schen und englischen Abgesandten waren zwar gegenwärtig, und hätten einen Frieden vermitteln können; weil aber ihre Vorschläge schon so oft waren ver- worfen worden: so wollten sie lieber vorher erwarten, daß man einen Frieden verlangte, als dazu den ersten Antrag thun.
Verschlagen- heit AlexanderMaurocordatus.
75.
Der erste Dolmetscher an dem osmanischen Hofe, Alexander Mau- rocordatus, merkte die Bereitwilligkeit beyder Parteyen; und weil derselbe eben so schlau und ehrbegierig, als dem osmanischen Reiche ergeben war: so fassete er den Entschluß, dasselbe von dem Verderben zu erretten, und zu gleicher Zeit sich durch das ganze Reich einen großen Namen zu machen.
Dieser ist das erste Werkzeug zur Stiftungdes Friedens.
76.
Seine Hoffnung bey diesem Unternehmen gründete sich hauptsächlich auf des Weßirs, Husejn Paschas, gelinde und friedfertige Gemüthsneigung. Als er ihm daher einsmals aufwartete: so wendete er das Gespräch auf den Gegenstand von dem Frieden, und sagte zu demselben; ungeachtet er von den Abgesandten noch nichts davon vernommen habe: so könne er doch, wenn er den gegenwärtigen Zustand der Christenheit betrachte, sicherlich behaupten, daß den Kaiser nach einem Frieden mit den Türken sehr verlange. Der Weßir wendete ein: es sey nicht glaublich, daß der Kaiser, nachdem ihn der letztere Sieg hochmüthig gemacht und große Hoffnung beygebracht habe, einen Frieden annehmen werde, wann man ihm denselben gleich anböte; geschweige dann, daß er ihn selbst verlangen sollte. Maurocordatus versetzte dagegen: es möchte zwar wol also scheinen; wenn man ihm aber eine Woche Zeit gebe, daß er die Gesandten ausforschen könne: so getraue er sich, dem Weßire nicht allein des Kaisers Einwilligung, sondern so gar dessen Bitte um eine Friedensunterhand- lung, zu verschaffen.
Seine kluge Art zu verfahren bey der Friedensun-terhandlung.
77.
Nachdem nun Maurocordatus hierzu gar leicht die Erlaubniß erhal- ten hatte: so machte er bey den Abgesandten der christlichen Fürsten seine Auf- wartung, und that ihnen folgenden Vortrag. Er habe schon so viele Gewogen- heit von dem Kaiser in Deutschland empfangen, daß er mit Recht verdienete [Spaltenumbruch]
32 Lügenschmied] Alexander, als ein Mann, der in den Sprachen der Morgen- länder und ihrer Dichtkunst eine eben so voll- kommene Erkenntniß besaß, als er den osma- nischen Hof kennete, scheinet hierinnen den [Spaltenumbruch] Lehren des berühmten persischen Dichters, Schejch Sädi, gefolget zu haben; sonderlich derjenigen, die in folgender Stelle seines Gjü- listans* stehet, da derselbe saget: "Eine "Lüge, die ein [gutes] Werk befördert, ist
für
* der Rosengarten; ein Buch, also genennet.
Osmaniſche Geſchichte
ſchen und engliſchen Abgeſandten waren zwar gegenwaͤrtig, und haͤtten einen Frieden vermitteln koͤnnen; weil aber ihre Vorſchlaͤge ſchon ſo oft waren ver- worfen worden: ſo wollten ſie lieber vorher erwarten, daß man einen Frieden verlangte, als dazu den erſten Antrag thun.
Verſchlagen- heit AlexanderMaurocordatus.
75.
Der erſte Dolmetſcher an dem osmaniſchen Hofe, Alexander Mau- rocordatus, merkte die Bereitwilligkeit beyder Parteyen; und weil derſelbe eben ſo ſchlau und ehrbegierig, als dem osmaniſchen Reiche ergeben war: ſo faſſete er den Entſchluß, daſſelbe von dem Verderben zu erretten, und zu gleicher Zeit ſich durch das ganze Reich einen großen Namen zu machen.
Dieſer iſt das erſte Werkzeug zur Stiftungdes Friedens.
76.
Seine Hoffnung bey dieſem Unternehmen gruͤndete ſich hauptſaͤchlich auf des Weßirs, Huſejn Paſchas, gelinde und friedfertige Gemuͤthsneigung. Als er ihm daher einsmals aufwartete: ſo wendete er das Geſpraͤch auf den Gegenſtand von dem Frieden, und ſagte zu demſelben; ungeachtet er von den Abgeſandten noch nichts davon vernommen habe: ſo koͤnne er doch, wenn er den gegenwaͤrtigen Zuſtand der Chriſtenheit betrachte, ſicherlich behaupten, daß den Kaiſer nach einem Frieden mit den Tuͤrken ſehr verlange. Der Weßir wendete ein: es ſey nicht glaublich, daß der Kaiſer, nachdem ihn der letztere Sieg hochmuͤthig gemacht und große Hoffnung beygebracht habe, einen Frieden annehmen werde, wann man ihm denſelben gleich anboͤte; geſchweige dann, daß er ihn ſelbſt verlangen ſollte. Maurocordatus verſetzte dagegen: es moͤchte zwar wol alſo ſcheinen; wenn man ihm aber eine Woche Zeit gebe, daß er die Geſandten ausforſchen koͤnne: ſo getraue er ſich, dem Weßire nicht allein des Kaiſers Einwilligung, ſondern ſo gar deſſen Bitte um eine Friedensunterhand- lung, zu verſchaffen.
Seine kluge Art zu verfahren bey der Friedensun-terhandlung.
77.
Nachdem nun Maurocordatus hierzu gar leicht die Erlaubniß erhal- ten hatte: ſo machte er bey den Abgeſandten der chriſtlichen Fuͤrſten ſeine Auf- wartung, und that ihnen folgenden Vortrag. Er habe ſchon ſo viele Gewogen- heit von dem Kaiſer in Deutſchland empfangen, daß er mit Recht verdienete [Spaltenumbruch]
32 Luͤgenſchmied] Alexander, als ein Mann, der in den Sprachen der Morgen- laͤnder und ihrer Dichtkunſt eine eben ſo voll- kommene Erkenntniß beſaß, als er den osma- niſchen Hof kennete, ſcheinet hierinnen den [Spaltenumbruch] Lehren des beruͤhmten perſiſchen Dichters, Schejch Saͤdi, gefolget zu haben; ſonderlich derjenigen, die in folgender Stelle ſeines Gjuͤ- liſtans* ſtehet, da derſelbe ſaget: “Eine “Luͤge, die ein [gutes] Werk befoͤrdert, iſt
fuͤr
* der Roſengarten; ein Buch, alſo genennet.
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[708/0822]
Osmaniſche Geſchichte
ſchen und engliſchen Abgeſandten waren zwar gegenwaͤrtig, und haͤtten einen
Frieden vermitteln koͤnnen; weil aber ihre Vorſchlaͤge ſchon ſo oft waren ver-
worfen worden: ſo wollten ſie lieber vorher erwarten, daß man einen Frieden
verlangte, als dazu den erſten Antrag thun.
75. Der erſte Dolmetſcher an dem osmaniſchen Hofe, Alexander Mau-
rocordatus, merkte die Bereitwilligkeit beyder Parteyen; und weil derſelbe eben
ſo ſchlau und ehrbegierig, als dem osmaniſchen Reiche ergeben war: ſo faſſete
er den Entſchluß, daſſelbe von dem Verderben zu erretten, und zu gleicher Zeit
ſich durch das ganze Reich einen großen Namen zu machen.
76. Seine Hoffnung bey dieſem Unternehmen gruͤndete ſich hauptſaͤchlich
auf des Weßirs, Huſejn Paſchas, gelinde und friedfertige Gemuͤthsneigung.
Als er ihm daher einsmals aufwartete: ſo wendete er das Geſpraͤch auf den
Gegenſtand von dem Frieden, und ſagte zu demſelben; ungeachtet er von den
Abgeſandten noch nichts davon vernommen habe: ſo koͤnne er doch, wenn er
den gegenwaͤrtigen Zuſtand der Chriſtenheit betrachte, ſicherlich behaupten, daß
den Kaiſer nach einem Frieden mit den Tuͤrken ſehr verlange. Der Weßir
wendete ein: es ſey nicht glaublich, daß der Kaiſer, nachdem ihn der letztere
Sieg hochmuͤthig gemacht und große Hoffnung beygebracht habe, einen Frieden
annehmen werde, wann man ihm denſelben gleich anboͤte; geſchweige dann,
daß er ihn ſelbſt verlangen ſollte. Maurocordatus verſetzte dagegen: es moͤchte
zwar wol alſo ſcheinen; wenn man ihm aber eine Woche Zeit gebe, daß er die
Geſandten ausforſchen koͤnne: ſo getraue er ſich, dem Weßire nicht allein des
Kaiſers Einwilligung, ſondern ſo gar deſſen Bitte um eine Friedensunterhand-
lung, zu verſchaffen.
77. Nachdem nun Maurocordatus hierzu gar leicht die Erlaubniß erhal-
ten hatte: ſo machte er bey den Abgeſandten der chriſtlichen Fuͤrſten ſeine Auf-
wartung, und that ihnen folgenden Vortrag. Er habe ſchon ſo viele Gewogen-
heit von dem Kaiſer in Deutſchland empfangen, daß er mit Recht verdienete
fuͤr
³² Luͤgenſchmied] Alexander, als ein
Mann, der in den Sprachen der Morgen-
laͤnder und ihrer Dichtkunſt eine eben ſo voll-
kommene Erkenntniß beſaß, als er den osma-
niſchen Hof kennete, ſcheinet hierinnen den
Lehren des beruͤhmten perſiſchen Dichters,
Schejch Saͤdi, gefolget zu haben; ſonderlich
derjenigen, die in folgender Stelle ſeines Gjuͤ-
liſtans * ſtehet, da derſelbe ſaget: “Eine
“Luͤge, die ein [gutes] Werk befoͤrdert, iſt
“beſſer,
* der Roſengarten; ein Buch, alſo genennet.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 708. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/822>, abgerufen am 22.11.2024.
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