Die Russen be- festigen Aßak. Der Churfürst von Sachsen, Friedrich, wird zum Könige inPolen erwählet.70.
Die Russen verstärkten in diesem Sommer die Festungen Aßak und Luttich mit neuen Werken, und schickten sich zu einem frischen Feldzuge an; allein die Feinde gaben ihnen keine Gelegenheit, ihnen ein Treffen zu liefern. In Polen legte sich der neue König Friedrich August, der zuvor Churfürst von Sachsen gewesen war, mit allem Ernste auf Kriegesanstalten; und indem er darauf bedacht war, die Edelleute zu gewinnen: so verschob er den Feldzug bis auf das künftige Jahr.
Die Venetianer haben zur See zweifelhaftes Glück gegen dieTürken.
71.
Nicht lange hierauf schickten die Venetianer eine Flote in die mittel- ländische See. Kjel Mehemmed Begj 31 wagte mit seinen Galeen eine Landung auf Tine; nachdem er aber von Bartolomeo Moro war geschlagen worden: so verließ er dieses Eyland wieder. Es gingen auch noch verschiedene andere kleine Treffen zur See vor; davon aber der Vortheil zweifelhaft war. Die türkische Flote eroberte drey Raubschiffe, und führete dieselben nach Constan- tinopel. Hingegen, weil die Türken nach einem kurzen Streite zweymal ein Treffen zu vermeiden schienen: so eigneten sich die Venetianer zweene Siege zu.
Mustäfas unru-higes Gemüth.
72.
Also waren die Begebenheiten des gegenwärtigen Feldzugs beschaf- fen. Von dem Anfange des folgenden kann man mit Recht sagen, daß der- selbe das türkische Sprichwort bestätige: "Ein Feind kennet den Zustand "seines Nebenfeindes niemals völlig." Der Sultan Mustäfa machte nach seiner Zurückkunft zu Constantinopel alle ersinnlichen Zuschickungen zum Kriege; allein mit einem unruhigen Gemüthe, das sich einen schlechten Erfolg davon versprach.
[Spaltenumbruch]
in derselben Stunde hinzurichten. Als Dal- taban sein Urtheil vernahm: so forderte er das Obdest, verrichtete das gewöhnliche Ge- bet, und sagte darauf zu dem Nachrichter; So tödtet dann, ihr unglaubigen Müsülma- nen, denjenigen, den die unglaubigen Gjawur nicht tödten konnten. Er wollte sich auch die Augen nicht zubinden lassen; sondern hielte mit offenen Augen und mit seiner ge- wöhnlichen Standhaftigkeit seinen Nacken hin, und empfing den letzten Schwertstreich. Dieses war das Ende Daltabans, des tapfer- [Spaltenumbruch] sten Soldaten, den das osmanische Reich iemals hervorgebracht hat, und eines Man- nes, der sowol im Kriege als in Friedenszei- ten den höchsten Ruhm erlanget hatte. Wie großen Antheil das Volk an seinem Tode nahm: das offenbarete sich deutlich durch die Unruhen, die bald darauf erfolgten. Es wurden gleich hernach Stachelgedichte, sowol in dem Eskji als in andern Dschami, ausge- streuet, die alle hieher zu setzen zu langweilig seyn würde; ich will aber doch das folgende zur Probe anführen. "Komm, meine Feder,
73. Die
"laß
Osmaniſche Geſchichte
Die Ruſſen be- feſtigen Aßak. Der Churfuͤrſt von Sachſen, Friedrich, wird zum Koͤnige inPolen erwaͤhlet.70.
Die Ruſſen verſtaͤrkten in dieſem Sommer die Feſtungen Aßak und Luttich mit neuen Werken, und ſchickten ſich zu einem friſchen Feldzuge an; allein die Feinde gaben ihnen keine Gelegenheit, ihnen ein Treffen zu liefern. In Polen legte ſich der neue Koͤnig Friedrich Auguſt, der zuvor Churfuͤrſt von Sachſen geweſen war, mit allem Ernſte auf Kriegesanſtalten; und indem er darauf bedacht war, die Edelleute zu gewinnen: ſo verſchob er den Feldzug bis auf das kuͤnftige Jahr.
Die Venetianer haben zur See zweifelhaftes Gluͤck gegen dieTuͤrken.
71.
Nicht lange hierauf ſchickten die Venetianer eine Flote in die mittel- laͤndiſche See. Kjel Mehemmed Begj 31 wagte mit ſeinen Galeen eine Landung auf Tine; nachdem er aber von Bartolomeo Moro war geſchlagen worden: ſo verließ er dieſes Eyland wieder. Es gingen auch noch verſchiedene andere kleine Treffen zur See vor; davon aber der Vortheil zweifelhaft war. Die tuͤrkiſche Flote eroberte drey Raubſchiffe, und fuͤhrete dieſelben nach Conſtan- tinopel. Hingegen, weil die Tuͤrken nach einem kurzen Streite zweymal ein Treffen zu vermeiden ſchienen: ſo eigneten ſich die Venetianer zweene Siege zu.
Muſtaͤfas unru-higes Gemuͤth.
72.
Alſo waren die Begebenheiten des gegenwaͤrtigen Feldzugs beſchaf- fen. Von dem Anfange des folgenden kann man mit Recht ſagen, daß der- ſelbe das tuͤrkiſche Sprichwort beſtaͤtige: “Ein Feind kennet den Zuſtand “ſeines Nebenfeindes niemals voͤllig.„ Der Sultan Muſtaͤfa machte nach ſeiner Zuruͤckkunft zu Conſtantinopel alle erſinnlichen Zuſchickungen zum Kriege; allein mit einem unruhigen Gemuͤthe, das ſich einen ſchlechten Erfolg davon verſprach.
[Spaltenumbruch]
in derſelben Stunde hinzurichten. Als Dal- taban ſein Urtheil vernahm: ſo forderte er das Obdeſt, verrichtete das gewoͤhnliche Ge- bet, und ſagte darauf zu dem Nachrichter; So toͤdtet dann, ihr unglaubigen Muͤſuͤlma- nen, denjenigen, den die unglaubigen Gjawur nicht toͤdten konnten. Er wollte ſich auch die Augen nicht zubinden laſſen; ſondern hielte mit offenen Augen und mit ſeiner ge- woͤhnlichen Standhaftigkeit ſeinen Nacken hin, und empfing den letzten Schwertſtreich. Dieſes war das Ende Daltabans, des tapfer- [Spaltenumbruch] ſten Soldaten, den das osmaniſche Reich iemals hervorgebracht hat, und eines Man- nes, der ſowol im Kriege als in Friedenszei- ten den hoͤchſten Ruhm erlanget hatte. Wie großen Antheil das Volk an ſeinem Tode nahm: das offenbarete ſich deutlich durch die Unruhen, die bald darauf erfolgten. Es wurden gleich hernach Stachelgedichte, ſowol in dem Eskji als in andern Dſchami, ausge- ſtreuet, die alle hieher zu ſetzen zu langweilig ſeyn wuͤrde; ich will aber doch das folgende zur Probe anfuͤhren. “Komm, meine Feder,
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allein die Feinde gaben ihnen keine Gelegenheit, ihnen ein Treffen zu liefern.
In Polen legte ſich der neue Koͤnig Friedrich Auguſt, der zuvor Churfuͤrſt
von Sachſen geweſen war, mit allem Ernſte auf Kriegesanſtalten; und indem
er darauf bedacht war, die Edelleute zu gewinnen: ſo verſchob er den Feldzug
bis auf das kuͤnftige Jahr.
71. Nicht lange hierauf ſchickten die Venetianer eine Flote in die mittel-
laͤndiſche See. Kjel Mehemmed Begj
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wagte mit ſeinen Galeen eine Landung
auf Tine; nachdem er aber von Bartolomeo Moro war geſchlagen worden:
ſo verließ er dieſes Eyland wieder. Es gingen auch noch verſchiedene andere
kleine Treffen zur See vor; davon aber der Vortheil zweifelhaft war. Die
tuͤrkiſche Flote eroberte drey Raubſchiffe, und fuͤhrete dieſelben nach Conſtan-
tinopel. Hingegen, weil die Tuͤrken nach einem kurzen Streite zweymal ein
Treffen zu vermeiden ſchienen: ſo eigneten ſich die Venetianer zweene Siege zu.
72. Alſo waren die Begebenheiten des gegenwaͤrtigen Feldzugs beſchaf-
fen. Von dem Anfange des folgenden kann man mit Recht ſagen, daß der-
ſelbe das tuͤrkiſche Sprichwort beſtaͤtige: “Ein Feind kennet den Zuſtand
“ſeines Nebenfeindes niemals voͤllig.„ Der Sultan Muſtaͤfa machte nach
ſeiner Zuruͤckkunft zu Conſtantinopel alle erſinnlichen Zuſchickungen zum Kriege;
allein mit einem unruhigen Gemuͤthe, das ſich einen ſchlechten Erfolg davon
verſprach.
73. Die
in derſelben Stunde hinzurichten. Als Dal-
taban ſein Urtheil vernahm: ſo forderte er
das Obdeſt, verrichtete das gewoͤhnliche Ge-
bet, und ſagte darauf zu dem Nachrichter;
So toͤdtet dann, ihr unglaubigen Muͤſuͤlma-
nen, denjenigen, den die unglaubigen Gjawur
nicht toͤdten konnten. Er wollte ſich auch
die Augen nicht zubinden laſſen; ſondern
hielte mit offenen Augen und mit ſeiner ge-
woͤhnlichen Standhaftigkeit ſeinen Nacken
hin, und empfing den letzten Schwertſtreich.
Dieſes war das Ende Daltabans, des tapfer-
ſten Soldaten, den das osmaniſche Reich
iemals hervorgebracht hat, und eines Man-
nes, der ſowol im Kriege als in Friedenszei-
ten den hoͤchſten Ruhm erlanget hatte. Wie
großen Antheil das Volk an ſeinem Tode
nahm: das offenbarete ſich deutlich durch die
Unruhen, die bald darauf erfolgten. Es
wurden gleich hernach Stachelgedichte, ſowol
in dem Eskji als in andern Dſchami, ausge-
ſtreuet, die alle hieher zu ſetzen zu langweilig
ſeyn wuͤrde; ich will aber doch das folgende
zur Probe anfuͤhren. “Komm, meine Feder,
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 706. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/820>, abgerufen am 22.11.2024.
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