gegen die Unglaubigen aufmunterte; und daß denjenigen, die keine Lust dazu hatten, die Freyheit gegeben wurde, zu Hause zu bleiben: so schickten sich nicht nur diejenigen, die wirklich Sold bekamen; sondern auch andere, die ihrer Dien- ste bereits entlassen waren, theils damit man sie nicht für feig halten möchte, und theils aus Furcht, damit sie nicht für Gjawr angesehen würden, zum Feld- zuge an. Solchergestalt brachte Kjüprili Mustäfa Pascha dasjenige, was die vorigen Weßire nicht durch die schärfsten Drohungen, noch durch Paschen, Ka- pudschi Baschi und Tschawschen erhalten konnten, ohne die mindeste Schwie- rigkeit durch ein einziges Wort des Kurons zuwege, und bekam ein weit zahl- reicheres Heer auf die Beine, als irgend ein Weßir sint den Zeiten Kara Mu- stäfa Paschas gehabt hatte.
44.
Nachdem derselbe durch diese Veranstaltung ein Kriegesheer zusam-Reiniget die Schatzkammer von ungerechtem erhobenen Gelde. men gebracht hatte: so richtete er seine Gedanken darauf, die Schatzkammer von ungerechtem erhobenen Gelde zu säubern und sie durch ehrlichere Mittel anzufüllen. Als er die Rechnungen genau untersuchte: so befand er, daß der Zustand der Schatzkammer eben so verworren war, als die andern Sachen. Denn der Weßir und die übrigen Großen hatten zu Friedenszeiten einen großen Theil des Schatzes unter allerhand Vorwänden verzehret, und für Geschenke einigen die Befreyung vom Tribute verliehen; andern hingegen eine größere Last aufgeleget, als sie ertragen konnten. Als hernach der Krieg anging: so hatten die Defterdare mancherley Anschläge erdacht, die leeren Kästen wieder voll zu machen; und dadurch die Bürger in solche Armuth versetzet, daß man nichts anderes hörete, als das Schreyen des Volks, das Gott gegen seine unge- rechten Bedrücker um Rache anrief. Alle diese Misbräuche schaffte der Weßir mit großem Fleiße ab; erstattete der Schatzkammer alles das Geld wieder, was seine Vorfahrer, die Paschen und Sekretäre, daraus entwendet hatten; errich- tete neue Gesetze den Tribut zu erheben, und gab einen Befehl heraus, daß keine Person von anderer Religion vom Tribute frey seyn sollte; ließ auch die grie- chischen Mönche das Chäradsch 19 bezahlen (die sint der Eroberung von Constan- tinopel diese Befreyung genossen hatten, kraft eines Briefes, den der falsche [Spaltenumbruch]
von dem Zwange, die muhämmedische Reli- gion anzunehmen, befreyet zu seyn. In den folgenden Zeiten aber schiene diesen Blutsau- gern diese Summe zu gering zu seyn, und legten daher iedem Kopfe einen Tribut von drey Reichsthalern auf; und so bliebe es [Spaltenumbruch] unter den ersten Kaisern zu Constantinopel, Muhämmed dem II, Bajeßid dem II, Se- lim dem I, und Sülejman dem I. Diese Summe wurde von den folgenden Sultanen nach Belieben bald verringert und bald erhö- het, bis endlich Kjüprili Mustäfa Pascha
Prophet
4 F 2
20. Suͤlejman der II
gegen die Unglaubigen aufmunterte; und daß denjenigen, die keine Luſt dazu hatten, die Freyheit gegeben wurde, zu Hauſe zu bleiben: ſo ſchickten ſich nicht nur diejenigen, die wirklich Sold bekamen; ſondern auch andere, die ihrer Dien- ſte bereits entlaſſen waren, theils damit man ſie nicht fuͤr feig halten moͤchte, und theils aus Furcht, damit ſie nicht fuͤr Gjawr angeſehen wuͤrden, zum Feld- zuge an. Solchergeſtalt brachte Kjuͤprili Muſtaͤfa Paſcha dasjenige, was die vorigen Weßire nicht durch die ſchaͤrfſten Drohungen, noch durch Paſchen, Ka- pudſchi Baſchi und Tſchawſchen erhalten konnten, ohne die mindeſte Schwie- rigkeit durch ein einziges Wort des Kurons zuwege, und bekam ein weit zahl- reicheres Heer auf die Beine, als irgend ein Weßir ſint den Zeiten Kara Mu- ſtaͤfa Paſchas gehabt hatte.
44.
Nachdem derſelbe durch dieſe Veranſtaltung ein Kriegesheer zuſam-Reiniget die Schatzkammer von ungerechtem erhobenen Gelde. men gebracht hatte: ſo richtete er ſeine Gedanken darauf, die Schatzkammer von ungerechtem erhobenen Gelde zu ſaͤubern und ſie durch ehrlichere Mittel anzufuͤllen. Als er die Rechnungen genau unterſuchte: ſo befand er, daß der Zuſtand der Schatzkammer eben ſo verworren war, als die andern Sachen. Denn der Weßir und die uͤbrigen Großen hatten zu Friedenszeiten einen großen Theil des Schatzes unter allerhand Vorwaͤnden verzehret, und fuͤr Geſchenke einigen die Befreyung vom Tribute verliehen; andern hingegen eine groͤßere Laſt aufgeleget, als ſie ertragen konnten. Als hernach der Krieg anging: ſo hatten die Defterdare mancherley Anſchlaͤge erdacht, die leeren Kaͤſten wieder voll zu machen; und dadurch die Buͤrger in ſolche Armuth verſetzet, daß man nichts anderes hoͤrete, als das Schreyen des Volks, das Gott gegen ſeine unge- rechten Bedruͤcker um Rache anrief. Alle dieſe Misbraͤuche ſchaffte der Weßir mit großem Fleiße ab; erſtattete der Schatzkammer alles das Geld wieder, was ſeine Vorfahrer, die Paſchen und Sekretaͤre, daraus entwendet hatten; errich- tete neue Geſetze den Tribut zu erheben, und gab einen Befehl heraus, daß keine Perſon von anderer Religion vom Tribute frey ſeyn ſollte; ließ auch die grie- chiſchen Moͤnche das Chaͤradſch 19 bezahlen (die ſint der Eroberung von Conſtan- tinopel dieſe Befreyung genoſſen hatten, kraft eines Briefes, den der falſche [Spaltenumbruch]
von dem Zwange, die muhaͤmmediſche Reli- gion anzunehmen, befreyet zu ſeyn. In den folgenden Zeiten aber ſchiene dieſen Blutſau- gern dieſe Summe zu gering zu ſeyn, und legten daher iedem Kopfe einen Tribut von drey Reichsthalern auf; und ſo bliebe es [Spaltenumbruch] unter den erſten Kaiſern zu Conſtantinopel, Muhaͤmmed dem II‚ Bajeßid dem II‚ Se- lim dem I‚ und Suͤlejman dem I. Dieſe Summe wurde von den folgenden Sultanen nach Belieben bald verringert und bald erhoͤ- het, bis endlich Kjuͤprili Muſtaͤfa Paſcha
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20. Suͤlejman der II
gegen die Unglaubigen aufmunterte; und daß denjenigen, die keine Luſt dazu
hatten, die Freyheit gegeben wurde, zu Hauſe zu bleiben: ſo ſchickten ſich nicht
nur diejenigen, die wirklich Sold bekamen; ſondern auch andere, die ihrer Dien-
ſte bereits entlaſſen waren, theils damit man ſie nicht fuͤr feig halten moͤchte,
und theils aus Furcht, damit ſie nicht fuͤr Gjawr angeſehen wuͤrden, zum Feld-
zuge an. Solchergeſtalt brachte Kjuͤprili Muſtaͤfa Paſcha dasjenige, was die
vorigen Weßire nicht durch die ſchaͤrfſten Drohungen, noch durch Paſchen, Ka-
pudſchi Baſchi und Tſchawſchen erhalten konnten, ohne die mindeſte Schwie-
rigkeit durch ein einziges Wort des Kurons zuwege, und bekam ein weit zahl-
reicheres Heer auf die Beine, als irgend ein Weßir ſint den Zeiten Kara Mu-
ſtaͤfa Paſchas gehabt hatte.
44. Nachdem derſelbe durch dieſe Veranſtaltung ein Kriegesheer zuſam-
men gebracht hatte: ſo richtete er ſeine Gedanken darauf, die Schatzkammer
von ungerechtem erhobenen Gelde zu ſaͤubern und ſie durch ehrlichere Mittel
anzufuͤllen. Als er die Rechnungen genau unterſuchte: ſo befand er, daß der
Zuſtand der Schatzkammer eben ſo verworren war, als die andern Sachen.
Denn der Weßir und die uͤbrigen Großen hatten zu Friedenszeiten einen großen
Theil des Schatzes unter allerhand Vorwaͤnden verzehret, und fuͤr Geſchenke
einigen die Befreyung vom Tribute verliehen; andern hingegen eine groͤßere
Laſt aufgeleget, als ſie ertragen konnten. Als hernach der Krieg anging: ſo
hatten die Defterdare mancherley Anſchlaͤge erdacht, die leeren Kaͤſten wieder
voll zu machen; und dadurch die Buͤrger in ſolche Armuth verſetzet, daß man
nichts anderes hoͤrete, als das Schreyen des Volks, das Gott gegen ſeine unge-
rechten Bedruͤcker um Rache anrief. Alle dieſe Misbraͤuche ſchaffte der Weßir
mit großem Fleiße ab; erſtattete der Schatzkammer alles das Geld wieder, was
ſeine Vorfahrer, die Paſchen und Sekretaͤre, daraus entwendet hatten; errich-
tete neue Geſetze den Tribut zu erheben, und gab einen Befehl heraus, daß keine
Perſon von anderer Religion vom Tribute frey ſeyn ſollte; ließ auch die grie-
chiſchen Moͤnche das Chaͤradſch
¹⁹
bezahlen (die ſint der Eroberung von Conſtan-
tinopel dieſe Befreyung genoſſen hatten, kraft eines Briefes, den der falſche
Prophet
von dem Zwange, die muhaͤmmediſche Reli-
gion anzunehmen, befreyet zu ſeyn. In den
folgenden Zeiten aber ſchiene dieſen Blutſau-
gern dieſe Summe zu gering zu ſeyn, und
legten daher iedem Kopfe einen Tribut von
drey Reichsthalern auf; und ſo bliebe es
unter den erſten Kaiſern zu Conſtantinopel,
Muhaͤmmed dem II‚ Bajeßid dem II‚ Se-
lim dem I‚ und Suͤlejman dem I. Dieſe
Summe wurde von den folgenden Sultanen
nach Belieben bald verringert und bald erhoͤ-
het, bis endlich Kjuͤprili Muſtaͤfa Paſcha
dieſelbe
Reiniget die
Schatzkammer
von ungerechtem
erhobenen Gelde.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/705>, abgerufen am 22.11.2024.
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