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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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19. Muhämmed der IIII
er denselben in einem offenen Felde, und umringet ihn. Die Tatarn brennen
hierauf das Gras ab, das von der Sonnenhitze bereits dürre geworden war,
beunruhigen das polnische Lager unaufhörlich mit kleinen Parteyen; und wann
die Polen ausgehen Fütterung zu holen: so nehmen sie dieselben entweder ge-
fangen; oder nöthigen sie, mit leeren Wägen zurück zu kehren. Der König
bietet aus Verzweifelung dem Seräskjer eine Schlacht an; weil aber dieser es
entweder für gefährlich erachtet, mit sechszig tausend Polen zu fechten; oder aber
den König gerne von Polens Grenzen weiter wegziehen will: so vermeidet er
ein Treffen mit demselben, und befiehlet seinen Soldaten, den Feind nur durch
beständiges Scharmützeln abzumatten. Allein, das polnische Heer fühlete einen
weit fürchterlichern Feind in seinem Magen, nämlich den Hunger; der demselben
dergestalt heftig zusetzte, daß es sich nicht von seinem Lager aus der Stelle bewe-
gen konnte, ohne drey bis vier hundert Todten hinter sich zu lassen.

149.

Als der König in diese Noth geräth: so bemühet er sich, wiederDie Polen sind
genöthiget, sich
zurück zu ziehen.

über den Prut hinüber zu kommen, bey einem Orte, der von den Einwohnern
Wale Strimba 77 genennet wird. Kaum aber ist noch die Hälfte des HeeresDer König
schändet den Na-
men eines gott-
seligen Herrn
durch Kirchen-
raub und Plün-
derung.

hinüber gegangen: so kommen die Tatarn heran und fallen den Uebrigen in den
Rücken, bringen eine große Anzahl ums Leben, machen ihrer viele zu Gefange-
nen, und sprengen noch mehrere in den Fluß. Nachdem endlich der Fluß nach
vieler Schwierigkeit und Verlust zurück geleget ist: so schüttet der König sei-
nen Zorn, den er die Türken nicht konnte empfinden lassen, gegen die Moldauer
aus, und giebt seinen Soldaten Freyheit 78, bey den Einwohnern des Landes
zu plündern. Er selbst brennet zwey Klöster zu Jassij ab, raubet die heiligen
Gefäße, nimmt die Ueberreste des heiligen Johanns von Sotschawa nebst vielen
[Spaltenumbruch]

fer mit den Türken herum; mußte aber den-
noch hier solche Bedingungen mit den Unglau-
bigen eingehen, die ihm nicht allzu wohl gefie-
len. Es scheinet so gar in dem Ursprunge
des Worts eine unglückliche Ahnung zu stecken;
denn Wale strimba bedeutet in der moldaui-
schen Sprache ein arges oder ungerechtes
Thal.
78 Freyheit] Der König war zwar be-
mühet, sich von diesen schändlichen Thaten
weiß zu brennen, und die Schuld auf die
[Spaltenumbruch]
hungrigen Soldaten zu schieben, die die Mol-
dauer nicht allein ohne sein Mitwissen, son-
dern auch gegen sein ausdrückliches Verbot,
geplündert hätten; und dieses suchte er den
Fürsten in einem Schreiben zu überreden.
Allein, sein übriges gewaltsames Verfahren
in Moldau, und die Gefangennehmung des
Metropoliten, der ihm die Reste des heiligen
Johanns von Sotschawa nicht ausliefern
wollte, geben offenbar zu erkennen, daß die
Soldaten, wenn sie auch nicht des Königes
Befehl oder Erlaubniß dazu gehabt haben,

Kostbar-
3 X 2

19. Muhaͤmmed der IIII
er denſelben in einem offenen Felde, und umringet ihn. Die Tatarn brennen
hierauf das Gras ab, das von der Sonnenhitze bereits duͤrre geworden war,
beunruhigen das polniſche Lager unaufhoͤrlich mit kleinen Parteyen; und wann
die Polen ausgehen Fuͤtterung zu holen: ſo nehmen ſie dieſelben entweder ge-
fangen; oder noͤthigen ſie, mit leeren Waͤgen zuruͤck zu kehren. Der Koͤnig
bietet aus Verzweifelung dem Seraͤskjer eine Schlacht an; weil aber dieſer es
entweder fuͤr gefaͤhrlich erachtet, mit ſechszig tauſend Polen zu fechten; oder aber
den Koͤnig gerne von Polens Grenzen weiter wegziehen will: ſo vermeidet er
ein Treffen mit demſelben, und befiehlet ſeinen Soldaten, den Feind nur durch
beſtaͤndiges Scharmuͤtzeln abzumatten. Allein, das polniſche Heer fuͤhlete einen
weit fuͤrchterlichern Feind in ſeinem Magen, naͤmlich den Hunger; der demſelben
dergeſtalt heftig zuſetzte, daß es ſich nicht von ſeinem Lager aus der Stelle bewe-
gen konnte, ohne drey bis vier hundert Todten hinter ſich zu laſſen.

149.

Als der Koͤnig in dieſe Noth geraͤth: ſo bemuͤhet er ſich, wiederDie Polen ſind
genoͤthiget, ſich
zuruͤck zu ziehen.

uͤber den Prut hinuͤber zu kommen, bey einem Orte, der von den Einwohnern
Wale Strimba 77 genennet wird. Kaum aber iſt noch die Haͤlfte des HeeresDer Koͤnig
ſchaͤndet den Na-
men eines gott-
ſeligen Herrn
durch Kirchen-
raub und Pluͤn-
derung.

hinuͤber gegangen: ſo kommen die Tatarn heran und fallen den Uebrigen in den
Ruͤcken, bringen eine große Anzahl ums Leben, machen ihrer viele zu Gefange-
nen, und ſprengen noch mehrere in den Fluß. Nachdem endlich der Fluß nach
vieler Schwierigkeit und Verluſt zuruͤck geleget iſt: ſo ſchuͤttet der Koͤnig ſei-
nen Zorn, den er die Tuͤrken nicht konnte empfinden laſſen, gegen die Moldauer
aus, und giebt ſeinen Soldaten Freyheit 78, bey den Einwohnern des Landes
zu pluͤndern. Er ſelbſt brennet zwey Kloͤſter zu Jaſſij ab, raubet die heiligen
Gefaͤße, nimmt die Ueberreſte des heiligen Johanns von Sotſchawa nebſt vielen
[Spaltenumbruch]

fer mit den Tuͤrken herum; mußte aber den-
noch hier ſolche Bedingungen mit den Unglau-
bigen eingehen, die ihm nicht allzu wohl gefie-
len. Es ſcheinet ſo gar in dem Urſprunge
des Worts eine ungluͤckliche Ahnung zu ſtecken;
denn Wale ſtrimba bedeutet in der moldaui-
ſchen Sprache ein arges oder ungerechtes
Thal.
78 Freyheit] Der Koͤnig war zwar be-
muͤhet, ſich von dieſen ſchaͤndlichen Thaten
weiß zu brennen, und die Schuld auf die
[Spaltenumbruch]
hungrigen Soldaten zu ſchieben, die die Mol-
dauer nicht allein ohne ſein Mitwiſſen, ſon-
dern auch gegen ſein ausdruͤckliches Verbot,
gepluͤndert haͤtten; und dieſes ſuchte er den
Fuͤrſten in einem Schreiben zu uͤberreden.
Allein, ſein uͤbriges gewaltſames Verfahren
in Moldau, und die Gefangennehmung des
Metropoliten, der ihm die Reſte des heiligen
Johanns von Sotſchawa nicht ausliefern
wollte, geben offenbar zu erkennen, daß die
Soldaten, wenn ſie auch nicht des Koͤniges
Befehl oder Erlaubniß dazu gehabt haben,

Koſtbar-
3 X 2
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[531/0639] 19. Muhaͤmmed der IIII er denſelben in einem offenen Felde, und umringet ihn. Die Tatarn brennen hierauf das Gras ab, das von der Sonnenhitze bereits duͤrre geworden war, beunruhigen das polniſche Lager unaufhoͤrlich mit kleinen Parteyen; und wann die Polen ausgehen Fuͤtterung zu holen: ſo nehmen ſie dieſelben entweder ge- fangen; oder noͤthigen ſie, mit leeren Waͤgen zuruͤck zu kehren. Der Koͤnig bietet aus Verzweifelung dem Seraͤskjer eine Schlacht an; weil aber dieſer es entweder fuͤr gefaͤhrlich erachtet, mit ſechszig tauſend Polen zu fechten; oder aber den Koͤnig gerne von Polens Grenzen weiter wegziehen will: ſo vermeidet er ein Treffen mit demſelben, und befiehlet ſeinen Soldaten, den Feind nur durch beſtaͤndiges Scharmuͤtzeln abzumatten. Allein, das polniſche Heer fuͤhlete einen weit fuͤrchterlichern Feind in ſeinem Magen, naͤmlich den Hunger; der demſelben dergeſtalt heftig zuſetzte, daß es ſich nicht von ſeinem Lager aus der Stelle bewe- gen konnte, ohne drey bis vier hundert Todten hinter ſich zu laſſen. 149. Als der Koͤnig in dieſe Noth geraͤth: ſo bemuͤhet er ſich, wieder uͤber den Prut hinuͤber zu kommen, bey einem Orte, der von den Einwohnern Wale Strimba ⁷⁷ genennet wird. Kaum aber iſt noch die Haͤlfte des Heeres hinuͤber gegangen: ſo kommen die Tatarn heran und fallen den Uebrigen in den Ruͤcken, bringen eine große Anzahl ums Leben, machen ihrer viele zu Gefange- nen, und ſprengen noch mehrere in den Fluß. Nachdem endlich der Fluß nach vieler Schwierigkeit und Verluſt zuruͤck geleget iſt: ſo ſchuͤttet der Koͤnig ſei- nen Zorn, den er die Tuͤrken nicht konnte empfinden laſſen, gegen die Moldauer aus, und giebt ſeinen Soldaten Freyheit ⁷⁸ , bey den Einwohnern des Landes zu pluͤndern. Er ſelbſt brennet zwey Kloͤſter zu Jaſſij ab, raubet die heiligen Gefaͤße, nimmt die Ueberreſte des heiligen Johanns von Sotſchawa nebſt vielen Koſtbar- fer mit den Tuͤrken herum; mußte aber den- noch hier ſolche Bedingungen mit den Unglau- bigen eingehen, die ihm nicht allzu wohl gefie- len. Es ſcheinet ſo gar in dem Urſprunge des Worts eine ungluͤckliche Ahnung zu ſtecken; denn Wale ſtrimba bedeutet in der moldaui- ſchen Sprache ein arges oder ungerechtes Thal. ⁷⁸ Freyheit] Der Koͤnig war zwar be- muͤhet, ſich von dieſen ſchaͤndlichen Thaten weiß zu brennen, und die Schuld auf die hungrigen Soldaten zu ſchieben, die die Mol- dauer nicht allein ohne ſein Mitwiſſen, ſon- dern auch gegen ſein ausdruͤckliches Verbot, gepluͤndert haͤtten; und dieſes ſuchte er den Fuͤrſten in einem Schreiben zu uͤberreden. Allein, ſein uͤbriges gewaltſames Verfahren in Moldau, und die Gefangennehmung des Metropoliten, der ihm die Reſte des heiligen Johanns von Sotſchawa nicht ausliefern wollte, geben offenbar zu erkennen, daß die Soldaten, wenn ſie auch nicht des Koͤniges Befehl oder Erlaubniß dazu gehabt haben, dennoch Die Polen ſind genoͤthiget, ſich zuruͤck zu ziehen. Der Koͤnig ſchaͤndet den Na- men eines gott- ſeligen Herrn durch Kirchen- raub und Pluͤn- derung. 3 X 2

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/639>, abgerufen am 22.11.2024.