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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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22. Mustäfa der II
für den Allerundankbarsten gehalten zu werden, wenn er sich nicht bemühete,
einige Erkenntlichkeit dafür zu bezeigen. Er habe öfters Gelegenheit gesuchet,
seine Bereitwilligkeit zu dienen dem Kaiser zu erkennen zu geben, und ihm seine
Treue, wie es eines Christen Schuldigkeit sey, in der That zu beweisen; er habe
aber niemals eine Bequemlichkeit von so großem Umfange dazu angetroffen,
als itzo. Es sey ihm wohl bewußt, daß der Kaiser, wegen Besorgung eines
Krieges mit Frankreich, einen Frieden sehnlichst verlange: er möge aber dieses
den Türken nicht entdecken; damit er sie nicht veranlasse, die wahre Ursache
davon zu muthmaßen, und solchergestalt dieselben noch hochmüthiger und unver-
schämter in ihren Forderungen mache. Wenn sie aber zu ihm das Vertrauen
haben und ihm Vollmacht geben wollten, die Sache zu führen, wie er es für gut
befinden werde: so wolle er einen Frieden unter solchen Bedingungen stiften,
wie sie der Kaiser billiger Weise selbst verlangen könne. Es sey aber vorher
nöthig, daß sie ihm einen Eid auf das heilige Evangelium schwüren, dasjenige,
was er ihnen eröffnen werde, zu verschweigen: sonst würde er samt seinem gan-
zen Hause in die äußerste Gefahr kommen; denn die Grausamkeit der Türken
gegen diejenigen, die ihnen nur der mindesten Untreue verdächtig seyen, sey der
ganzen Christenheit genugsam bekannt. Die Abgesandten versetzten darauf:
der Kaiser werde vielleicht rühmliche Bedingungen des Friedens nicht von der
Hand weisen; er werde aber denselben niemals von den Türken begehren.
Wenn aber der Dolmetscher die Sache in seinem eigenen Namen vortragen
wolle: so werde er sich den Kaiser sehr verbindlich machen. Als Maurocorda-
tus wieder zu dem Weßire kam: so machte er ihm eine ganz andere Vorstellung
von der Sache, und meldete demselben: er hätte von den Abgesandten heraus-
gebracht, daß der Kaiser nicht allein von dem Frieden nicht abgeneigt sey, son-
dern auch denselben sehr eifrig wünsche; und daß er sie gebeten habe, diesem ver-
derblichen Kriege auf eine oder die andere Weise ein Ende zu machen. Der
Weßir schiene durch diese Rede gleichsam aus dem Tode erwecket zu werden, so
daß er den künstlichen Lügenschmied 32 umarmete und zu ihm sagte; "Wenn
"ihr dieses göttliche Werk zu Stande bringet, und unserm Reiche wieder zu dem
"erwünschten Ruhestande verhelfet: so könnet ihr versichert seyn, daß ihr den
[Spaltenumbruch]
"besser, als eine Wahrheit, die Verwirrung
"anrichtet." In der That hätte auch
derselbe seine Dienste auf keine bessere Weise
anwenden können, die ihm beyde Kaiserthü-
mer mehr verbindlich gemacht oder größere
[Spaltenumbruch]
Belohnungen zuwege gebracht hätte; so daß
man mit Recht von ihm sagen kann, daß er
zweene Vögel mit einem Steine todt gewor-
fen habe.

"Sultan
4 U 3

22. Muſtaͤfa der II
fuͤr den Allerundankbarſten gehalten zu werden, wenn er ſich nicht bemuͤhete,
einige Erkenntlichkeit dafuͤr zu bezeigen. Er habe oͤfters Gelegenheit geſuchet,
ſeine Bereitwilligkeit zu dienen dem Kaiſer zu erkennen zu geben, und ihm ſeine
Treue, wie es eines Chriſten Schuldigkeit ſey, in der That zu beweiſen; er habe
aber niemals eine Bequemlichkeit von ſo großem Umfange dazu angetroffen,
als itzo. Es ſey ihm wohl bewußt, daß der Kaiſer, wegen Beſorgung eines
Krieges mit Frankreich, einen Frieden ſehnlichſt verlange: er moͤge aber dieſes
den Tuͤrken nicht entdecken; damit er ſie nicht veranlaſſe, die wahre Urſache
davon zu muthmaßen, und ſolchergeſtalt dieſelben noch hochmuͤthiger und unver-
ſchaͤmter in ihren Forderungen mache. Wenn ſie aber zu ihm das Vertrauen
haben und ihm Vollmacht geben wollten, die Sache zu fuͤhren, wie er es fuͤr gut
befinden werde: ſo wolle er einen Frieden unter ſolchen Bedingungen ſtiften,
wie ſie der Kaiſer billiger Weiſe ſelbſt verlangen koͤnne. Es ſey aber vorher
noͤthig, daß ſie ihm einen Eid auf das heilige Evangelium ſchwuͤren, dasjenige,
was er ihnen eroͤffnen werde, zu verſchweigen: ſonſt wuͤrde er ſamt ſeinem gan-
zen Hauſe in die aͤußerſte Gefahr kommen; denn die Grauſamkeit der Tuͤrken
gegen diejenigen, die ihnen nur der mindeſten Untreue verdaͤchtig ſeyen, ſey der
ganzen Chriſtenheit genugſam bekannt. Die Abgeſandten verſetzten darauf:
der Kaiſer werde vielleicht ruͤhmliche Bedingungen des Friedens nicht von der
Hand weiſen; er werde aber denſelben niemals von den Tuͤrken begehren.
Wenn aber der Dolmetſcher die Sache in ſeinem eigenen Namen vortragen
wolle: ſo werde er ſich den Kaiſer ſehr verbindlich machen. Als Maurocorda-
tus wieder zu dem Weßire kam: ſo machte er ihm eine ganz andere Vorſtellung
von der Sache, und meldete demſelben: er haͤtte von den Abgeſandten heraus-
gebracht, daß der Kaiſer nicht allein von dem Frieden nicht abgeneigt ſey, ſon-
dern auch denſelben ſehr eifrig wuͤnſche; und daß er ſie gebeten habe, dieſem ver-
derblichen Kriege auf eine oder die andere Weiſe ein Ende zu machen. Der
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daß er den kuͤnſtlichen Luͤgenſchmied 32 umarmete und zu ihm ſagte; “Wenn
“ihr dieſes goͤttliche Werk zu Stande bringet, und unſerm Reiche wieder zu dem
“erwuͤnſchten Ruheſtande verhelfet: ſo koͤnnet ihr verſichert ſeyn, daß ihr den
[Spaltenumbruch]
“beſſer, als eine Wahrheit, die Verwirrung
“anrichtet.„ In der That haͤtte auch
derſelbe ſeine Dienſte auf keine beſſere Weiſe
anwenden koͤnnen, die ihm beyde Kaiſerthuͤ-
mer mehr verbindlich gemacht oder groͤßere
[Spaltenumbruch]
Belohnungen zuwege gebracht haͤtte; ſo daß
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[709/0823] 22. Muſtaͤfa der II fuͤr den Allerundankbarſten gehalten zu werden, wenn er ſich nicht bemuͤhete, einige Erkenntlichkeit dafuͤr zu bezeigen. Er habe oͤfters Gelegenheit geſuchet, ſeine Bereitwilligkeit zu dienen dem Kaiſer zu erkennen zu geben, und ihm ſeine Treue, wie es eines Chriſten Schuldigkeit ſey, in der That zu beweiſen; er habe aber niemals eine Bequemlichkeit von ſo großem Umfange dazu angetroffen, als itzo. Es ſey ihm wohl bewußt, daß der Kaiſer, wegen Beſorgung eines Krieges mit Frankreich, einen Frieden ſehnlichſt verlange: er moͤge aber dieſes den Tuͤrken nicht entdecken; damit er ſie nicht veranlaſſe, die wahre Urſache davon zu muthmaßen, und ſolchergeſtalt dieſelben noch hochmuͤthiger und unver- ſchaͤmter in ihren Forderungen mache. Wenn ſie aber zu ihm das Vertrauen haben und ihm Vollmacht geben wollten, die Sache zu fuͤhren, wie er es fuͤr gut befinden werde: ſo wolle er einen Frieden unter ſolchen Bedingungen ſtiften, wie ſie der Kaiſer billiger Weiſe ſelbſt verlangen koͤnne. Es ſey aber vorher noͤthig, daß ſie ihm einen Eid auf das heilige Evangelium ſchwuͤren, dasjenige, was er ihnen eroͤffnen werde, zu verſchweigen: ſonſt wuͤrde er ſamt ſeinem gan- zen Hauſe in die aͤußerſte Gefahr kommen; denn die Grauſamkeit der Tuͤrken gegen diejenigen, die ihnen nur der mindeſten Untreue verdaͤchtig ſeyen, ſey der ganzen Chriſtenheit genugſam bekannt. Die Abgeſandten verſetzten darauf: der Kaiſer werde vielleicht ruͤhmliche Bedingungen des Friedens nicht von der Hand weiſen; er werde aber denſelben niemals von den Tuͤrken begehren. Wenn aber der Dolmetſcher die Sache in ſeinem eigenen Namen vortragen wolle: ſo werde er ſich den Kaiſer ſehr verbindlich machen. Als Maurocorda- tus wieder zu dem Weßire kam: ſo machte er ihm eine ganz andere Vorſtellung von der Sache, und meldete demſelben: er haͤtte von den Abgeſandten heraus- gebracht, daß der Kaiſer nicht allein von dem Frieden nicht abgeneigt ſey, ſon- dern auch denſelben ſehr eifrig wuͤnſche; und daß er ſie gebeten habe, dieſem ver- derblichen Kriege auf eine oder die andere Weiſe ein Ende zu machen. Der Weßir ſchiene durch dieſe Rede gleichſam aus dem Tode erwecket zu werden, ſo daß er den kuͤnſtlichen Luͤgenſchmied ³² umarmete und zu ihm ſagte; “Wenn “ihr dieſes goͤttliche Werk zu Stande bringet, und unſerm Reiche wieder zu dem “erwuͤnſchten Ruheſtande verhelfet: ſo koͤnnet ihr verſichert ſeyn, daß ihr den “Sultan “beſſer, als eine Wahrheit, die Verwirrung “anrichtet.„ In der That haͤtte auch derſelbe ſeine Dienſte auf keine beſſere Weiſe anwenden koͤnnen, die ihm beyde Kaiſerthuͤ- mer mehr verbindlich gemacht oder groͤßere Belohnungen zuwege gebracht haͤtte; ſo daß man mit Recht von ihm ſagen kann, daß er zweene Voͤgel mit einem Steine todt gewor- fen habe. 4 U 3

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 709. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/823>, abgerufen am 22.11.2024.