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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
anderes Mittel Truppen anzuwerben, und setzte dasselbe mit bewundernswür-
diger Geschicklichkeit und Fortgange ins Werk. Denn an statt daß die vorigen
Weßire in ihren Befehlen alle Personen aufboten, die verpflichtet waren, in den
Krieg zu gehen: so machte dieser ein Ferman bekannt, das aus einem ganz
anderen Tone klang. Er führete darinnen an; nachdem er von dem Sultane
zum Weßire gemacht worden: so habe er nach reifer Ueberlegung für nöthig
erachtet, die Befehlhabung des osmanischen Heeres gegen die hochmüthigen
Deutschen niemand anderem, als sich selbst, anzuvertrauen. Er sey gesonnen,
in diesem Feldzuge keine Soldaten zu gebrauchen, die zu Kriegesdiensten gezwun-
gen würden; weil er wohl wisse, daß der Wille bey Gott mehr gelte, als die
That: sondern wolle den Anhängern der muhämmedischen Religion nur bloß
die Gebote Gottes und seines Propheten zu Gemüthe führen, nach denen einem
ieden Müsülmane befohlen sey, weder den Märtirtod zu scheuen, noch bey Ver-
theidigung des Gesetzes und Ausrottung der Unglaubigen an einem guten Er-
folge zu verzagen. Es solle daher ein ieder Müsülman, der sich nach dem Ge-
setze verbunden erachte und entschlossen sey, für den Glauben alles zu erdulden,
kommen und sich selbst unter sein Kriegesheer annehmen lassen. Diejenigen
aber, die unschlüssig seyen, oder sich vor dem Märtirtode fürchten, oder aber
durch solche Geschäffte abgehalten werden, davon sie glaubten, daß dieselben sie
vor Gott von dem Dienste lossprechen würden: sollten die Freyheit haben, zu
Hause zu bleiben; und sollten, nachdem sie sich von allen bösen Thaten gereini-
get hätten, täglich Gott um gutes Glück für das Heer bitten. Ja wenn auch
dergleichen Personen sich schon wirklich unter den Truppen befänden: so sollten
sie nicht allein von aller Strafe frey seyn; sondern auch die ganze Zeit ihrer Ab-
wesenheit ihren Sold fort genießen. Durch diesen offenen Brief wurden sowol
die Soldaten als das Volk in Asien gleichsam aus einem tiefen Schlafe aufge-
wecket und ermuntert. Denn bisher hatten dieselben, so oft sie in den Krieg
waren gerufen worden, aus Furcht vor der Strafe, die den Widerspännstigen
gedrohet war, sich verstecket, und dem Nachsuchen der Paschen theils durch Ge-
schenke, und theils durch List und falsche Vorwände, zu entgehen getrachtet.
Da sie aber itzo sahen, daß man sie durch die Gründe der Religion zum Kriege
[Spaltenumbruch]
19 Chäradsch] ist ein gesetzter Tribut,
den alle Personen, die nicht der muhämmedi-
schen Religion zugethan sind, dem türkischen
Kaiser bezahlen müssen. Diese Auflage grün-
det sich auf den Kuron, darinnen geboten ist,
[Spaltenumbruch]
daß alle Personen, die anderes Glaubens sind,
wann sie ihre männlichen Jahre erreichet ha-
ben, jährlich dreyzehen Drachmen lauteres
Silber* bezahlen sollen: wenn sie gesonnen
sind, Unterthanen des Reichs, und dabey

gegen
* Man sehe oben, 152 S.

Osmaniſche Geſchichte
anderes Mittel Truppen anzuwerben, und ſetzte daſſelbe mit bewundernswuͤr-
diger Geſchicklichkeit und Fortgange ins Werk. Denn an ſtatt daß die vorigen
Weßire in ihren Befehlen alle Perſonen aufboten, die verpflichtet waren, in den
Krieg zu gehen: ſo machte dieſer ein Ferman bekannt, das aus einem ganz
anderen Tone klang. Er fuͤhrete darinnen an; nachdem er von dem Sultane
zum Weßire gemacht worden: ſo habe er nach reifer Ueberlegung fuͤr noͤthig
erachtet, die Befehlhabung des osmaniſchen Heeres gegen die hochmuͤthigen
Deutſchen niemand anderem, als ſich ſelbſt, anzuvertrauen. Er ſey geſonnen,
in dieſem Feldzuge keine Soldaten zu gebrauchen, die zu Kriegesdienſten gezwun-
gen wuͤrden; weil er wohl wiſſe, daß der Wille bey Gott mehr gelte, als die
That: ſondern wolle den Anhaͤngern der muhaͤmmediſchen Religion nur bloß
die Gebote Gottes und ſeines Propheten zu Gemuͤthe fuͤhren, nach denen einem
ieden Muͤſuͤlmane befohlen ſey, weder den Maͤrtirtod zu ſcheuen, noch bey Ver-
theidigung des Geſetzes und Ausrottung der Unglaubigen an einem guten Er-
folge zu verzagen. Es ſolle daher ein ieder Muͤſuͤlman, der ſich nach dem Ge-
ſetze verbunden erachte und entſchloſſen ſey, fuͤr den Glauben alles zu erdulden,
kommen und ſich ſelbſt unter ſein Kriegesheer annehmen laſſen. Diejenigen
aber, die unſchluͤſſig ſeyen, oder ſich vor dem Maͤrtirtode fuͤrchten, oder aber
durch ſolche Geſchaͤffte abgehalten werden, davon ſie glaubten, daß dieſelben ſie
vor Gott von dem Dienſte losſprechen wuͤrden: ſollten die Freyheit haben, zu
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dergleichen Perſonen ſich ſchon wirklich unter den Truppen befaͤnden: ſo ſollten
ſie nicht allein von aller Strafe frey ſeyn; ſondern auch die ganze Zeit ihrer Ab-
weſenheit ihren Sold fort genießen. Durch dieſen offenen Brief wurden ſowol
die Soldaten als das Volk in Aſien gleichſam aus einem tiefen Schlafe aufge-
wecket und ermuntert. Denn bisher hatten dieſelben, ſo oft ſie in den Krieg
waren gerufen worden, aus Furcht vor der Strafe, die den Widerſpaͤnnſtigen
gedrohet war, ſich verſtecket, und dem Nachſuchen der Paſchen theils durch Ge-
ſchenke, und theils durch Liſt und falſche Vorwaͤnde, zu entgehen getrachtet.
Da ſie aber itzo ſahen, daß man ſie durch die Gruͤnde der Religion zum Kriege
[Spaltenumbruch]
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den alle Perſonen, die nicht der muhaͤmmedi-
ſchen Religion zugethan ſind, dem tuͤrkiſchen
Kaiſer bezahlen muͤſſen. Dieſe Auflage gruͤn-
det ſich auf den Kuron, darinnen geboten iſt,
[Spaltenumbruch]
daß alle Perſonen, die anderes Glaubens ſind,
wann ſie ihre maͤnnlichen Jahre erreichet ha-
ben, jaͤhrlich dreyzehen Drachmen lauteres
Silber* bezahlen ſollen: wenn ſie geſonnen
ſind, Unterthanen des Reichs, und dabey

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* Man ſehe oben, 152 S.
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[594/0704] Osmaniſche Geſchichte anderes Mittel Truppen anzuwerben, und ſetzte daſſelbe mit bewundernswuͤr- diger Geſchicklichkeit und Fortgange ins Werk. Denn an ſtatt daß die vorigen Weßire in ihren Befehlen alle Perſonen aufboten, die verpflichtet waren, in den Krieg zu gehen: ſo machte dieſer ein Ferman bekannt, das aus einem ganz anderen Tone klang. Er fuͤhrete darinnen an; nachdem er von dem Sultane zum Weßire gemacht worden: ſo habe er nach reifer Ueberlegung fuͤr noͤthig erachtet, die Befehlhabung des osmaniſchen Heeres gegen die hochmuͤthigen Deutſchen niemand anderem, als ſich ſelbſt, anzuvertrauen. Er ſey geſonnen, in dieſem Feldzuge keine Soldaten zu gebrauchen, die zu Kriegesdienſten gezwun- gen wuͤrden; weil er wohl wiſſe, daß der Wille bey Gott mehr gelte, als die That: ſondern wolle den Anhaͤngern der muhaͤmmediſchen Religion nur bloß die Gebote Gottes und ſeines Propheten zu Gemuͤthe fuͤhren, nach denen einem ieden Muͤſuͤlmane befohlen ſey, weder den Maͤrtirtod zu ſcheuen, noch bey Ver- theidigung des Geſetzes und Ausrottung der Unglaubigen an einem guten Er- folge zu verzagen. Es ſolle daher ein ieder Muͤſuͤlman, der ſich nach dem Ge- ſetze verbunden erachte und entſchloſſen ſey, fuͤr den Glauben alles zu erdulden, kommen und ſich ſelbſt unter ſein Kriegesheer annehmen laſſen. Diejenigen aber, die unſchluͤſſig ſeyen, oder ſich vor dem Maͤrtirtode fuͤrchten, oder aber durch ſolche Geſchaͤffte abgehalten werden, davon ſie glaubten, daß dieſelben ſie vor Gott von dem Dienſte losſprechen wuͤrden: ſollten die Freyheit haben, zu Hauſe zu bleiben; und ſollten, nachdem ſie ſich von allen boͤſen Thaten gereini- get haͤtten, taͤglich Gott um gutes Gluͤck fuͤr das Heer bitten. Ja wenn auch dergleichen Perſonen ſich ſchon wirklich unter den Truppen befaͤnden: ſo ſollten ſie nicht allein von aller Strafe frey ſeyn; ſondern auch die ganze Zeit ihrer Ab- weſenheit ihren Sold fort genießen. Durch dieſen offenen Brief wurden ſowol die Soldaten als das Volk in Aſien gleichſam aus einem tiefen Schlafe aufge- wecket und ermuntert. Denn bisher hatten dieſelben, ſo oft ſie in den Krieg waren gerufen worden, aus Furcht vor der Strafe, die den Widerſpaͤnnſtigen gedrohet war, ſich verſtecket, und dem Nachſuchen der Paſchen theils durch Ge- ſchenke, und theils durch Liſt und falſche Vorwaͤnde, zu entgehen getrachtet. Da ſie aber itzo ſahen, daß man ſie durch die Gruͤnde der Religion zum Kriege gegen ¹⁹ Chaͤradſch] iſt ein geſetzter Tribut, den alle Perſonen, die nicht der muhaͤmmedi- ſchen Religion zugethan ſind, dem tuͤrkiſchen Kaiſer bezahlen muͤſſen. Dieſe Auflage gruͤn- det ſich auf den Kuron, darinnen geboten iſt, daß alle Perſonen, die anderes Glaubens ſind, wann ſie ihre maͤnnlichen Jahre erreichet ha- ben, jaͤhrlich dreyzehen Drachmen lauteres Silber * bezahlen ſollen: wenn ſie geſonnen ſind, Unterthanen des Reichs, und dabey von * Man ſehe oben, 152 S.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/704>, abgerufen am 26.11.2024.