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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Machet den
Statthalter zu
Belgrad, Husejn
Pascha, zumWeßir.
66.

Am folgenden Tage führete derselbe seine Truppen, die sich itzo von
ihrer Verzweifelung wieder erholet hatten, gegen Belgrad zu. Als er auf diesem
Zuge an einen Ort kam, der den Namen Alibing-ar 28 führet: so kam ihm
der Statthalter von Belgrad, Aemidsche Ogli Husejn Pascha, entgegen, nach-
dem er ihn durch Emirochor Tscherkjes Mehemmed Pascha zu sich entboten hatte.
Weil nun sonst kein Pascha mehr von dem Range mit dreyen Roßschweifen
gegenwärtig war: so trug er demselben die Würde des obersten Weßirs auf.

Der Sultan
reiset von Bel-
grad nach Adri-anopel.
67.

Nach einem kurzen Aufenthalte zu Belgrad kehrete derselbe gegen
das Ende des Monats Dschemaßiül ewwel, im Jahre 1109, mit dem Ueber-
reste seines Heeres nach Adrianopel zurück. Die Kaiserlichen hingegen waren
H. 1109.



J. C. 1698.nach erhaltenem Siege die ganze Nacht hindurch auf dem Schlachtfelde verhar-
ret; weil sie eine Hinterlist besorgten, dergleichen bey den Türken gewöhnlich ist.
Am folgenden Tage aber gingen sie über die Theiße, und plünderten dasjenige
vollends weg, was Teökeöli 29 in dem Lager übrig gelassen hatte.

[Spaltenumbruch]
28 Alibing-ar] Alis Brunn. Es ist
ein Ort auf dem halben Wege zwischen Te-
mischwar und Belgrad, da die Kundschafter
von beyden Seiten sich einzufinden pflegen;
denn er lieget sehr hoch, so daß man von da
eine vortreffliche Aussicht in das ganze Land
rings herum hat.
29 Teökeöli] Er hatte den Sultan in
diesem Feldzuge begleitet; und da er nach
geschehener Niederlage sahe, daß die Brücke
darnieder gerissen war, und wohl wußte, daß
dieselbe in so kurzer Zeit von den Deutschen
nicht konnte hergestellet werden: so blieb er
noch die ganze Nacht in dem türkischen Lager,
und plünderte darinnen alles, was er von
Kostbarkeiten antraf. Dadurch gewann der-
selbe für sich und die Seinigen mehr, als ihm
des Sultans Gehalt einbrachte; denn dieser
langte kaum zu, daß er sich davon unterhal-
ten konnte.
30 Daltaban Mustäfa] Dieses ist
[Spaltenumbruch]
ein Mann, der sich durch seine kriegerischen
Tugenden unter den Türken sehr berühmt ge-
macht hat. In seiner Jugend war er ein
Jeng-itscheri, und war an dem Hofe des
großen Weßirs, Kjüprili Aehmed Paschas,
auferzogen worden. Dessen Nachfolger, Kara
Mustäfa Pascha, beförderte ihn zu dem Amte
eines Telchistschi: allein, nach dem Tode
desselben wurde er ein Ball des Glücks, so
daß er nicht nur seine Stelle verlor, sondern
auch nicht wieder an die Reihe kommen konn-
te; bis Aerebedschi Ali Pascha Weßir wurde,
der ihn zum Aga der Jeng-itscheri machte.
Diese Stelle gab ihm die erste Gelegenheit,
seine Tugenden der Welt bekannt zu machen:
denn er trug sehr große Sorgfalt für die öf-
fentliche Ruhe, bestrafte die Unordnungen
auf das schärfste; und an statt daß er zu Pfer-
de hätte reiten sollen, wie seine Vorfahrer
gethan hatten: so veränderte er seinen Auf-
zug, und ging sowol bey Tage als bey Nacht
um die Stadt zu Fuße herum; um welcher
Sache willen man ihm den Namen Daltaban,
68. Weil
Osmaniſche Geſchichte
Machet den
Statthalter zu
Belgrad, Huſejn
Paſcha, zumWeßir.
66.

Am folgenden Tage fuͤhrete derſelbe ſeine Truppen, die ſich itzo von
ihrer Verzweifelung wieder erholet hatten, gegen Belgrad zu. Als er auf dieſem
Zuge an einen Ort kam, der den Namen Alibing-ar 28 fuͤhret: ſo kam ihm
der Statthalter von Belgrad, Aemidſche Ogli Huſejn Paſcha, entgegen, nach-
dem er ihn durch Emirochor Tſcherkjes Mehemmed Paſcha zu ſich entboten hatte.
Weil nun ſonſt kein Paſcha mehr von dem Range mit dreyen Roßſchweifen
gegenwaͤrtig war: ſo trug er demſelben die Wuͤrde des oberſten Weßirs auf.

Der Sultan
reiſet von Bel-
grad nach Adri-anopel.
67.

Nach einem kurzen Aufenthalte zu Belgrad kehrete derſelbe gegen
das Ende des Monats Dſchemaßiuͤl ewwel, im Jahre 1109, mit dem Ueber-
reſte ſeines Heeres nach Adrianopel zuruͤck. Die Kaiſerlichen hingegen waren
H. 1109.



J. C. 1698.nach erhaltenem Siege die ganze Nacht hindurch auf dem Schlachtfelde verhar-
ret; weil ſie eine Hinterliſt beſorgten, dergleichen bey den Tuͤrken gewoͤhnlich iſt.
Am folgenden Tage aber gingen ſie uͤber die Theiße, und pluͤnderten dasjenige
vollends weg, was Teoͤkeoͤli 29 in dem Lager uͤbrig gelaſſen hatte.

[Spaltenumbruch]
28 Alibing-ar] Alis Brunn. Es iſt
ein Ort auf dem halben Wege zwiſchen Te-
miſchwar und Belgrad, da die Kundſchafter
von beyden Seiten ſich einzufinden pflegen;
denn er lieget ſehr hoch, ſo daß man von da
eine vortreffliche Ausſicht in das ganze Land
rings herum hat.
29 Teoͤkeoͤli] Er hatte den Sultan in
dieſem Feldzuge begleitet; und da er nach
geſchehener Niederlage ſahe, daß die Bruͤcke
darnieder geriſſen war, und wohl wußte, daß
dieſelbe in ſo kurzer Zeit von den Deutſchen
nicht konnte hergeſtellet werden: ſo blieb er
noch die ganze Nacht in dem tuͤrkiſchen Lager,
und pluͤnderte darinnen alles, was er von
Koſtbarkeiten antraf. Dadurch gewann der-
ſelbe fuͤr ſich und die Seinigen mehr, als ihm
des Sultans Gehalt einbrachte; denn dieſer
langte kaum zu, daß er ſich davon unterhal-
ten konnte.
30 Daltaban Muſtaͤfa] Dieſes iſt
[Spaltenumbruch]
ein Mann, der ſich durch ſeine kriegeriſchen
Tugenden unter den Tuͤrken ſehr beruͤhmt ge-
macht hat. In ſeiner Jugend war er ein
Jeng-itſcheri, und war an dem Hofe des
großen Weßirs, Kjuͤprili Aehmed Paſchas,
auferzogen worden. Deſſen Nachfolger, Kara
Muſtaͤfa Paſcha, befoͤrderte ihn zu dem Amte
eines Telchistſchi: allein, nach dem Tode
deſſelben wurde er ein Ball des Gluͤcks, ſo
daß er nicht nur ſeine Stelle verlor, ſondern
auch nicht wieder an die Reihe kommen konn-
te; bis Aerebedſchi Ali Paſcha Weßir wurde,
der ihn zum Aga der Jeng-itſcheri machte.
Dieſe Stelle gab ihm die erſte Gelegenheit,
ſeine Tugenden der Welt bekannt zu machen:
denn er trug ſehr große Sorgfalt fuͤr die oͤf-
fentliche Ruhe, beſtrafte die Unordnungen
auf das ſchaͤrfſte; und an ſtatt daß er zu Pfer-
de haͤtte reiten ſollen, wie ſeine Vorfahrer
gethan hatten: ſo veraͤnderte er ſeinen Auf-
zug, und ging ſowol bey Tage als bey Nacht
um die Stadt zu Fuße herum; um welcher
Sache willen man ihm den Namen Daltaban,
68. Weil
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[692/0806] Osmaniſche Geſchichte 66. Am folgenden Tage fuͤhrete derſelbe ſeine Truppen, die ſich itzo von ihrer Verzweifelung wieder erholet hatten, gegen Belgrad zu. Als er auf dieſem Zuge an einen Ort kam, der den Namen Alibing-ar ²⁸ fuͤhret: ſo kam ihm der Statthalter von Belgrad, Aemidſche Ogli Huſejn Paſcha, entgegen, nach- dem er ihn durch Emirochor Tſcherkjes Mehemmed Paſcha zu ſich entboten hatte. Weil nun ſonſt kein Paſcha mehr von dem Range mit dreyen Roßſchweifen gegenwaͤrtig war: ſo trug er demſelben die Wuͤrde des oberſten Weßirs auf. 67. Nach einem kurzen Aufenthalte zu Belgrad kehrete derſelbe gegen das Ende des Monats Dſchemaßiuͤl ewwel, im Jahre 1109, mit dem Ueber- reſte ſeines Heeres nach Adrianopel zuruͤck. Die Kaiſerlichen hingegen waren nach erhaltenem Siege die ganze Nacht hindurch auf dem Schlachtfelde verhar- ret; weil ſie eine Hinterliſt beſorgten, dergleichen bey den Tuͤrken gewoͤhnlich iſt. Am folgenden Tage aber gingen ſie uͤber die Theiße, und pluͤnderten dasjenige vollends weg, was Teoͤkeoͤli ²⁹ in dem Lager uͤbrig gelaſſen hatte. H. 1109. J. C. 1698. 68. Weil ²⁸ Alibing-ar] Alis Brunn. Es iſt ein Ort auf dem halben Wege zwiſchen Te- miſchwar und Belgrad, da die Kundſchafter von beyden Seiten ſich einzufinden pflegen; denn er lieget ſehr hoch, ſo daß man von da eine vortreffliche Ausſicht in das ganze Land rings herum hat. ²⁹ Teoͤkeoͤli] Er hatte den Sultan in dieſem Feldzuge begleitet; und da er nach geſchehener Niederlage ſahe, daß die Bruͤcke darnieder geriſſen war, und wohl wußte, daß dieſelbe in ſo kurzer Zeit von den Deutſchen nicht konnte hergeſtellet werden: ſo blieb er noch die ganze Nacht in dem tuͤrkiſchen Lager, und pluͤnderte darinnen alles, was er von Koſtbarkeiten antraf. Dadurch gewann der- ſelbe fuͤr ſich und die Seinigen mehr, als ihm des Sultans Gehalt einbrachte; denn dieſer langte kaum zu, daß er ſich davon unterhal- ten konnte. ³⁰ Daltaban Muſtaͤfa] Dieſes iſt ein Mann, der ſich durch ſeine kriegeriſchen Tugenden unter den Tuͤrken ſehr beruͤhmt ge- macht hat. In ſeiner Jugend war er ein Jeng-itſcheri, und war an dem Hofe des großen Weßirs, Kjuͤprili Aehmed Paſchas, auferzogen worden. Deſſen Nachfolger, Kara Muſtaͤfa Paſcha, befoͤrderte ihn zu dem Amte eines Telchistſchi: allein, nach dem Tode deſſelben wurde er ein Ball des Gluͤcks, ſo daß er nicht nur ſeine Stelle verlor, ſondern auch nicht wieder an die Reihe kommen konn- te; bis Aerebedſchi Ali Paſcha Weßir wurde, der ihn zum Aga der Jeng-itſcheri machte. Dieſe Stelle gab ihm die erſte Gelegenheit, ſeine Tugenden der Welt bekannt zu machen: denn er trug ſehr große Sorgfalt fuͤr die oͤf- fentliche Ruhe, beſtrafte die Unordnungen auf das ſchaͤrfſte; und an ſtatt daß er zu Pfer- de haͤtte reiten ſollen, wie ſeine Vorfahrer gethan hatten: ſo veraͤnderte er ſeinen Auf- zug, und ging ſowol bey Tage als bey Nacht um die Stadt zu Fuße herum; um welcher Sache willen man ihm den Namen Daltaban, das

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 692. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/806>, abgerufen am 25.11.2024.