sondern auch, weil er über hundert Millionen Schulden habe. Außer diesem Unglücke habe Gott auch eine Theurung in Ungarn und Deutschland geschicket, die diese beyden Reiche in solche Noth versetzet hätten, daß die vornehmsten Vormauren von Ungarn, die sie mit betroffen, nämlich Ofen und Essek, und die geringern Festungen noch viel mehr, sowol an Mannschaft, als an Lebens- mitteln, Mangel litten. So falsch nun auch diese Nachrichten waren: so wa- ren sie doch dem Hofe noch weit angenehmer.
28.
Der Weßir leget daher alle friedlichen Gedanken bey seite, undDieses ist die Ursache, daß neue Zurüstungen zum Kriege ge- macht werden. richtet alle seine Bemühungen dahin, den Krieg aufs neue fortzusetzen: wirbet neue Jeng-itscheri an, deren Anzahl durch das Schwert der Deutschen und Aerebedschi Ali Paschas Grausamkeit ungemein war verringert worden, und befiehlet den übrigen Paschen unter schwerer Strafe, sich innerhalb einer gewis- sen Zeit mit ihren Truppen bereit zu halten.
29.
Weil aber die Soldaten durch die letztere Niederlage schüchternDer Weßir sendet den Se- räskjer voraus, und befiehlet demselben, den Krieg nur ver- theidigungs- weise zu führen: indessen ergiebt sich doch Wara- din an Heusler. gemacht worden und daher nicht in solcher Geschwindigkeit zusammen zu bringen waren: so schickte derselbe den Seräskjer mit so vielen Truppen, als in Bereit- schaft waren, an die Grenzen von Ungarn, mit Befehle, ein Treffen mit den Deutschen zu vermeiden, und nur bloß die Grenzen des Reichs gegen die feind- lichen Streifereyen zu verwahren; imgleichen, die Städte in Ungarn, die noch in der Türken Händen waren, im Falle, daß sie sollten angegriffen werden, zu entsetzen. Der Seräskjer hielte zwar die deutschen Völker von Belgrad und der Save auf eine gewisse Weite entfernet; weil die letztern sich ihrer Schwäche bewußt waren und daher keine große Lust hatten, mit ihm anzubinden: er konnte aber doch nicht verhindern, daß nicht Heusler, der letzthin wieder in Freyheit gesetzet worden war, Waradin genöthiget hätte (das von dem verwichenen Jahre her war eingeschlossen gehalten worden), sich aus Mangel an Lebens- mitteln am 21 des Monats Remäßan*, im Jahre 1103, zu ergeben.
H. 1103. J. C. 1692. [Spaltenumbruch]
daß der Palast eines Müsülmans, ja gar eines Weßirs, von Gjawurn besessen, und ein Ort, der durch so viele Nemaß und Gebeter gehei- liget worden, mit Wein und Schweinefleisch verunreiniget werden sollte.
[Spaltenumbruch]
13 Serposchtschi Ali] Serposch* ist eine Gattung einer Haube, die die türkischen Weiber tragen. Es scheinet, daß dieser Weßir in seiner Jugend ein solcher Hauben- macher gewesen sey, und daher diesen Bey- namen bekommen habe.
30. Um
* am fünf und zwanzigsten May.
* Tarposch.
4 L
21. Aehmed der II
ſondern auch, weil er uͤber hundert Millionen Schulden habe. Außer dieſem Ungluͤcke habe Gott auch eine Theurung in Ungarn und Deutſchland geſchicket, die dieſe beyden Reiche in ſolche Noth verſetzet haͤtten, daß die vornehmſten Vormauren von Ungarn, die ſie mit betroffen, naͤmlich Ofen und Eſſek, und die geringern Feſtungen noch viel mehr, ſowol an Mannſchaft, als an Lebens- mitteln, Mangel litten. So falſch nun auch dieſe Nachrichten waren: ſo wa- ren ſie doch dem Hofe noch weit angenehmer.
28.
Der Weßir leget daher alle friedlichen Gedanken bey ſeite, undDieſes iſt die Urſache, daß neue Zuruͤſtungen zum Kriege ge- macht werden. richtet alle ſeine Bemuͤhungen dahin, den Krieg aufs neue fortzuſetzen: wirbet neue Jeng-itſcheri an, deren Anzahl durch das Schwert der Deutſchen und Aerebedſchi Ali Paſchas Grauſamkeit ungemein war verringert worden, und befiehlet den uͤbrigen Paſchen unter ſchwerer Strafe, ſich innerhalb einer gewiſ- ſen Zeit mit ihren Truppen bereit zu halten.
29.
Weil aber die Soldaten durch die letztere Niederlage ſchuͤchternDer Weßir ſendet den Se- raͤskjer voraus, und befiehlet demſelben, den Krieg nur ver- theidigungs- weiſe zu fuͤhren: indeſſen ergiebt ſich doch Wara- din an Heusler. gemacht worden und daher nicht in ſolcher Geſchwindigkeit zuſammen zu bringen waren: ſo ſchickte derſelbe den Seraͤskjer mit ſo vielen Truppen, als in Bereit- ſchaft waren, an die Grenzen von Ungarn, mit Befehle, ein Treffen mit den Deutſchen zu vermeiden, und nur bloß die Grenzen des Reichs gegen die feind- lichen Streifereyen zu verwahren; imgleichen, die Staͤdte in Ungarn, die noch in der Tuͤrken Haͤnden waren, im Falle, daß ſie ſollten angegriffen werden, zu entſetzen. Der Seraͤskjer hielte zwar die deutſchen Voͤlker von Belgrad und der Save auf eine gewiſſe Weite entfernet; weil die letztern ſich ihrer Schwaͤche bewußt waren und daher keine große Luſt hatten, mit ihm anzubinden: er konnte aber doch nicht verhindern, daß nicht Heusler, der letzthin wieder in Freyheit geſetzet worden war, Waradin genoͤthiget haͤtte (das von dem verwichenen Jahre her war eingeſchloſſen gehalten worden), ſich aus Mangel an Lebens- mitteln am 21 des Monats Remaͤßan*, im Jahre 1103, zu ergeben.
H. 1103. J. C. 1692. [Spaltenumbruch]
daß der Palaſt eines Muͤſuͤlmans, ja gar eines Weßirs, von Gjawurn beſeſſen, und ein Ort, der durch ſo viele Nemaß und Gebeter gehei- liget worden, mit Wein und Schweinefleiſch verunreiniget werden ſollte.
[Spaltenumbruch]
13 Serpoſchtſchi Ali] Serpoſch* iſt eine Gattung einer Haube, die die tuͤrkiſchen Weiber tragen. Es ſcheinet, daß dieſer Weßir in ſeiner Jugend ein ſolcher Hauben- macher geweſen ſey, und daher dieſen Bey- namen bekommen habe.
30. Um
* am fuͤnf und zwanzigſten May.
* Tarpoſch.
4 L
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0745"n="633"/><fwplace="top"type="header">21. Aehmed der <hirendition="#aq">II</hi></fw><lb/>ſondern auch, weil er uͤber hundert Millionen Schulden habe. Außer dieſem<lb/>
Ungluͤcke habe Gott auch eine Theurung in Ungarn und Deutſchland geſchicket,<lb/>
die dieſe beyden Reiche in ſolche Noth verſetzet haͤtten, daß die vornehmſten<lb/>
Vormauren von Ungarn, die ſie mit betroffen, naͤmlich Ofen und Eſſek, und<lb/>
die geringern Feſtungen noch viel mehr, ſowol an Mannſchaft, als an Lebens-<lb/>
mitteln, Mangel litten. So falſch nun auch dieſe Nachrichten waren: ſo wa-<lb/>
ren ſie doch dem Hofe noch weit angenehmer.</p></div><lb/><divn="3"><head>28.</head><p>Der Weßir leget daher alle friedlichen Gedanken bey ſeite, und<noteplace="right">Dieſes iſt die<lb/>
Urſache, daß neue<lb/>
Zuruͤſtungen<lb/>
zum Kriege ge-<lb/>
macht werden.</note><lb/>
richtet alle ſeine Bemuͤhungen dahin, den Krieg aufs neue fortzuſetzen: wirbet<lb/>
neue Jeng-itſcheri an, deren Anzahl durch das Schwert der Deutſchen und<lb/>
Aerebedſchi Ali Paſchas Grauſamkeit ungemein war verringert worden, und<lb/>
befiehlet den uͤbrigen Paſchen unter ſchwerer Strafe, ſich innerhalb einer gewiſ-<lb/>ſen Zeit mit ihren Truppen bereit zu halten.</p></div><lb/><divn="3"><head>29.</head><p>Weil aber die Soldaten durch die letztere Niederlage ſchuͤchtern<noteplace="right">Der Weßir<lb/>ſendet den Se-<lb/>
raͤskjer voraus,<lb/>
und befiehlet<lb/>
demſelben, den<lb/>
Krieg nur ver-<lb/>
theidigungs-<lb/>
weiſe zu fuͤhren:<lb/>
indeſſen ergiebt<lb/>ſich doch Wara-<lb/>
din an Heusler.</note><lb/>
gemacht worden und daher nicht in ſolcher Geſchwindigkeit zuſammen zu bringen<lb/>
waren: ſo ſchickte derſelbe den Seraͤskjer mit ſo vielen Truppen, als in Bereit-<lb/>ſchaft waren, an die Grenzen von Ungarn, mit Befehle, ein Treffen mit den<lb/>
Deutſchen zu vermeiden, und nur bloß die Grenzen des Reichs gegen die feind-<lb/>
lichen Streifereyen zu verwahren; imgleichen, die Staͤdte in Ungarn, die noch<lb/>
in der Tuͤrken Haͤnden waren, im Falle, daß ſie ſollten angegriffen werden, zu<lb/>
entſetzen. Der Seraͤskjer hielte zwar die deutſchen Voͤlker von Belgrad und<lb/>
der Save auf eine gewiſſe Weite entfernet; weil die letztern ſich ihrer Schwaͤche<lb/>
bewußt waren und daher keine große Luſt hatten, mit ihm anzubinden: er konnte<lb/>
aber doch nicht verhindern, daß nicht Heusler, der letzthin wieder in Freyheit<lb/>
geſetzet worden war, Waradin genoͤthiget haͤtte (das von dem verwichenen<lb/>
Jahre her war eingeſchloſſen gehalten worden), ſich aus Mangel an Lebens-<lb/>
mitteln am 21 des Monats Remaͤßan<noteplace="foot"n="*">am fuͤnf und zwanzigſten May.</note>, im Jahre 1103, zu ergeben.</p><noteplace="right">H. 1103.<lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
J. C. 1692.</note><lb/><fwplace="bottom"type="catch">30. Um</fw><lb/><cbn="1"/><lb/><notexml:id="S745"prev="#S744"place="end">daß der Palaſt eines Muͤſuͤlmans, ja gar eines<lb/>
Weßirs, von Gjawurn beſeſſen, und ein Ort,<lb/>
der durch ſo viele Nemaß und Gebeter gehei-<lb/>
liget worden, mit Wein und Schweinefleiſch<lb/>
verunreiniget werden ſollte.</note><lb/><cbn="2"/><lb/><noteplace="end"n="13">Serpoſchtſchi Ali] Serpoſch<noteplace="foot"n="*">Tarpoſch.</note> iſt<lb/>
eine Gattung einer Haube, die die tuͤrkiſchen<lb/>
Weiber tragen. Es ſcheinet, daß dieſer<lb/>
Weßir in ſeiner Jugend ein ſolcher Hauben-<lb/>
macher geweſen ſey, und daher dieſen Bey-<lb/>
namen bekommen habe.</note><lb/><fwplace="bottom"type="sig">4 L</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[633/0745]
21. Aehmed der II
ſondern auch, weil er uͤber hundert Millionen Schulden habe. Außer dieſem
Ungluͤcke habe Gott auch eine Theurung in Ungarn und Deutſchland geſchicket,
die dieſe beyden Reiche in ſolche Noth verſetzet haͤtten, daß die vornehmſten
Vormauren von Ungarn, die ſie mit betroffen, naͤmlich Ofen und Eſſek, und
die geringern Feſtungen noch viel mehr, ſowol an Mannſchaft, als an Lebens-
mitteln, Mangel litten. So falſch nun auch dieſe Nachrichten waren: ſo wa-
ren ſie doch dem Hofe noch weit angenehmer.
28. Der Weßir leget daher alle friedlichen Gedanken bey ſeite, und
richtet alle ſeine Bemuͤhungen dahin, den Krieg aufs neue fortzuſetzen: wirbet
neue Jeng-itſcheri an, deren Anzahl durch das Schwert der Deutſchen und
Aerebedſchi Ali Paſchas Grauſamkeit ungemein war verringert worden, und
befiehlet den uͤbrigen Paſchen unter ſchwerer Strafe, ſich innerhalb einer gewiſ-
ſen Zeit mit ihren Truppen bereit zu halten.
Dieſes iſt die
Urſache, daß neue
Zuruͤſtungen
zum Kriege ge-
macht werden.
29. Weil aber die Soldaten durch die letztere Niederlage ſchuͤchtern
gemacht worden und daher nicht in ſolcher Geſchwindigkeit zuſammen zu bringen
waren: ſo ſchickte derſelbe den Seraͤskjer mit ſo vielen Truppen, als in Bereit-
ſchaft waren, an die Grenzen von Ungarn, mit Befehle, ein Treffen mit den
Deutſchen zu vermeiden, und nur bloß die Grenzen des Reichs gegen die feind-
lichen Streifereyen zu verwahren; imgleichen, die Staͤdte in Ungarn, die noch
in der Tuͤrken Haͤnden waren, im Falle, daß ſie ſollten angegriffen werden, zu
entſetzen. Der Seraͤskjer hielte zwar die deutſchen Voͤlker von Belgrad und
der Save auf eine gewiſſe Weite entfernet; weil die letztern ſich ihrer Schwaͤche
bewußt waren und daher keine große Luſt hatten, mit ihm anzubinden: er konnte
aber doch nicht verhindern, daß nicht Heusler, der letzthin wieder in Freyheit
geſetzet worden war, Waradin genoͤthiget haͤtte (das von dem verwichenen
Jahre her war eingeſchloſſen gehalten worden), ſich aus Mangel an Lebens-
mitteln am 21 des Monats Remaͤßan *, im Jahre 1103, zu ergeben.
Der Weßir
ſendet den Se-
raͤskjer voraus,
und befiehlet
demſelben, den
Krieg nur ver-
theidigungs-
weiſe zu fuͤhren:
indeſſen ergiebt
ſich doch Wara-
din an Heusler.
30. Um
daß der Palaſt eines Muͤſuͤlmans, ja gar eines
Weßirs, von Gjawurn beſeſſen, und ein Ort,
der durch ſo viele Nemaß und Gebeter gehei-
liget worden, mit Wein und Schweinefleiſch
verunreiniget werden ſollte.
¹³ Serpoſchtſchi Ali] Serpoſch * iſt
eine Gattung einer Haube, die die tuͤrkiſchen
Weiber tragen. Es ſcheinet, daß dieſer
Weßir in ſeiner Jugend ein ſolcher Hauben-
macher geweſen ſey, und daher dieſen Bey-
namen bekommen habe.
* am fuͤnf und zwanzigſten May.
* Tarpoſch.
4 L
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/745>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.