etzet und verbannet worden,<lb/>
auch von dem Kriegesheere keine Gefahr<lb/>
mehr zu befu&#x0364;rchten war: &#x017F;o wurde Osman<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Aga</fw></note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[766/0880] Osmaniſche Geſchichte Fuͤrſten in ſeine Regierung erleget wird, zu uͤberſenden; eine große Menge Lebensmittel fuͤr das tuͤrkiſche Kriegesheer zuſammen zu bringen; die Bruͤcke mit der aͤußerſten Behendigkeit in vollkommenen Stand zu ſetzen; den Schweden und Koſaken, die ſich bey dem Koͤnige von Schweden aufhielten, Winterlager zu verſchaffen; und ſelbſt mit ſeinen Voͤlkern um Chißrelleß * ſich bey Bender einzufinden: nebſt noch viel mehr andern unertraͤglichen Belaͤſtigungen. 33. Weil nun Kantemir aus dieſen erſten Fruͤchten erkannte, wie we- nig Glaube von den Unglaubigen zu erwarten ſey: ſo warf er die Verbindung an das tuͤrkiſche Beſte ab, und achtete es fuͤr rathſamer, mit Chriſtus zu leiden, als auf die betrieglichen Schaͤtze Aegyptens zu hoffen. Er ſendete daher einen vertrauten Boten an den Zar, und ließ demſelben ſich und ſein Fuͤrſtenthum zum Dienſte anbieten. 34. Nachdem die Verſicherungen der Treue gegen einander ausgewech- ſelt waren: ſo ſchickte der Zar aus Polen ſeinen Feldhauptmann, Boris Pe- trowitſch Scheremetew, mit einem Theile ſeiner Voͤlker voraus, um ſich der Bruͤcke uͤber die Donau zu bemaͤchtigen; er ſelbſt aber folgte mit den uͤbrigen Truppen im Monate Dſchemaßiuͤl ewwel des Jahres 1123 bald nach, und ſchlug ſein Lager an dem Prut bey Tſchutſchora auf. Hier vereinigte er ſich mit den moldauiſchen Voͤlkern, und reiſete hierauf mit einigen ſeiner Kriegs- befehlhaber nach Jaſſij, da derſelbe drey Tage lang die Kirchen und Kloͤſter andaͤchtig beſuchte, und auf die Lebensmittel wartete, die ihm der Fuͤrſt von der Walachey verſprochen hatte. H. 1123. J. C. 1711. 35. Da aber derſelbe merkte, daß deſſen Abgeſandter, an ſtatt das Ver- ſprochene zu erfuͤllen, ihn nur mit leeren Hoͤflichkeitsbezeigungen hinhalten wollte; und nunmehr von deſſen Verrathe verſichert war: ſo gerieth er in großen Zwei- fel, ob er weiter fortruͤcken, Stand halten oder ſich zuruͤckziehen ſollte. Denn der Hunger, ein Ungluͤck, das den Chriſten, die in Moldau Krieg fuͤhren, gefaͤhrlich zu ſeyn pfleget, hatte bereits angefangen, in dem ruſſiſchen Lager Noth gen), und machte ihn zum Oberhofmeiſter; welche Stelle er ſo lange genoß, als der Weßir ſeine Wuͤrde behielte. Nachdem aber der Weßir abgeſetzet und verbannet worden, auch von dem Kriegesheere keine Gefahr mehr zu befuͤrchten war: ſo wurde Osman Aga * 374 S. 9 Anm.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/880
Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 766. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/880>, abgerufen am 20.05.2024.