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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
lich, er machte sich anheischig, für den Fürsten Kantemir die Gewähre zu leisten,
daß derselbe niemals gegen die Treue, die er dem osmanischen Reiche schuldig
sey, handeln, oder zu dem Feinde übergehen werde; und setzte hinzu: er sey
versichert, daß der Fürst bereits von Jassij abgereiset sey, und innerhalb dreyer
Tage bey dem Lager eintreffen werde. Der Erfolg rechtfertigte auch seine
Worte; denn der Fürst hatte drey Tage vor des Königes Ankunft Jassij ver-
lassen, und, als er nach Faltschij gekommen war, allen seinen Leuten Freyheit
gegeben, so viel, als ihrer es für gut befänden, zu dem Könige zurück zu kehren.
Hierauf ging derselbe über den Prut, und langte gegen das Ende des Monats
Schewwal bey dem Lager des Seräskjers an.

Der König von
Polen gehet über
den Prut, und
wird hierauf von
den Türken an-gegriffen.
148.

Während dieser Zeit setzte der König von Polen, nachdem er des
Schmausens müde geworden war, seinen Zug weiter fort, mit dem Vorsatze,
die Türken völlig aus Moldau zu vertreiben. Als er aber mit seinem Lager
zum andernmale fortrücket: so wird er gewahr, daß seine Soldaten schon an-
fangen an Lebensmitteln Mangel zu leiden; weil nämlich aller ihr Vorrath,
während ihres Aufenthalts zu Jassij, durch die Nachlässigkeit der darüber be-
stellten Aufseher durchgebracht, und für die Polen nichts mehr zu essen übrig
geblieben war, als eine große Menge Getreide. Um nun diesem Ungemache
abzuhelfen, gehet derselbe bey Tschotschora über den Prut, in der Einbildung,
er würde noch vor Annäherung der Türken sich der reichsten Vorrathshäuser
der budschakischen Tatarn bemächtigen, und dadurch seine hungerigen Soldaten
erquicken können. Als der Seräskjer Nachricht erhält, daß der König über
den Prut gegangen sey: so ziehet er mit seinem ganzen Heere gegen ihn zu;
und da er kaum noch zwo Tagereisen von Tschotschora entfernet ist: so entdecket
[Spaltenumbruch]

seiner Vorfahrer erzählete, so wie er sie aus
der Sage erlernet hatte; als die das ein-
zige Mittel ist, dadurch die tatarischen Ge-
schlechtregister aufbehalten werden. Er füh-
rete noch dabey an: er habe von seinen Vor-
ältern gehöret, daß zu der Zeit, als sie von
dem Chan am stärksten gedrücket worden,
einer von ihrem Geschlechte zu dem Fürsten
von Moldau geflohen sey, und die christliche
Religion angenommen habe; und dieser Nach-
richt wegen glaubte er, daß mein Vater sein
Anverwandter sey.
[Spaltenumbruch]
77 Wale Strimba] Ein Ort an dem
Flusse Prut, der für die Christen öfters unglück-
lich, und für die Unglaubigen glücklich gewe-
sen ist. Hier wurden Konizki, dem Feldherrn
der Kosaken, seine Linien von den Tatarn
überstiegen; dabey er geschlagen wurde und
eine große Niederlage erlitte. Der König
in Polen, Johann Sobjeski, wurde zweymal
genöthiget, eben diesen Ort zu verlassen;
und dieses nicht ohne sehr großen Verlust.
Zu meinen Zeiten schlug sich der Zar von Ruß-
land, Peter, drey Tage nach einander sehr tap-

er

Osmaniſche Geſchichte
lich, er machte ſich anheiſchig, fuͤr den Fuͤrſten Kantemir die Gewaͤhre zu leiſten,
daß derſelbe niemals gegen die Treue, die er dem osmaniſchen Reiche ſchuldig
ſey, handeln, oder zu dem Feinde uͤbergehen werde; und ſetzte hinzu: er ſey
verſichert, daß der Fuͤrſt bereits von Jaſſij abgereiſet ſey, und innerhalb dreyer
Tage bey dem Lager eintreffen werde. Der Erfolg rechtfertigte auch ſeine
Worte; denn der Fuͤrſt hatte drey Tage vor des Koͤniges Ankunft Jaſſij ver-
laſſen, und, als er nach Faltſchij gekommen war, allen ſeinen Leuten Freyheit
gegeben, ſo viel, als ihrer es fuͤr gut befaͤnden, zu dem Koͤnige zuruͤck zu kehren.
Hierauf ging derſelbe uͤber den Prut, und langte gegen das Ende des Monats
Schewwal bey dem Lager des Seraͤskjers an.

Der Koͤnig von
Polen gehet uͤber
den Prut, und
wird hierauf von
den Tuͤrken an-gegriffen.
148.

Waͤhrend dieſer Zeit ſetzte der Koͤnig von Polen, nachdem er des
Schmauſens muͤde geworden war, ſeinen Zug weiter fort, mit dem Vorſatze,
die Tuͤrken voͤllig aus Moldau zu vertreiben. Als er aber mit ſeinem Lager
zum andernmale fortruͤcket: ſo wird er gewahr, daß ſeine Soldaten ſchon an-
fangen an Lebensmitteln Mangel zu leiden; weil naͤmlich aller ihr Vorrath,
waͤhrend ihres Aufenthalts zu Jaſſij, durch die Nachlaͤſſigkeit der daruͤber be-
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geblieben war, als eine große Menge Getreide. Um nun dieſem Ungemache
abzuhelfen, gehet derſelbe bey Tſchotſchora uͤber den Prut, in der Einbildung,
er wuͤrde noch vor Annaͤherung der Tuͤrken ſich der reichſten Vorrathshaͤuſer
der budſchakiſchen Tatarn bemaͤchtigen, und dadurch ſeine hungerigen Soldaten
erquicken koͤnnen. Als der Seraͤskjer Nachricht erhaͤlt, daß der Koͤnig uͤber
den Prut gegangen ſey: ſo ziehet er mit ſeinem ganzen Heere gegen ihn zu;
und da er kaum noch zwo Tagereiſen von Tſchotſchora entfernet iſt: ſo entdecket
[Spaltenumbruch]

ſeiner Vorfahrer erzaͤhlete, ſo wie er ſie aus
der Sage erlernet hatte; als die das ein-
zige Mittel iſt, dadurch die tatariſchen Ge-
ſchlechtregiſter aufbehalten werden. Er fuͤh-
rete noch dabey an: er habe von ſeinen Vor-
aͤltern gehoͤret, daß zu der Zeit, als ſie von
dem Chan am ſtaͤrkſten gedruͤcket worden,
einer von ihrem Geſchlechte zu dem Fuͤrſten
von Moldau geflohen ſey, und die chriſtliche
Religion angenommen habe; und dieſer Nach-
richt wegen glaubte er, daß mein Vater ſein
Anverwandter ſey.
[Spaltenumbruch]
77 Wale Strimba] Ein Ort an dem
Fluſſe Prut, der fuͤr die Chriſten oͤfters ungluͤck-
lich, und fuͤr die Unglaubigen gluͤcklich gewe-
ſen iſt. Hier wurden Konizki, dem Feldherrn
der Koſaken, ſeine Linien von den Tatarn
uͤberſtiegen; dabey er geſchlagen wurde und
eine große Niederlage erlitte. Der Koͤnig
in Polen, Johann Sobjeſki, wurde zweymal
genoͤthiget, eben dieſen Ort zu verlaſſen;
und dieſes nicht ohne ſehr großen Verluſt.
Zu meinen Zeiten ſchlug ſich der Zar von Ruß-
land, Peter, drey Tage nach einander ſehr tap-

er
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[530/0638] Osmaniſche Geſchichte lich, er machte ſich anheiſchig, fuͤr den Fuͤrſten Kantemir die Gewaͤhre zu leiſten, daß derſelbe niemals gegen die Treue, die er dem osmaniſchen Reiche ſchuldig ſey, handeln, oder zu dem Feinde uͤbergehen werde; und ſetzte hinzu: er ſey verſichert, daß der Fuͤrſt bereits von Jaſſij abgereiſet ſey, und innerhalb dreyer Tage bey dem Lager eintreffen werde. Der Erfolg rechtfertigte auch ſeine Worte; denn der Fuͤrſt hatte drey Tage vor des Koͤniges Ankunft Jaſſij ver- laſſen, und, als er nach Faltſchij gekommen war, allen ſeinen Leuten Freyheit gegeben, ſo viel, als ihrer es fuͤr gut befaͤnden, zu dem Koͤnige zuruͤck zu kehren. Hierauf ging derſelbe uͤber den Prut, und langte gegen das Ende des Monats Schewwal bey dem Lager des Seraͤskjers an. 148. Waͤhrend dieſer Zeit ſetzte der Koͤnig von Polen, nachdem er des Schmauſens muͤde geworden war, ſeinen Zug weiter fort, mit dem Vorſatze, die Tuͤrken voͤllig aus Moldau zu vertreiben. Als er aber mit ſeinem Lager zum andernmale fortruͤcket: ſo wird er gewahr, daß ſeine Soldaten ſchon an- fangen an Lebensmitteln Mangel zu leiden; weil naͤmlich aller ihr Vorrath, waͤhrend ihres Aufenthalts zu Jaſſij, durch die Nachlaͤſſigkeit der daruͤber be- ſtellten Aufſeher durchgebracht, und fuͤr die Polen nichts mehr zu eſſen uͤbrig geblieben war, als eine große Menge Getreide. Um nun dieſem Ungemache abzuhelfen, gehet derſelbe bey Tſchotſchora uͤber den Prut, in der Einbildung, er wuͤrde noch vor Annaͤherung der Tuͤrken ſich der reichſten Vorrathshaͤuſer der budſchakiſchen Tatarn bemaͤchtigen, und dadurch ſeine hungerigen Soldaten erquicken koͤnnen. Als der Seraͤskjer Nachricht erhaͤlt, daß der Koͤnig uͤber den Prut gegangen ſey: ſo ziehet er mit ſeinem ganzen Heere gegen ihn zu; und da er kaum noch zwo Tagereiſen von Tſchotſchora entfernet iſt: ſo entdecket er ſeiner Vorfahrer erzaͤhlete, ſo wie er ſie aus der Sage erlernet hatte; als die das ein- zige Mittel iſt, dadurch die tatariſchen Ge- ſchlechtregiſter aufbehalten werden. Er fuͤh- rete noch dabey an: er habe von ſeinen Vor- aͤltern gehoͤret, daß zu der Zeit, als ſie von dem Chan am ſtaͤrkſten gedruͤcket worden, einer von ihrem Geſchlechte zu dem Fuͤrſten von Moldau geflohen ſey, und die chriſtliche Religion angenommen habe; und dieſer Nach- richt wegen glaubte er, daß mein Vater ſein Anverwandter ſey. ⁷⁷ Wale Strimba] Ein Ort an dem Fluſſe Prut, der fuͤr die Chriſten oͤfters ungluͤck- lich, und fuͤr die Unglaubigen gluͤcklich gewe- ſen iſt. Hier wurden Konizki, dem Feldherrn der Koſaken, ſeine Linien von den Tatarn uͤberſtiegen; dabey er geſchlagen wurde und eine große Niederlage erlitte. Der Koͤnig in Polen, Johann Sobjeſki, wurde zweymal genoͤthiget, eben dieſen Ort zu verlaſſen; und dieſes nicht ohne ſehr großen Verluſt. Zu meinen Zeiten ſchlug ſich der Zar von Ruß- land, Peter, drey Tage nach einander ſehr tap- fer

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/638>, abgerufen am 22.11.2024.