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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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22. Mustäfa der II
nöthiget, unverrichteter Sache wieder abzuziehen. Im Gegentheil trachtet
der Seräskjer sich von Sing in eben dieser Landschaft Meister zu machen; er
hebet aber bey Annäherung der Venetianer die Belagerung wieder auf.

82.

Nachdem wir von dem Kriege genug gesaget haben: so lasset unsDie Abgesand-
ten von allen
Mächten kom-
men zu Carlo-
witsch zusam-
men.

nun auch sehen, was wegen des Friedens vorgegangen ist. Da beyde Theile,
wie bereits erwähnet worden, zu friedlichen Entschließungen geneigt waren:
so waren die vorläufigen Stücke bereits zu Constantinopel festgesetzet worden;
der Ort der Zusammenkunft war bestimmet, nämlich Carlowitsch zwischen Bel-
grad und Peterwaradin, und die Abgesandten waren von allen im Kriege be-
griffenen Mächten dazu ernennet. Die Türken erwählten zu dem Ende Rami
Mehemmed Rejs Efendi und Alexander Maurocordatus, unter dem Titel von
Begj und Muhärremi Esrar 34; der Kaiser, den Grafen von Oettingen und
den Grafen von Schlick, beyde seine geheimen Räthe; der Zar von Rußland,
Prokopius Bogdanowitsch Woßnizini; die Polen, Stanislaw Michelowski,
Wajwod von Posnanien; die Venetianer 35, Ruzini: Paget und Colliere,
der englische und holländische Abgesandte, sollten als Friedensmittler dabey seyn.
[Spaltenumbruch]

"gegangen sey. Diese kommen zu einem
"Kampfe zusammen; und damit sie ihre
"Stärke desto besser gebrauchen könnten:
"so legen sie die Kleider ab und treten nacket
"auf den Kampfplatz. Indem sie in dem
"Streite begriffen sind: so kriechet ein
"Jankjesidschi" (dieses ist ein Name,
den man den Beutelschneidern und Spitzbu-
ben beyleget) "an dem Boden hin, wie
"eine Schlange, und stiehlet den Kämpfern
"ihre Kleider. Zuletzt, als die Ringer ihre
"Kräfte erschöpfet, und nach der Gewohn-
"heit einander den Kuß des Friedens gege-
"ben hatten: so sehen sie sich nach ihren
"Kleidern um; und da sie gewahr werden,
"daß ein Jankjesidschi sie gestohlen hatte:
"so sind sie genöthiget, sich andere Röcke
"geben zu lassen, um ihre Blöße zu bedecken.
"Nicht lange hernach trifft einer von ihnen
"den Dieb an, daß er ein Kämpferskleid
"anhat, auf dem Markte herumgehet und
[Spaltenumbruch]
"vorgiebt, er wäre ein Kämpfer; aus Furcht,
"der andere möchte dem Volke sein Verbre-
"chen bekannt machen. Der rechte Kämp-
"fer aber saget zu ihm: Die Kleider, die
"du anhast, sind nicht dein, sondern mein:
"denn da ich mit einem starken Ringer im
"Kampfe begriffen war: so kamest du wie
"ein schlauer Fuchs, und stahlest sie weg;
"aber mit Ringen hast du sie nicht erworben.
"Indessen werden wir beyde wol zu einer
"oder der andern Zeit einmal Gelegenheit
"finden, einander anzutreffen; und da sollst
"du erfahren, was für ein Unterschied ist
"zwischen einem Löwen und einem Fuchse,
"zwischen einem Kämpfer und einem Diebe;
"und ich will die Probe mit dir machen,
"ob du auch so gut kämpfen kannst, als steh-
"len. Ich fürchte aber, du wirst alsdann
"außer den Kleidern, die du mir genommen
"hast, auch die Haut dazu zurück lassen."

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22. Muſtaͤfa der II
noͤthiget, unverrichteter Sache wieder abzuziehen. Im Gegentheil trachtet
der Seraͤskjer ſich von Sing in eben dieſer Landſchaft Meiſter zu machen; er
hebet aber bey Annaͤherung der Venetianer die Belagerung wieder auf.

82.

Nachdem wir von dem Kriege genug geſaget haben: ſo laſſet unsDie Abgeſand-
ten von allen
Maͤchten kom-
men zu Carlo-
witſch zuſam-
men.

nun auch ſehen, was wegen des Friedens vorgegangen iſt. Da beyde Theile,
wie bereits erwaͤhnet worden, zu friedlichen Entſchließungen geneigt waren:
ſo waren die vorlaͤufigen Stuͤcke bereits zu Conſtantinopel feſtgeſetzet worden;
der Ort der Zuſammenkunft war beſtimmet, naͤmlich Carlowitſch zwiſchen Bel-
grad und Peterwaradin, und die Abgeſandten waren von allen im Kriege be-
griffenen Maͤchten dazu ernennet. Die Tuͤrken erwaͤhlten zu dem Ende Rami
Mehemmed Rejs Efendi und Alexander Maurocordatus, unter dem Titel von
Begj und Muhaͤrremi Esrar 34; der Kaiſer, den Grafen von Oettingen und
den Grafen von Schlick, beyde ſeine geheimen Raͤthe; der Zar von Rußland,
Prokopius Bogdanowitſch Woßnizini; die Polen, Staniſlaw Michelowſki,
Wajwod von Posnanien; die Venetianer 35, Ruzini: Paget und Colliere,
der engliſche und hollaͤndiſche Abgeſandte, ſollten als Friedensmittler dabey ſeyn.
[Spaltenumbruch]

“gegangen ſey. Dieſe kommen zu einem
“Kampfe zuſammen; und damit ſie ihre
“Staͤrke deſto beſſer gebrauchen koͤnnten:
“ſo legen ſie die Kleider ab und treten nacket
“auf den Kampfplatz. Indem ſie in dem
“Streite begriffen ſind: ſo kriechet ein
“Jankjeſidſchi„ (dieſes iſt ein Name,
den man den Beutelſchneidern und Spitzbu-
ben beyleget) “an dem Boden hin, wie
“eine Schlange, und ſtiehlet den Kaͤmpfern
“ihre Kleider. Zuletzt, als die Ringer ihre
“Kraͤfte erſchoͤpfet, und nach der Gewohn-
“heit einander den Kuß des Friedens gege-
“ben hatten: ſo ſehen ſie ſich nach ihren
“Kleidern um; und da ſie gewahr werden,
“daß ein Jankjeſidſchi ſie geſtohlen hatte:
“ſo ſind ſie genoͤthiget, ſich andere Roͤcke
“geben zu laſſen, um ihre Bloͤße zu bedecken.
“Nicht lange hernach trifft einer von ihnen
“den Dieb an, daß er ein Kaͤmpferskleid
“anhat, auf dem Markte herumgehet und
[Spaltenumbruch]
“vorgiebt, er waͤre ein Kaͤmpfer; aus Furcht,
“der andere moͤchte dem Volke ſein Verbre-
“chen bekannt machen. Der rechte Kaͤmp-
“fer aber ſaget zu ihm: Die Kleider, die
“du anhaſt, ſind nicht dein, ſondern mein:
“denn da ich mit einem ſtarken Ringer im
“Kampfe begriffen war: ſo kameſt du wie
“ein ſchlauer Fuchs, und ſtahleſt ſie weg;
“aber mit Ringen haſt du ſie nicht erworben.
“Indeſſen werden wir beyde wol zu einer
“oder der andern Zeit einmal Gelegenheit
“finden, einander anzutreffen; und da ſollſt
“du erfahren, was fuͤr ein Unterſchied iſt
“zwiſchen einem Loͤwen und einem Fuchſe,
“zwiſchen einem Kaͤmpfer und einem Diebe;
“und ich will die Probe mit dir machen,
“ob du auch ſo gut kaͤmpfen kannſt, als ſteh-
“len. Ich fuͤrchte aber, du wirſt alsdann
“außer den Kleidern, die du mir genommen
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[715/0829] 22. Muſtaͤfa der II noͤthiget, unverrichteter Sache wieder abzuziehen. Im Gegentheil trachtet der Seraͤskjer ſich von Sing in eben dieſer Landſchaft Meiſter zu machen; er hebet aber bey Annaͤherung der Venetianer die Belagerung wieder auf. 82. Nachdem wir von dem Kriege genug geſaget haben: ſo laſſet uns nun auch ſehen, was wegen des Friedens vorgegangen iſt. Da beyde Theile, wie bereits erwaͤhnet worden, zu friedlichen Entſchließungen geneigt waren: ſo waren die vorlaͤufigen Stuͤcke bereits zu Conſtantinopel feſtgeſetzet worden; der Ort der Zuſammenkunft war beſtimmet, naͤmlich Carlowitſch zwiſchen Bel- grad und Peterwaradin, und die Abgeſandten waren von allen im Kriege be- griffenen Maͤchten dazu ernennet. Die Tuͤrken erwaͤhlten zu dem Ende Rami Mehemmed Rejs Efendi und Alexander Maurocordatus, unter dem Titel von Begj und Muhaͤrremi Esrar ³⁴ ; der Kaiſer, den Grafen von Oettingen und den Grafen von Schlick, beyde ſeine geheimen Raͤthe; der Zar von Rußland, Prokopius Bogdanowitſch Woßnizini; die Polen, Staniſlaw Michelowſki, Wajwod von Posnanien; die Venetianer ³⁵ , Ruzini: Paget und Colliere, der engliſche und hollaͤndiſche Abgeſandte, ſollten als Friedensmittler dabey ſeyn. Alle “gegangen ſey. Dieſe kommen zu einem “Kampfe zuſammen; und damit ſie ihre “Staͤrke deſto beſſer gebrauchen koͤnnten: “ſo legen ſie die Kleider ab und treten nacket “auf den Kampfplatz. Indem ſie in dem “Streite begriffen ſind: ſo kriechet ein “Jankjeſidſchi„ (dieſes iſt ein Name, den man den Beutelſchneidern und Spitzbu- ben beyleget) “an dem Boden hin, wie “eine Schlange, und ſtiehlet den Kaͤmpfern “ihre Kleider. Zuletzt, als die Ringer ihre “Kraͤfte erſchoͤpfet, und nach der Gewohn- “heit einander den Kuß des Friedens gege- “ben hatten: ſo ſehen ſie ſich nach ihren “Kleidern um; und da ſie gewahr werden, “daß ein Jankjeſidſchi ſie geſtohlen hatte: “ſo ſind ſie genoͤthiget, ſich andere Roͤcke “geben zu laſſen, um ihre Bloͤße zu bedecken. “Nicht lange hernach trifft einer von ihnen “den Dieb an, daß er ein Kaͤmpferskleid “anhat, auf dem Markte herumgehet und “vorgiebt, er waͤre ein Kaͤmpfer; aus Furcht, “der andere moͤchte dem Volke ſein Verbre- “chen bekannt machen. Der rechte Kaͤmp- “fer aber ſaget zu ihm: Die Kleider, die “du anhaſt, ſind nicht dein, ſondern mein: “denn da ich mit einem ſtarken Ringer im “Kampfe begriffen war: ſo kameſt du wie “ein ſchlauer Fuchs, und ſtahleſt ſie weg; “aber mit Ringen haſt du ſie nicht erworben. “Indeſſen werden wir beyde wol zu einer “oder der andern Zeit einmal Gelegenheit “finden, einander anzutreffen; und da ſollſt “du erfahren, was fuͤr ein Unterſchied iſt “zwiſchen einem Loͤwen und einem Fuchſe, “zwiſchen einem Kaͤmpfer und einem Diebe; “und ich will die Probe mit dir machen, “ob du auch ſo gut kaͤmpfen kannſt, als ſteh- “len. Ich fuͤrchte aber, du wirſt alsdann “außer den Kleidern, die du mir genommen “haſt, auch die Haut dazu zuruͤck laſſen.„ Die Abgeſand- ten von allen Maͤchten kom- men zu Carlo- witſch zuſam- men. 4 X 2

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 715. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/829>, abgerufen am 25.11.2024.