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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
thun: wenn sie sich bereitwillig erzeigen würden, sich zu diesem Unternehmen
gebrauchen zu lassen und darauf zu bestehen: so wollte er ihnen nicht allein
größere Ehre und reichlichern Sold zuwenden; sondern ihnen auch alle die
Schätze von Deutschland, die, der Meinung nach, zu Wien aufbehalten wür-
den, zu plündern geben. Ueber dieses zog er den Aga der Jeng-itscheri durch
allerley scheinbare Vorwände und Versprechung güldener Berge auf seine Par-
tey; durch welcherley Kunstgriffe auch der Kulkjihaja 46 und die übrigen
Odschak Agalari 47 übermocht wurden: so daß die Jeng-itscheri sich öffentlich
beschwereten, daß man die Kräfte des osmanischen Reiches vergebens bey der
Belagerung eines nichtsbedeutenden Platzes verzehrete, und die Zeit verschwen-
dete, in der die Nebenbuhlerinn von Constantinopel, die Hauptstadt Deutsch-
landes und aller Gjawr, könnte bezwungen werden. Als es der Weßir so weit
gebracht hatte: so ließ er die vornehmsten Paschen zu sich berufen, gab ihnen
Nachricht von den Reden, die unter den Jeng-itscheri herumgingen, und ver-
langte von ihnen, sie sollten ihre Meinung sagen: ob es rathsam sey, daß man
in ihr Begehren einwillige; oder ob man dieses wichtige Unternehmen bis auf
den künftigen Feldzug aussetzen solle.

Die Paschen
und Teökeöli be-
mühen sich, dem-
selben davon ab-zurathen.
61.

Weil die Paschen merkten, daß der Weßir wankelmüthig war: so
gaben sie ihre Stimme standhaft und einhällig gegen die Belagerung von Wien.
Sie sagten: Man muß eine Stadt nicht in des Feindes Händen lassen, die
nicht allein leicht zu erobern ist, sondern uns auch ein Eingang zur Eroberung
von ganz Deutschland seyn kann; so muß man auch nicht so etwas unterneh-
men, davon man wenig Vortheil, und dagegen große Gefahr zu erwarten hat.
Teökeöli setzte sich derselben vor allen andern entgegen; weil er voraus sahe,
wenn der Weßir Wien belagerte, daß alsdann alle seine Hoffnung mit dem Kö-
nigreiche Ungarn zu Wasser werden würde. Er sagte daher dem Weßire: er
würde eine dem osmanischen Besten höchstnachtheilige Sache unternehmen,
[Spaltenumbruch]

46 Kulkjihaja] der Leutenant von den
gesammten Truppen zu Fuß, und der nächste
nach dem Aga der Jeng-itscheri, über den er
so gar in dem kaiserlichen Diwan den Sitz hat.
Er hat die Liste von den Jeng-itscheri und
allem übrigen türkischen Fußvolke; und wann
eines von den Regimentern der Jeng-itscheri
in Besatzungen verleget werden soll: so muß
es den Befehl dazu von ihm erwarten. Er
[Spaltenumbruch]
theilet alle Sachen, die die Jeng-itscheri be-
treffen, ihrem Aga mit, und hat dieselben
zu besorgen; daher seine Gewalt bey diesen
Truppen sehr groß ist.
47 Odschak Agalari] Unter dieser all-
gemeinen Benennung werden sowol diejenigen
begriffen, die über die ganze Schar der
Jeng-itscheri die Befehlhabung führen; wie

wenn

Osmaniſche Geſchichte
thun: wenn ſie ſich bereitwillig erzeigen wuͤrden, ſich zu dieſem Unternehmen
gebrauchen zu laſſen und darauf zu beſtehen: ſo wollte er ihnen nicht allein
groͤßere Ehre und reichlichern Sold zuwenden; ſondern ihnen auch alle die
Schaͤtze von Deutſchland, die, der Meinung nach, zu Wien aufbehalten wuͤr-
den, zu pluͤndern geben. Ueber dieſes zog er den Aga der Jeng-itſcheri durch
allerley ſcheinbare Vorwaͤnde und Verſprechung guͤldener Berge auf ſeine Par-
tey; durch welcherley Kunſtgriffe auch der Kulkjihaja 46 und die uͤbrigen
Odſchak Agalari 47 uͤbermocht wurden: ſo daß die Jeng-itſcheri ſich oͤffentlich
beſchwereten, daß man die Kraͤfte des osmaniſchen Reiches vergebens bey der
Belagerung eines nichtsbedeutenden Platzes verzehrete, und die Zeit verſchwen-
dete, in der die Nebenbuhlerinn von Conſtantinopel, die Hauptſtadt Deutſch-
landes und aller Gjawr, koͤnnte bezwungen werden. Als es der Weßir ſo weit
gebracht hatte: ſo ließ er die vornehmſten Paſchen zu ſich berufen, gab ihnen
Nachricht von den Reden, die unter den Jeng-itſcheri herumgingen, und ver-
langte von ihnen, ſie ſollten ihre Meinung ſagen: ob es rathſam ſey, daß man
in ihr Begehren einwillige; oder ob man dieſes wichtige Unternehmen bis auf
den kuͤnftigen Feldzug ausſetzen ſolle.

Die Paſchen
und Teoͤkeoͤli be-
muͤhen ſich, dem-
ſelben davon ab-zurathen.
61.

Weil die Paſchen merkten, daß der Weßir wankelmuͤthig war: ſo
gaben ſie ihre Stimme ſtandhaft und einhaͤllig gegen die Belagerung von Wien.
Sie ſagten: Man muß eine Stadt nicht in des Feindes Haͤnden laſſen, die
nicht allein leicht zu erobern iſt, ſondern uns auch ein Eingang zur Eroberung
von ganz Deutſchland ſeyn kann; ſo muß man auch nicht ſo etwas unterneh-
men, davon man wenig Vortheil, und dagegen große Gefahr zu erwarten hat.
Teoͤkeoͤli ſetzte ſich derſelben vor allen andern entgegen; weil er voraus ſahe,
wenn der Weßir Wien belagerte, daß alsdann alle ſeine Hoffnung mit dem Koͤ-
nigreiche Ungarn zu Waſſer werden wuͤrde. Er ſagte daher dem Weßire: er
wuͤrde eine dem osmaniſchen Beſten hoͤchſtnachtheilige Sache unternehmen,
[Spaltenumbruch]

46 Kulkjihaja] der Leutenant von den
geſammten Truppen zu Fuß, und der naͤchſte
nach dem Aga der Jeng-itſcheri, uͤber den er
ſo gar in dem kaiſerlichen Diwan den Sitz hat.
Er hat die Liſte von den Jeng-itſcheri und
allem uͤbrigen tuͤrkiſchen Fußvolke; und wann
eines von den Regimentern der Jeng-itſcheri
in Beſatzungen verleget werden ſoll: ſo muß
es den Befehl dazu von ihm erwarten. Er
[Spaltenumbruch]
theilet alle Sachen, die die Jeng-itſcheri be-
treffen, ihrem Aga mit, und hat dieſelben
zu beſorgen; daher ſeine Gewalt bey dieſen
Truppen ſehr groß iſt.
47 Odſchak Agalari] Unter dieſer all-
gemeinen Benennung werden ſowol diejenigen
begriffen, die uͤber die ganze Schar der
Jeng-itſcheri die Befehlhabung fuͤhren; wie

wenn
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[468/0576] Osmaniſche Geſchichte thun: wenn ſie ſich bereitwillig erzeigen wuͤrden, ſich zu dieſem Unternehmen gebrauchen zu laſſen und darauf zu beſtehen: ſo wollte er ihnen nicht allein groͤßere Ehre und reichlichern Sold zuwenden; ſondern ihnen auch alle die Schaͤtze von Deutſchland, die, der Meinung nach, zu Wien aufbehalten wuͤr- den, zu pluͤndern geben. Ueber dieſes zog er den Aga der Jeng-itſcheri durch allerley ſcheinbare Vorwaͤnde und Verſprechung guͤldener Berge auf ſeine Par- tey; durch welcherley Kunſtgriffe auch der Kulkjihaja ⁴⁶ und die uͤbrigen Odſchak Agalari ⁴⁷ uͤbermocht wurden: ſo daß die Jeng-itſcheri ſich oͤffentlich beſchwereten, daß man die Kraͤfte des osmaniſchen Reiches vergebens bey der Belagerung eines nichtsbedeutenden Platzes verzehrete, und die Zeit verſchwen- dete, in der die Nebenbuhlerinn von Conſtantinopel, die Hauptſtadt Deutſch- landes und aller Gjawr, koͤnnte bezwungen werden. Als es der Weßir ſo weit gebracht hatte: ſo ließ er die vornehmſten Paſchen zu ſich berufen, gab ihnen Nachricht von den Reden, die unter den Jeng-itſcheri herumgingen, und ver- langte von ihnen, ſie ſollten ihre Meinung ſagen: ob es rathſam ſey, daß man in ihr Begehren einwillige; oder ob man dieſes wichtige Unternehmen bis auf den kuͤnftigen Feldzug ausſetzen ſolle. 61. Weil die Paſchen merkten, daß der Weßir wankelmuͤthig war: ſo gaben ſie ihre Stimme ſtandhaft und einhaͤllig gegen die Belagerung von Wien. Sie ſagten: Man muß eine Stadt nicht in des Feindes Haͤnden laſſen, die nicht allein leicht zu erobern iſt, ſondern uns auch ein Eingang zur Eroberung von ganz Deutſchland ſeyn kann; ſo muß man auch nicht ſo etwas unterneh- men, davon man wenig Vortheil, und dagegen große Gefahr zu erwarten hat. Teoͤkeoͤli ſetzte ſich derſelben vor allen andern entgegen; weil er voraus ſahe, wenn der Weßir Wien belagerte, daß alsdann alle ſeine Hoffnung mit dem Koͤ- nigreiche Ungarn zu Waſſer werden wuͤrde. Er ſagte daher dem Weßire: er wuͤrde eine dem osmaniſchen Beſten hoͤchſtnachtheilige Sache unternehmen, wenn ⁴⁶ Kulkjihaja] der Leutenant von den geſammten Truppen zu Fuß, und der naͤchſte nach dem Aga der Jeng-itſcheri, uͤber den er ſo gar in dem kaiſerlichen Diwan den Sitz hat. Er hat die Liſte von den Jeng-itſcheri und allem uͤbrigen tuͤrkiſchen Fußvolke; und wann eines von den Regimentern der Jeng-itſcheri in Beſatzungen verleget werden ſoll: ſo muß es den Befehl dazu von ihm erwarten. Er theilet alle Sachen, die die Jeng-itſcheri be- treffen, ihrem Aga mit, und hat dieſelben zu beſorgen; daher ſeine Gewalt bey dieſen Truppen ſehr groß iſt. ⁴⁷ Odſchak Agalari] Unter dieſer all- gemeinen Benennung werden ſowol diejenigen begriffen, die uͤber die ganze Schar der Jeng-itſcheri die Befehlhabung fuͤhren; wie der

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/576>, abgerufen am 23.11.2024.